Da ich in Zeiten von Corona mit meiner Zeit etwas Sinnvolles anfangen wollte, meldete ich mich bei der Feuerwehr meiner Stadt als Spontanhelfer, in meinem speziellen Falle natürlich als Spontanhelferin. Hier sollte ich dann Nase-Mund-Bedeckungen nach genauer Vorgabe nähen. In rhythmischen Abständen wurde ich von der Feuerwehr mit sorgsam verschweißten Materialien versorgt: eine Bahn kochfesten Stoffes unterschiedlichster Couleur, dazu in passendem Kontrast eine Rolle Schrägband und natürlich auch Garn. In der Nähanweisung war eine bebilderte Schritt für Schritt Anleitung, dass eine jede das Werk mit Leichtigkeit erfolgreich vollbringen konnte. Diese Tatsache wäre noch keine Geschichte wert, wenn die Feuerwehr nicht den Lieferservice eingestellt und stattdessen auf Selbstabholung umgestellt hätte. So teilte mir der nette Feuerwehrmann der Logistik am Telefon mit, dass ich mein neues Päckchen in der Margarethenstraße am Sportpark abholen könne. Bis 18 Uhr sei die Ausgabestelle täglich besetzt.
Da ich autorisiert bin und auch über ein Navi, liebevoll Yannick genannt, verfüge, gab ich die Adresse ein und wunderte mich an diesem Tage zum ersten Mal. Wieso schickte mich Yannick über den Rhein? Ich zog die Karten-App meines Handys zu Rate und fand den Fehler recht schnell. Margaretenstraße, also ohne „h“, hieße es nämlich korrekt, dann landete ich auch im städtischen Sportpark. Leider verstand Yannick die Hausnummer 17-19 nicht, so begnügte ich mich mit 17, da ich in meinem jugendlichen Leichtsinn glaubte, dass wäre ausreichend.
Souverän fuhr ich auf den Parkplatz am Sportpark und stellte mein Fahrzeug ab. Das erste Gebäude hatte Nummer 11, dann war es ja nicht mehr weit. Dachte ich. Die nächsten Gebäude waren ohne Hausnummer, das war nun aber echt sehr blöd. Das Haus auf der anderen Straßenseite hatte immerhin Nummer 22, welche Hausnummer das Sportstadion der Leichtathleten hatte, konnte ich nicht erkennen. Dank Corona war die Sportstätte menschenleer. Also ging ich wieder zurück, da ich dort Personen auf der Straße entdeckt hatte.
Als ich die Damen erreicht hatte, fragte ich aus gebührendem Abstand nach der Materialausgabestelle der Feuerwehr und erntete ungläubige Blicke, da die Damen nicht wussten, was das nun wieder sein sollte. So nannte ich unterstützend die Adresse.
„Die Arena hat 17-19“, meinten sie dann und wiesen auf das Fußballstadion mit Bundesligaausmaßen. „Auf der anderen Seite hat die Feuerwehr einen Stützpunkt, die wissen bestimmt mehr.“
Freundlich bedankte ich mich bei den Damen, stieg in mein Auto und fuhr auf die Rückseite der Arena. Dort prangten Schilder, die auf das Corona-Test-Zentrum hinwiesen. Kichernd überlegte ich, ob hier nun Corana oder doch Bürger auf die Krankheit getestet würden.
Mit Maske bewehrt sprach ich an der Absperrung des Testgeländes vor. Freundlich erklärte ich, dass ich Spontanhelferin sei und mein tägliche Dosis Stoff abholen wolle. Je mehr ich erklärte, umso unverständlicher wurde es für die Herren. Sie beratschlagten sich und riefen den einen oder anderen heran, der auch nicht Bescheid wusste. Die Information, dass schon andere Damen gefragt hätten, half mir in diesem Moment in keinster Weise weiter, außer dass es hier Erwähnung finden soll. Doch irgendwann hatte einer der Herren eine zündende Idee. Ich solle zum Bettenturm des Landessportbundes fahren, da muss die Ausgabestelle sein. Ganz bestimmt! Da war er sich sicher!
