Beitrag zum 09.08.2020
Thema: »Hoffnungsschimmer«
Zhyan hatte sich geirrt. Zwar machte Saphaura ihnen keinen Ärger, wohl aber die Himnadhyi. Als das Heulen ertönte, waren Zhyan und Jari noch nicht weit gegangen. Jari klammerte sich fest an den Arm seines Lehrmeisters und schrie verängstigt auf. Vor ihnen zeichnete sich der Schatten eines geflügelten Wolfes ab. Nach und nach tauchten immer mehr von ihnen auf. Sie waren umzingelt!
Wenn er in Sicherheit gewesen wäre, hätte Jari die Schneeschwanwölfe mit dem samtigen Fell und den gewaltigen Schwingen wohl ehrfürchtig beobachtet. Doch jetzt kamen sie ihm bedrohlich vor, wie reißende Bestien. Sie waren wütend. Sehr wütend.
Zhyans Stimme war fest und klar, als er sagte: »Lass uns gehen, Jiin! Ich hatte Gründe für meine Tat!«
Der Wolf mit dem Namen Jiin machte einen Sprung auf Lehrer und Schüler zu. Jari wich schreiend zurück und spürte eine Schnauze in seinen Kniekehlen. Zähne schnappten nach ihm, doch Zhyan zog den Jungen an seine Seite und legte den Arm um ihn. Jiin grollte und fixierte Jari mit gierigen Augen.
»Mein Schüler war in der Gewalt eines Schnabelzahndrachen. Ich habe Jari aus Dhoolbalhar befreit, dem Teil der Stadt, der sich unter Sapheen erstreckt! Ich habe meine Pflicht als Lehrer getan und ihn vor Saphaura beschützt!«, knurrte Zhyan, dem es sichtlich schwerer fiel, Ruhe zu bewahren. Nein, Angst hatte er nicht. Es war viel mehr Wut, erkannte Jari.
»Die Herrin hatte damit nicht das Geringste zu tun! Du weißt ganz genau, dass sich ihre Herrschaft nicht bis in die tote Stadt erstreckt!«, bellte Jiin wütend. »Der Schnabelzahndrache hat genau gewusst, was er tat! Du kennst Kaar, verbannter Prinz!«
Zhyan schloss die Augen. Jari fühlte die Striemen auf seinem Rücken brennen und fing an zu weinen. Nicht ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass sie hier rauskamen! Umzingelt von Wölfen, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Zhyan und ihn zerrissen.
Sein Shikyan fuhr ihm tröstend durch die Haare.
»Dir wird nichts passieren, das weißt du«, murmelte der verbannte Prinz seinem Schüler zu.
Jiin knurrte. »Wir tun Kindern nichts. Aber du wirst deine Strafe bekommen!« Und mit diesen Worten sprang der Himnadhyi Zhyan an.
»Nein, nein!«, kreischte Jari, der losgelassen und weggestoßen worden war. Entsetzt beobachtete er, wie die Zähne des Wolfes sich in Zhyans Arm verbissen.
Die anderen Wölfe knurrten und grollten. Zhyan trat Jiin mit den Füßen gegen den Bauch, sodass er weggeschleudert wurde, sich aber mit den gewaltigen Flügeln in der Luft fing und mit geiferndem Maul auf den ungeschützten jungen Mann zu stürzte. Doch die Zähne verfehlten ihn.
Jari hatte sich mit aller Kraft gegen den Himnadhyi geworfen. Wolf und Junge fielen in einem Knäuel zu Boden. Jiin rappelte sich schnell wieder auf. Mit azurblauen Augen starrte er Jari an. Dieser versuchte, auf die Beine zu kommen, doch die Schmerzen in seinem Rücken hinderten ihn daran.
Es ist vorbei, das war’s, dachte er, als der Wolf langsam auf ihn zukam. Unverkennbare Funken von Mordlust entsprangen seiner Haltung. Jari kämpfte mit den Tränen und blickte zu Zhyan. Sein Lehrmeister und Freund hielt sich den Arm. Zwischen den Fingern quoll Blut hervor.
Die Angst machte etwas anderem Platz. Wut. Feuer. Jari fühlte, wie sich etwas in ihm öffnete. Sein Geist war mit einem Mal ruhig und klar. Im nächsten Moment schossen Flammensäulen wie aus dem Nichts aus seinen Fäusten.
»Nicht, Jari!«, brüllte Zhyan, und gleich darauf ertönte das angriffslustige Knurren der Wölfe, die sich in Bewegung setzten.
Die Warnung schien zu spät zu kommen. Doch dann mischte sich im selben Moment ein anderer Ton in die Geräusche. Das Brüllen eines …