Um ein Vorstellungsgespräch zu erhalten, muss man zuvörderst eine Bewerbung schreiben und davor sollte man eine passende Stellenanzeige entdeckt haben. Eine Tätigkeit, die eigentlich recht langweilig ist und auch nicht berechtigt, hier in der Sammlung aufzutauchen.
Allein schon der Erhalt der passenden Stellenausschreibung ist eine Geschichte wert, gehört jedoch in die Kategorie „Das Liebesleben der WG“. Also wird diese Episode dort auch auftauchen.
Nun denn, meine Mitbewohnerin, kurz bevor sie in mein Leben trat, erhielt von ihrem langjährigen Gelegenheitsgeliebten eine, nun eigentlich vier Stellenausschreibungen. So gedachte sie, eine Bewerbung für eine jede Position zu erstellen und abzuschicken. Hierzu verabredete sie sich mit einer Bekannten, um deren Computer und Internetzugang zu nutzen. Leider wurde sie versetzt und sie wandte sich hilfesuchend an eine andere Bekannte, die als gut betuchte Ehegattin über Zeit und einen Sohn mit passendem Equipment verfügte.
So plante meine Noch-Nicht-Mitbewohnerin ein Treffen mit dem Sohn, der nicht nur über Computer und Internet, sondern auch über Ideen und passendes Rauchkraut, sie war wirklich sehr unaufgeräumt, gebot. Nach dem ersten Joint waren die Anschreiben schnell verfasst und der Lebenslauf passend aufgehübscht. Nach getaner Arbeit versprach der Sohn einen Männerjoint, den sie sich aus besagtem Anlass teilten. Derart gestärkt verschickten sie die Bewerbungen an die angegebenen Emailadressen.
Die Einladung, über Nacht bei der Mutter des Sohnes zu bleiben, nahm meine Noch-Nicht-Mitbewohnerin gerne an, da sie sich nicht in der Lage sah, den Weg nach Hause zu finden. Wie gesagt, Männerjoint und hernach mit der Ehefrau noch einen Schoppen Wein.
Am darauffolgenden Morgen, sie war noch nicht wirklich wach, klingelte ihr Handy. Der potentielle Arbeitgeber, ein ortsansässiger Bildungsträger, meldete sich und lud sie zum Vorstellungsgespräch ein, das schon in drei Stunden sein sollte. Sie stellte sich unter die kalte Dusche, um das Aufwachen zu beschleunigen. Unterdessen stand ihre Bekannte vor ihrem Kleiderschrank voll mit nichts anzuziehen und wählte ein Ensemble Armani und Gucci für das Vorstellungsgespräch aus. Als ehemaliger Punk aus den 80ern wollte meine Noch-Nicht-Mitbewohnerin doch nicht derart Over-Dressed auflaufen und entschied sich dann für etwas Dezenteres.
„Nimm dir einen Autoschlüssel aus dem Körbchen“, entschied die Ehegattin und grinste vielsagend.
Also schnappte sich die Arbeitsuchende einen Schlüssel, ging in die Garage und schaute erstaunt auf den Fuhrpark. Einen Porsche Cayenne, neben dem kleinen Mazda-Sportflitzer und ein italienischer Sportwagen. Zaghaft drückte sie den Schlüssel und hoffte, dass sich der Mazda meldete. Geräuschlos öffnete sich die Flügeltür des Lamborghini. Dann eben der italienische Sportwagen, dachte sie entspannt und erinnerte sich an den Männerjoint.
So fuhr sie, eigentlich schwebte sie, Richtung Vorstellungsgespräch. Der Bildungsträger war, wie es sich für eine solche Einrichtung gehörte, in der unmittelbaren Näher zu seiner Kundschaft angesiedelt, neudeutsch nennt man das sozialer Brennpunkt. Als sie parkte, war wohl gerade Pause, denn sie war von Personen umringt, denen sie noch nicht einmal einen 20 Jahre alten Corsa angeboten hätte. Ihr wäre dann doch schon ein wenig mulmig zumute gewesen, wenn sie nicht am Vorabend diesen vortrefflichen Männerjoint genossen hätte. Der Sohn hatte schon gute Ware aus einem holländischen Kräuterfachgeschäft geordert. So war es ihr herzlich egal und sie ließ sich von den Herren aus dem Auto helfen.
Aber wo war ich? Ach ja, Vorstellungsgespräch. Noch leidlich bekifft und mit einer gewissen Portion Restalkohol saß sie nun im Gespräch und fühlte sich wie in den 80ern bei Gericht, denn ihr gegenüber saßen vier Personen mit gewichtiger Miene. Sie lächelte. Sie überlegte fieberhaft, ob sie auch ihre Diplome und ihre Veröffentlichungsliste mitgeschickt hätte. Scheinbar waren sie da, denn es wurden reichlich Papiere von links nach rechts und wieder zurückgewendet.
Das Gespräch plätscherte dahin und hinterließ auch keinen wirklich bleibenden Eindruck bei ihr, als ihr eine spannende Frage gestellt wurde. Sie überlegte fieberhaft, was von ihr verlangt wurde, besser sie fragte noch mal nach.
„Ich glaube, ich stehe gerade... Dingens... Wie heißt noch mal das Gummiding... Das im Garten... Da wo Wasser durch geht... Das für zum Blumen gießen?“ Sie kam beim besten Willen nicht darauf.
„Schlauch?“ Antwortete dann einer der vier aus dem Panoptikum.
„Ah, danke, Schlauch“, bedankte sie sich, „ich stehe gerade auf dem Schlauch. Was wollen Sie mit der Frage erreichen?“
Ob das Thema noch genauer erörtert wurde, konnte sie im nach hinein nicht mehr sagen. Ist für die Geschichte aber auch nicht mehr wichtig, denn sie hatte den Job. Zwar keine der Positionen, auf die sie sich beworben hatte, das ist bei Bildungsträgern durchaus so üblich, aber immerhin einen Job.
So wurden wir zwei unbeabsichtigt als Kolleginnen, kurz bevor meine Wohnung ausbrannte, zusammengeführt. Heute lachen wir noch gerne über das verrückte Vorstellungsgespräch, das bei diesem Arbeitgeber eines von vielen war, denn sobald man um Versetzung bat, musste das übliche Bewerbungsprozedere durchgeführt werden. Das wäre an sich ja nicht weiter schlimm, wenn unser oberster Chef nicht bei jedem Gespräch so tat, als wenn man eine völlig fremde Person wäre. Im Rückspiegel der Erinnerung wurde uns klar, dass sie vermutlich den Job nur bekifft bekommen hatte, denn wenn sie nüchtern gewesen wäre, hätte sie gewiss dankend abgelehnt. Vermutlich kann man diese Firma auch nur bekifft ertragen.