Ihr erinnert euch? Ich habe in einem früheren Leben etwas Gescheites gelernt. Da Handwerk einen goldenen Boden hat, gehört man dann im Viertel auch zu den Honorigen, auch wenn sich mir der Grund dafür so überhaupt nicht erschließt. Wie gesagt, ich gehörte zu den Berühmten und dem entsprechend wurde ich, sobald ich einen Fuß vor die Tür setzte, von allen erdenklichen Leuten gegrüßt. Einige kannte ich mit Namen und antwortete artig auf den Gruß. Andere wiederum kannte ich nur vom Sehen, auch dort erwiderte ich mit Freundlichkeit. Die letzte Gruppe war mir unbekannt und so nickte ich meist nur und lächelte. Hier hoffte ich inständig, dass man es mir nicht negativ auslegte. Soviel zu meinen Ausgängen. Nun bemerkte nicht nur ich diesen Umstand des Bekanntheitsgrades, sondern auch die mich begleitenden Personen, sei es Freundinnen, Kollegen oder Dates. Teilweise war es diesen äußerst unangenehm, da wir schon ziemlich weit fahren mussten, damit ich auf der Straße nicht mehr erkannt wurde. Mein Dasein als Live-Rollenspielerin machte diesen Kreis leider wieder größer.
Aber zurück zu meiner Geschichte. Es begab sich nun, dass meine Innung eine Fahrt nach Russland genauer nach St. Petersburg veranstaltete. Natürlich musste ich da mit. Als ich so mit den anderen Konditoren-Ehefrauen an den Palästen vorbei flanierte, seufzte die Frau des Obermeisters. Fragend blickten wir sie alle an.
„Ist es nicht erfrischend“, hub sie an zu sprechen, „hier ist endlich mal keiner, der dich grüßt. Ich konnte es wirklich nicht mehr hören.“
Die anderen Damen nickten zustimmend.
„Wie machst du das nur?“ Fragte eine der Damen.
„Über all... Guten Tag, Frau zu Tanabe. Guten Morgen, Frau zu Tanabe. Einen schönen Tag, Frau zu Tanabe.“ Die Frau des Obermeisters war wirklich pikiert über die Zuwendungen der Passanten.
„Keine Ahnung, woran das liegt. Ich hinterlasse wohl einen bleibenden Eindruck.“ Ich zuckte mit den Schultern und lächelte unschuldig in die Runde.
Während der Diskussion waren wir in der Nähe eines Wachhäuschens, vor dem ein Soldat im prächtigen Ornat Wache hielt, stehen geblieben. Als wir uns wieder in Bewegung setzten und an ihm vorbeigingen, knallte er die Hacken zusammen und salutierte.
„Guten Tag, Frau zu Tanabe“, sagte er in seinem harten russischen Akzent.
Ich lächelte und nickte, wie es meine Art war, ihm freundlich zu.