Auch die Bahn ist an sich nicht witzig, doch die Momente, in denen wir unser Leben in vollen Zügen genießen, sind doch oft voller tragischer Komik. Wer nun glaubt, die Bahn habe sich erst unlängst dorthin gewandelt, der irrt. Denn folgenden Begebenheit ist, wie sollte es anders sein, aus dem letzten Jahrtausend.
Vorausschicken muss ich, dass mein Vater sehr Eisenbahn begeistert war. Er liebte seine Modelleisenbahn, Märklin H0 und hatte seinen Dachboden mit gefühlten 100 Kilometern Gleisen ausgestattet. Vermutlich war seine Anlage Vorbild für die Miniaturwelt in der Hamburger Speicherstadt, aber das ist eine andere Geschichte.
Mein Vater hörte von diesem neuen Zug. ICE, damals die Abkürzung für InterCityExperimental. Anfang der Neunziger war der schon toll und futuristisch. Endlich wurde er auch auf bestimmten Strecken eingesetzt und normale Leute konnten in den Hochgenuss der Moderne kommen. Was machten wir also als aufmerksame Kinder, ich war nicht mehr wirklich ein Kind, wir wollten unserem Vater eine Fahrt mit diesem vortrefflichen Zug schenken. Also nur Zug fahren und so.
Da meine Heimatstadt über einen Bahnhof mit 14 Gleisen verfügt, ging ich dort in das Reisezentrum, um Fahrkarten für meine Eltern käuflich zu erwerben.
„Guten Tag. Ich hätte gern zwei Fahrkarten für den ICE. Mein Vater ist zugbegeistert und wir möchten ihm eine Fahrt mit dem neuen Zug schenken.“ Formulierte ich meinen Wunsch und fand, dass ich mich präzise ausgedrückt hätte.
„Wohin möchten Sie fahren?“ Fragte mich die Bahnangestellte.
„Das Ziel ist egal, Hauptsache mein Vater fährt mit dem ICE.“ Gab ich zur Antwort.
„Also, junges Frollein, so geht das nicht. Sie müssen schon sagen von wo Sie wohin fahren wollen.“ Belehrte sie mich dann.
„Gut“, gab ich mich geschlagen. „Zwei Karten von hier nach Hamburg.“
„Der ICE hält hier nicht.“ Kam direkt die Antwort.
„Verstehen Sie mein Problem“, versuchte ich es erneut. „Sie können doch feststellen, wo der Zug fährt, und dann verkaufen Sie mir so eine Karte, und am besten zwei, weil meine Mutter auch mitfahren darf.“ Langsam wurde es nervig.
„Ohne genau Zielangaben kann ich Ihnen keine Karte verkaufen.“
„Mir ist es egal wohin es geht, mein Vater möchte nur mit dem ICE fahren. Sagen Sie mir bitte, wo der Zug fährt, dann kann ich Karten kaufen.“ Erklärte ich erneut mein Anliegen.
Sie schaute mich ratlos an und ich gab auf.
Long Story short. Im Reisebüro unseres Vertrauens war es dann möglich, eine Fahrt mit dem ICE inklusive Karten für ein Musical zu buchen. Meine Eltern fuhren mit dem Auto nach Gießen, wo sie meine Schwester und die Enkelchen besuchten. Mein Schwager fuhr sie dann nach Frankfurt zum Bahnhof. Dort stiegen sie in den ICE nach Hamburg und sie sahen sich Cats an. Drei Tage später ging das Ganze Retour. Also ICE nach Frankfurt, Abholung durch den Schwager und mit dem Auto wieder heim.
Geht doch!