In einem Alter von 14 oder 15 Jahren war es im letzten Jahrtausend üblich, das man als Spross aus gutbürgerlichem Hause den einen oder anderen Tanzkurs bei einer ortsansässigen renommierten Tanzschule belegte. Als gute Kinder unserer Eltern freuten wir uns über deren Anmeldung bei der Tanzschule, da sie schon tanzen lernten, damit wir in die Kunst des Gesellschaftstanzes eingeführt werden konnten. Nun denn, so lernten wir Walzer und Marsch, Cha-Cha-Cha und Foxtrott, Tango und Jive. Da wir mit dem Anfängerkurs wirklich nur ein bisschen Grundkenntnisse erwarben, wurde für uns kurzerhand auch noch der Fortgeschrittenen Kurs gebucht. Endlich wurde es interessant. Wir lernten Paso Doble. Davon hatte ich vorher nie gehört, aber der Rhythmus war schon spannend und die Schritte auch. Appell, Attack und dann tippelnd weiter bis zum nächsten Appell. Oh ja, das machte wahrlich Spaß, vor allem da gerade in der Hitparade ein Lied der Eurythmics rauf- und runterlief, dessen Grundrhythmus durchaus als Paso Doble hätte identifiziert werden können. Mit dem richtigen Tanzpartner wäre ich dann der Hit einer jeden Party.
So legte ich beim Unterricht noch mehr Eifer an den Tag, als ich es sonst tat. Dies blieb von unserem Tanzlehrer natürlich nicht unbemerkt, der sich zum Zwecke der Demonstration immer eine Dame aus dem Kreise der Schülerinnen wählte. So war ich an diesem Tage die Dame seiner Wahl. Erwähnte ich, dass ich lediglich den Grundschritt in gerader Folge beherrschte? Wir nahmen Aufstellung. Die Musik hub an. Appell, Attack und tippel, tippel, tippel... Na ja, das sah bestimmt nicht sehr spektakulär aus. So dozierte er, während wir im Grundschritt die Runde abtanzten, weiter und erklärte die nächste Figur. Gesagt, getan. Wir tanzten nun abwechselnd Grundschritt und diese neue Figur. Scheinbar wurde ihm wieder langweilig, so war er eben, denn er beschrieb die mannigfaltigen Figuren und Ausdrucksweisen gerade des Paso Doble. Nun denn; er hatte ein sehr langes Lied ausgewählt und wir drehten eine weitere Runde. An den Blicken der anderen Schüler merkte ich, dass etwas wohl sehr ungewöhnlich sein musste. Also überlegte ich fieberhaft, an welcher Stelle des Rhythmus oder bei welcher Figur wir denn nun eigentlich waren.
Während ich noch dachte, wäre ich beinahe lang hingestürzt, da sich meine Füße und die des Tanzlehrers irgendwie in die Quere kamen und einen formidablen Knoten bildeten. Lachend fing er mich auf und verhinderte so, dass ich mich verletzte.
„Das, meine Damen und Herren“, erklärte er dann, „passiert, wenn die Dame beginnt zu denken und sich nicht mehr führen lässt.“