Beitrag zum 18.03.2020
Thema: »Gänseblümchen«
Die Sonne stand hoch am Himmel, als Luke aus dem Blockhaus trat. Anders als die Häuser der Universität, die aus allen möglichen Steinen gebaut worden waren, war dieses nur grau. Graues, rissiges Mauergestein, ohne die moderne Technik. Hier brauchte man noch den seit Jahren abgeschafften Schlüssel, der sich im Schloss drehte. Da war die Fenster Gesichtserkennung bei weitem praktischer. Oder die Sticks, mit denen man – zumindest war das in einigen Räumen der Universität der Fall – ganz einfach Türen aufschließen konnte. Ein Schlüssel barg die Gefahr, abzubrechen. Dies war Luke schon dreimal passiert, seit er hier wohnte. Nun, wenigstens gab es unberührte Flecken Natur. Zum Beispiel lugten in den Ritzen der Pflastersteine im Hinterhof Gänseblümchen und Löwenzahn hervor.
Und noch etwas hatte das Haus an sich: Es konnte von den Satelliten nicht erfasst werden und existierte praktisch gar nicht. Ein ideales Versteck für Verbrecher, die eigentlich keine waren.
Nach dem Abzug der Androide und der Raumfahrer der NORS, waren Luke, KIM4 und Matt in die Universität zurückgeflogen. Dort hatte man sie schon erwartet. Soldaten und Polizei hatten den Panzer umzingelt und die Präsidentin der Universität sowie der oberste Stadtratsmeister waren sich in ihrem Urteil einig: Drei Monate Zwangsarbeit für jeden von ihnen wegen unerlaubten Führens eines Kriegspanzers, der normalerweise in einem Museum stehen sollte, Manipulation der Androide, welche für die Sicherheit dieses Landes sorgten, – als Luke das gehört hatte, hatte er einen Lachanfall bekommen, was ihm logischerweise wenig Sympathie einbrachte – und beabsichtigter Totschlag unschuldiger Bürger und Bürgerinnen der Stadt. Die Zwangsarbeit war für jeden unterschiedlich ausgefallen: KIM4 hatte man mit ausgetauschtem Akku, der innerhalb dieser drei Monate, wenn nicht gar eher, aufgebraucht war, ans Fließband einer Fabrik gesetzt. Luke musste sämtliche technische Geräte ohne Hilfe von Künstlicher Intelligenz reparieren – und das waren eine ganze Menge! Aber am schlimmsten traf es Matt: Er wurde in den Steinbruch geschickt. Als einziger Mensch unter Androiden. Zwei Monate hatte der Junge durchgehalten. Zu seinem Glück verstand er sich bestens auf den Umgang mit den Androiden. Er hatte sogar MOC1 getroffen, der eigentlich hätte zerstört sein sollen. MOC1 jedoch hatte Matt erklärt, dass er gelernt hatte, weiterzudenken. Sprich: Der Android hatte sich von einem anderen humanoiden Roboter den eingepflanzten Datenträger wieder entfernen lassen. MOC1 war Matt nicht böse gewesen. »Ihr musstet das tun. Es war notwendig«, hatte er zu dem völlig fertigen Jungen gesagt. Als Matt nach zwei Monaten im Steinbruch zusammengebrochen war, hatte MOC1 ihn in die Krankenstation gebracht und bei dem völlig verblüfften Aufseher des Steinbruchs bewirkt, dass Matt vorzeitig von der Zwangsarbeit befreit wurde. MOC1 war auch gleich mitgeschickt worden, denn einem eigenständig denkenden Androiden traute man im Steinbruch nicht über den Weg. Matt und sein Retter waren anschließend untergetaucht und hatten ebenjenes Haus errichtet, in dem die beiden mit Luke und KIM4 nun wohnten.