Dieses Phänomen von Ortschaften, die so klein sind, dass man sich tatsächlich wundert, dass dort noch Menschen in halbwegs intakten Strukturen leben, ist auch in Deutschland nicht unbekannt. In Spanien gibt es dies in der Tat sogar noch öfter, dies ist zum einen der Größe des Landes und zum anderen der geringen Bevölkerungszahl geschuldet. Eines dieser Orte ist El Pueblo Poblacho, im wirklichen Leben heißt er natürlich anders, aber ich nenne es nun so. Wir kennen ja alle Midsomer und das beliebte Badger’s Drift, ein typisch britisches Dorf in einer nicht existenten Grafschaft.
Wo war ich? Ach ja. Besagtes El Pueblo Poblacho ist so klein, dass es keine Geschäfte hat, die gibt es erst im nächsten Ort, welcher 15 Kilometer entfernt liegt. Dafür kommt einmal am Tag ein Verkaufswagen, um die Haushalte mit den lebensnotwendigen Dingen zu versorgen. So wie jeder Tante Emma Laden Treffpunkt der Hausfrauen ist, ist es auch dieser Verkaufswagen, es ist quasi die erste Attraktion eines jeden Tages.
Wer nun glaubt, dass es keine Dorfjugend gäbe, der irrt. Diese ist durchaus vorhanden und trifft sich mehrmals täglich in der einzigen Bodega, Café, Wirtshaus ach was Gaststätte wie auch immer. Denn dieses Lokal verfügt als einzige Lokalität im Ort über ein relativ stabiles und veritables WLAN, und das kostenfrei.
Natürlich nutzt nicht nur die Dorfjugend dieses Angebot, sondern auch alle anderen, die ansonsten mit ihrem Smartphone ziemlich aufgeschmissen wären. Wie gesagt, der Ort ist mitten im Nichts, umgeben von Landschaft und um die Landschaft herum noch mehr Landschaft oder auch unterbrochen von etwas Gegend.
Des Weiteren verfügt das Dorf über einen Bürgermeister, das muss ja auch sein. Der Bürgermeister sitzt natürlich im Rathaus, wie es sich gehört. Nun denn, als meine Mitbewohnerin gerade dieses Rathaus aufsuchen wollte, ließ sie sich den Weg erklären und fand es nicht auf Anhieb. Sie lief nämlich mehrmals daran vorbei, da es kaum größer als eines der hiesigen Kassenhäuschen eines bewachten Parkplatzes ist. Da sie es endlich entdeckt hatte, versuchte sie die Anschlagtafel mit den Öffnungszeiten zu entdecken, leider vergebens, es gab schlicht weg keine. Auch eine Internetpräsenz war nicht vorhanden, vermutlich wegen des Mangels an Internet an dieser Stätte. Aber es existierte eine telefonische Bandansage, die ihr eine wöchentliche Öffnungszeit von vier Stunden am Dienstag offerierte. Immerhin.
Da wo es einen Bürgermeister hat, gibt es gewiss auch eine Polizei. Den einzigen Dorfpolizisten traf meine Mitbewohnerin in bereits erwähntem Internethotspot. Hier hielt sich der Herr den gesamten Tag auf und beobachtete seine Schäfchen, denn jeder tauchte ja mindestens einmal am Tag dort auf. So kam meine Mitbewohnerin mit ihm ins Gespräch. Voller Stolz berichtete er darüber, dass er gar kein Gefängnis benötigte, da es ja auch keine Kriminalität gäbe. Meine Mitbewohnerin stutzte und fragte erstaunt nach. Er bekräftigte dies erneut, keine Kriminellen in El Pueblo Poblacho. Etwas irritiert schaute sie aus dem Fenster und sah ein nicht ganz vorschriftsmäßig geparktes Auto vor der Tür stehen. Doch ehe sie ihn darauf hinweisen konnte, trat ein Dorfbewohner zu ihnen an den Tisch, stellte ein Glas Rotwein vor den Dorfbullen und entschuldigte sich dafür, dass sein Auto gerade so unkonventionell parkte. Dieser warf nun einen Blick hinaus und bemerkte, dass das Fahrzeug den nicht vorhandenen Verkehr überhaupt nicht behinderte, nickte nur und griff zum Rotwein.
Ja, so ist das Leben am Ende der Welt.