Auch wenn man in Großstädten den Nachbarn, wie man ihn im Dorfe kennt, abgeschafft hat, habe ich dennoch einen solchen, also einen Nachbarn. Er wohnt schräg gegenüber. Er ist, wie soll ich sagen, ein wenig speziell, sonst wäre er ja auch keine Geschichte wert. Wenn er nicht zufällig mein Nachbar von gegenüber wäre, bevölkerte er lediglich das Heer der Exkollegen. Dieser unsäglichen Personalunion habe ich es zu verdanken, dass er sich das eine oder andere Mal zu einem mitgebrachten Bier einlädt. Was waren meine Mitbewohnerin und ich froh, dass uns Corona und der Lock-down ereilte. Wir glaubten uns von ihm in Ruhe gelassen. Das Wort glauben schildert die Situation richtig. Er wollte sich dennoch zum Bier einladen. So stand er komplett ausgerüstet mit drei Flaschen Bier und einem Coronameter vor unserem Haus. Für alle die unter euch, die dieses Coronameter nicht kennen, sei es kurz beschrieben. Es ist ein Stab von 1,50 Meter Länge, da die Regierung in ihrer Weisheit und Güte, dies als unbedenklichen Abstand deklariert hatte.
So lag also besagtes Coronameter zwischen uns und der Nachbar trank sein Bier. Mir behagte es nicht, eine Flasche Bier auf der Hauptstraße stehend an den Hals zu setzen, worauf ich ihn unverrichteter Dinge stehen ließ. Da meine Mitbewohnerin noch eben eine rauchte, blieb sie eine Zigarettenlänge bei ihm stehen. Das hätte sie vielleicht nicht tun sollen, denn unser direkter Wohnungsnachbar, also dem Paul sein Vatta, sprach die beiden an und äußerte vehement die Bitte, na ja eigentlich war es eher ein Befehl, dass dieses Gelage gefälligst vor der Tür anderer Leute stattzufinden hätte.
Tatsächlich versuchte unser Nachbar, mit Coronameter und Bier bewehrt, uns zu einem Stelldichein vor seiner Türe zu bewegen. Einer Bitte, der wir mit Freuden nicht nachkamen. Und das trotz Coronameter.