Artig bedankte ich mich und fuhr in die angewiesene Richtung. Als ich jedoch beim Bettenturm parkte, war dort alles in seliger Ruh, wie es sich des Nächtens aber gewiss nicht bei Tage für einen Bettenturm gehörte. Alles war verriegelt und verrammelt, handgeschriebene Schilder wiesen darauf hin, dass alle Sportkurse und Veranstaltungen wegen Corona bis auf weiteres ausfielen. Na toll. Und wo war nun die Feuerwehr mit ihrer Nähstube?
Also stieg ich wieder in mein Auto, als meine Mitbewohnerin anrief, die mich schon sehnlichst vermisste und schon längst zurück erwartete, da ich bereits seit über einer Stunde unterwegs war. Zerknirscht teilte ich ihr mit, dass ich die Feuerwehr noch nicht gefunden hätte und gewiss bald genervt die Suche aufgäbe und nach Hause führe.
Auf dem Weg aus dem Sportpark Richtung Hauptstraße erblickte ich im Foyer des Behindertensportbundes Personen. Also wendete ich kurzerhand und parkierte vor dem Eingang unberechtigt auf dem Behindertenparkplatz, um dort nach der Feuerwehr zu fragen. Leider wussten die Damen auch nicht Bescheid, aber sie bestätigten mir ebenfalls, dass schon mehrere Personen nach der Feuerwehr gefragt hätten. Sie telefonierten sogar etwas herum, um die Ausgabestelle zu finden, leider erfolglos. Sie glaubten jedoch, dass die Behindertenwerkstatt in der Nähe eine gute Anlaufstelle für die Ausgabestelle sein könne.
Auch hier bedankte ich mich artig und mit der nötigen Freundlichkeit bei den Damen und fuhr zum x-ten Male durch die Margaretenstraße, die ohne „h“. Dieses Mal jedoch aus gegebenen Anlass in die andere Richtung als ich an einem Baum ein handgeschriebenes Schild gewahr wurde. Näherei und ein Pfeil. Nach einer formvollendeten Vollbremsung parkierte ich mein Auto unter dem Schild. Dann nur noch ins Gebäude, mit einem Auge suchte ich nach der nicht vorhandenen Hausnummer, die Treppe in die erste Etage, den langen Gang Richtung Konferenzzentrum, vorbei an Umkleidekabinen und der Sporthalle für die Judokas, dann endlich nach rechts und am Ende des Ganges, nein ich war noch nicht in Indien, war die Station zur Händedesinfektion aufgebaut. Durch die geöffnete Tür hörte ich bereits das Rattern der Nähmaschinen der fleißigen Spontanhelferinnen. Und wahrlich, als ich die Turnhalle betrat, erblickte ich einen Feuerwehrmann, der mir nun endlich meine täglich Dosis Stoff aushändigen sollte. Natürlich berichtete ich ihm ausführlich von meiner nun doch noch erfolgreichen Odyssee durch den Sportpark, einen Bericht, den er staunend zur Kenntnis nahm, da er sich schon den gesamten Morgen darüber wunderte, dass so wenige Personen zum einen anwesend und zum anderen Material bei ihm abholten.
Für die unter euch, die es interessiert, welche Ausmaße unser Sportpark mitten in der Stadt hat, dem sei hiermit kundgetan: 60 Hektar Wasserfläche, die Ruderstrecken sind 2,5 Kilometer lang, bei einer Gesamtfläche von 200 Hektar; 19 Kilometer Wegefläche und 5 Kilometer beleuchtete Laufstrecke. In 30 dort beheimateten Vereinen können 40 verschiedene Sportarten betrieben werden. Natürlich gibt es auch noch den Kletterpark für die Großen und den Wasserspielplatz für die Kleinen.