Beitrag zum 26.01.2022
Thema: »Mondsüchtig«
Zuerst einmal: Es tut mir leid. Wirklich. Leider waren die Schreie der Faramuga so laut, dass ich nicht anders konnte.
»Hey, Mørli, hat euer König eigentlich eine Krone?«, fragte Asta und hielt die Nase in den Wind, die Arme ausgebreitet. Mørliga zuckte belustigt mit den Ohren und keckerte leise, ehe er ihr im Thouraní antwortete. ›Das weiß ich nicht. Ich habe den Elfenforst nie gesehen, habe ich euch doch erzählt.‹
Laragas flog ruhig dahin; in der Ferne ging die Sonne unter und warf ihr goldenes Licht über den Wald.
»Wir nähern uns eurem Ziel. Es wird bald dunkel. Zeit, uns auszuruhen.« Der Drache steuerte einen See an, welcher von einigen Felsen umgeben war.
Kaum landete er, sprangen Mør und Asta von seinem Rücken; der Lyfux wurde zum Elfen. Laragas verzog sich hinter einen Felsen und schon bald hörte man ein so lautes Drachenschnarchen, dass sämtliche Tiere im Umfeld das Weite suchten.
»Na toll! Spätestens jetzt wissen die Elfen, dass wir kommen!« Asta verdrehte die Augen und bekam von Mørliga einen Stups. »Und? Die werden sich noch viel mehr aufregen, wenn sie dich sehen.«
»Was soll das jetzt heißen? Und fass mich gefälligst nicht an, oder willst du nochmal eins auf die Schnauze?«
Mørliga fauchte, und für einen Moment funkelten seine Augen feuerrot. Aber zu seinem Glück ließ er es damit gut sein. Er deutete auf den See. »Kannst du meine Wunde nochmal neu verbinden? Meine Schulter tut weh. Die Paste von Nisha ist schon aufgebraucht.«
Asta schnaubte. »Selbst Schuld«, wollte sie sagen, verbiss sich die Bemerkung allerdings und ging mit ihrem Igelelefantenschädel zum See.
Mørliga trug derweil Feuerholz zusammen. Gerade hatte er genug beisammen, als er einen gedämpften Laut vernahm. »Asta?«, rief er leise. Keine Antwort. Sollte er nachsehen? Nein, entschied er. Die Feantìe würde ihn womöglich mit ihrer Haarschleuder in Stücke headbangen, und darauf konnte er verzichten.
Sie kam im nächsten Moment sowieso wieder. Ihre Augen huschten hin und her und schienen nicht recht zu wissen, wohin sie blicken sollten. Mørliga huschte schnell zu dem schlafenden Drachen und hielt einen Holzscheit unter dessen rauchenden Nüstern. Sofort fing das Holz Feuer. Schnell lief er zurück und warf das brennende Stück auf die anderen Hölzer. Ein gemütliches Feuer prasselte.
»Soll ich das Wasser noch erhitzen, oder hat das Kätzchen genug Mumm, um sich mit kaltem Wasser behandeln zu lassen?« Asta musterte ihn spöttisch, nun wieder mit der altbekannten Bissigkeit.
»Schwing hier keine neunmalklugen Reden, mach einfach!«, knurrte Mørli und streifte sich das Hemd über den Kopf. »Übrigens, hat dich am See was erschreckt?«
Asta sah ihn mit geweiteten Augen an; peinlich berührt wandte sie den Blick gen Himmel und stieß einen Ausruf des Erstaunens aus.
Der Elf schüttelte den Kopf und sah in dieselbe Richtung. Scharf sog er die Luft ein.
Der Mond schien rund und voll über den See. Sein Licht brachte die Nachtschattengewächse zum Leuchten, sodass der See in einem Rahmen aus Licht gebettet war. »Das ist …«, fing Asta an.
»… wunderschön!«, beendete Mørli den Satz.
Unwillkürlich rückten die beiden näher zusammen. Asta legte dem Elfen die Hand auf die Schulter. »Ich hab gehört, dass bei Vollmond viele Wesen mondsüchtig werden. Sie tun dann Dinge, die sie ansonsten nie getan hätten.«
»Ach, wirklich?« Mørliga sah die Feantìe an und spürte etwas in sich aufsteigen. Dasselbe Gefühl, dass der Lyfux hatte, wenn er kurz davor war, seiner Beute die Zähne in den Hals zu schlagen und ihr das Leben zu nehmen.
Asta erkannte das Leuchten in Mørlis Augen. Nicht gefährlich rot, sondern wie ein sanfter Schimmer. Wie das Feuer. Gefährlich, aber auch zart. Wärme, Hitze.
Der Elf trat einen Schritt näher an sie heran und eröffnete somit den Tanz. …
* * *
Nico schrak auf. Sein Herz klopfte, als hätten sich Hacker an seinen Firewalls vorbeigeschlichen. Was war das für ein Traum gewesen? Asta und Mørliga …?
Brrr, nein, NEIN! Niemals! NICHT in seinem Game!
Der junge Mann fuhr sich über den Schopf und stand auf. Etwas fiel von ihm herab, und Nico bückte sich, um es aufzuheben. Er erstarrte. Eine Feder. Schwarzrotweiß.
Langsam erhob er sich mit dem Gruß von Vincay und trottete ins Bad. Als er in den Spiegel sah, schrie er auf.
Rote Augen blickten ihn an, zwinkerten – und waren verschwunden!