Als meine Mitbewohnerin von La Señora heimkam, wusste sie genau Bescheid, wie es sich mit der politischen Bildung im Allgemeinen und persönlichen Ausrichtung im Speziellen verhält. So ist La Señora eine glühende Anhängerin der spanischen Partei Vox, nicht zu verwechseln mit dem kulturell wertvollen TV Sender Vox in Deutschland. Na ja. Eigentlich müsste es Voz heißen, aber da der Herr Señor Abascal aus Bilbao sprich Baskenland ist, heißt es eben Vox. Gibt es im Baskenland nicht auch Separatisten?
Wo war ich? Ach ja. Die Faschisten heute sind nicht zu vergleichen mit den Faschisten von damals und eigentlich wollte sie Franco auch wieder zurück. Aber das ist eine andere Geschichte. So hat diese Partei natürlich ein Logo in grüner Farbe, damit sie für junge Wähler ansprechender wirkt. Vermutlich soll hier eher eine Verwechslung mit Greenpeace vollzogen werden. Außerdem sei Vox äußerst modern, da sie ja hinreichend und ausführlich die modernen neuen Medien und Kommunikationsmittel nutzt. An dieser Stelle stutzte ich. Hatte nicht auch der Herr Dessen-Name-nicht-genannt-wird dafür gesorgt, dass in allen Haushalten ein Radio, liebevoll Volksempfänger genannt, stand, damit bloß jeder seine Propaganda hören konnte? Aber weiter.
Außerdem habe man ja nichts gegen Ausländer. Sie sollen halt nur nicht illegal und ungefragt ins Land kommen, um dann der Allgemeinheit auf der Tasche zu liegen. Fleißige Personen aus anderen Ländern dürften durchaus in Spanien arbeiten, wenn kein Spanier diese Arbeit verrichten mag. Das ist doch plausibel und leicht nachzuvollziehen. Warum verstehen das die Illegalen nicht?
Weiterhin erklärte La Señora, dass Vox auch nichts gegen Homosexuelle habe. Jeder kann in seinen vier Wänden bzw. in seinem Bette tun und lassen, was er oder auch sie wolle. Aber heiraten, dass weiß doch jedes Kind, geht nur zwischen Mann und Frau, das ist von Gott so vorgesehen und da gibt es auch nichts zu diskutieren.
Weiterhin führte sie aus, dass Feminismus eine tolle Sache sei, aber bitte schön keine Feminazis. Meine Mitbewohnerin stutzte bei dieser Wortneuschöpfung. Feministische Nazis? Gab es so etwas? Doch dann kam die Erläuterung des Konstrukts. Feminazis seien Frauen, die alle Männer am liebsten entmannten und die Herrschaft an sich reißen wollten. Dabei war es doch erlaubt, dass die Frauen neben Haushalt und Kindern einen Beruf ergreifen konnten. Aber diese Feminazis lehnten sich halt gegen die natürliche Ordnung auf, dass der Mann das Geld verdiente und die Frauen sich um den Haushalt und Kinder zu kümmern hätten.
Meine Mitbewohnerin lauschte den Ausführungen der spanischen Ingenieurin, die für ein namhaftes deutsches Unternehmen arbeitet und auch in der konzerneigenen Siedlung unter gutem Stern wohnt. Als Sozialwissenschaftlerin war meine Mitbewohnerin konsterniert und war obwohl sonst recht eloquent, nun ziemlich sprachlos. Nach schier unendlichen Sekunden, da sie um ihre Fassung rang, hub sie zur Gegenargumentation zum Thema Emanzipation, Migration, sexuelle Identität und sonstiger der Sache dienlichen Argumenten an. Jegliche Ausführungen wurden von La Señora mit fadenscheinigen Begründungen zu entkräften versucht und wenn alles nichts half, nannte sie es nach trumpscher Manier „Lügenpresse“.
Sie hat eindeutig recht, der moderne Faschismus ist ganz anders.