Der April ging ereignislos zu Ende. Auch der Mai kam und ging ohne große Ereignisse. Mittlerweile hatten Harry und Draco den Lernrhythmus selbst ziemlich beschleunigt und lasen eine Menge Zusatzliteratur. Sie standen im konstruktiven Wettbewerb miteinander, was den Erwachsenen zusagte. Harry arbeitete abends immer noch einmal die wichtigsten Dinge des Unterrichtes durch, sodaß Lucius ihm erlaubte ,später ins Bett zu gehen. Mittlerweile flogen sie nach dem Frühstück regelmäßig Manöver und spielten eine Stunde vereinfachtes Quidditch. Offensichtlich lag Harry eher die Sucherposition und Draco war ein besserer Jäger.
Einen Tag vor Dracos Geburtstag am 05. Juni unternahm man einen weiteren Besuch in die Winkelgasse. Harry war sehr aufgeregt, weil er seit seinem Einzug tatsächlich etwas bekam, was ebenfalls sehr ungewöhnlich für ihn war. Er erhielt von den Malfoys Taschengeld. Zwar hatte er keine Idee, wofür er es ausgeben sollte, er bekam ja alles, trotzdem war die Möglichkeit selbst etwas kaufen zu können toll. Mittlerweile hatte er fast zwanzig Galeonen zusammen. Damit konnte er eine Menge tun, vor allem wollte er seinem Bruder ein tolles Geschenk besorgen. Was das sein könnte, wusste er nicht.
Dracos Barschaft war weitaus geringer, weil er bei seinen Eltern im Januar für seine neue Schnellschreibefeder mit Korrekturfunktion einen Vorschuss auf das Taschengeld bekommen hatte. Genau genommen hatte er noch 3 Galeonen und 2 Knuts. Der obligatorische Besuch im Buchladen verlief ruhig. Die Jungs suchten sich ein paar Abenteuerbücher aus. Harry wollte unbedingt ein weiteres Buch über Zaubertränke und bekam es selbstverständlich. Draco wiederum wählte eines über Verwandlung.
Lucius gab der Verkäuferin die Buchliste für Hogwarts in die Hand: „Schicken Sie die Bücher von der Liste bitte zwei Mal nach Malfoy Manor zusammen mit der Rechnung für diese hier.“ Die ältere Hexe sah ihn freundlich an: „Sie sind Mr. Malfoy. Oh wie schön, Sie persönlich sprechen zu können. Ich bin Sylvia Vane. Ich habe den Artikel im Tagespropheten über die Lebensumstände von Harry Potter bei diesen Muggeln gelesen. Es ist ein echter Verdienst, dass Sie sich des Jungens angenommen haben. Er wirkt sehr glücklich in Ihrer Familie.“ Lucius lächelte milde: „Harry macht uns alle sehr stolz, genauso sehr wie Draco. Niemand hat verdient so zu leben. Er musste tatsächlich im Schrank unter der Treppe schlafen – mit nichts als einer Matratze. Ich hoffe, die Verantwortlichen werden eines Tages zur Rechenschaft gezogen. Leider sperrt man sich im Ministerium mit Rücksicht auf die Beziehungen zu Muggeln allgemein, hier entsprechend vorzugehen.“ Mrs. Vane war ernsthaft empört. „Ich hätte von Fudge mehr erwartet, Mr. Malfoy. Nehmen Sie doch für die beiden Jungs noch „Quidditch im Wandel der Zeiten“ mit. Ich schenke es Ihnen.“ Narcissa schenkte ihr ein hinreißendes Lächeln. „Wie reizend von Ihnen, Mrs. Vane.“
Man war sehr zufrieden, offensichtlich hatten sich die Mühen des Prozesses und der Medienberichterstattung gelohnt. Sie bummelten an Magische Menagerie vorbei. Draco stand mit leuchtenden Augen vor dem Schaufenster. In einer breiten Voliere nagte ein wunderschönes Eichhörnchen an einer Nuss. Es war etwas größer, als das aus dem Zoo und hatte ein glänzendes rotbraunes Fell. „Kann ich es zum Geburtstag bekommen? Als Haustier für Hogwarts?“, fragte er seinen Vater bittend. Lucius war Pragmatiker: „Draco, Ihr bekommt bereits zur Einschulung jeder eine eigene Eule. Eulen sind nützlich. Sie versenden Nachrichten, ohne dass Du eine Schuleule benutzen musst. Ihr dürft in Hogwarts nur ein Haustier haben. Wenn Du jetzt noch Taschengeld hättest, könntest Du es Dir selbst kaufen. Aber es gibt auch keinen weiteren Vorschuss. Tut mir leid.“ Draco wusste, dass seine Eltern absolut konsequent waren. Sie würden ihm auf keinen Fall das Eichhörnchen kaufen. Die grenzenlose Enttäuschung von Draco tat Harry weh. Er warf einen Blick auf das Preisschild. Das Eichhörnchen war ziemlich teuer. Es kostete 18 Galeonen. Vielleicht könnte er Draco helfen. „Wenn Draco und ich uns eine Eule teilen, könnte er ein anderes Haustier haben. Ich brauche keins.“ Lucius überlegte kurz: „Grundsätzlich stimme ich Dir zu, allerdings müsstet Ihr dann auch in ein Haus gehen. Sonst funktioniert die Sache nicht, weil Ihr Euch vielleicht gegenseitig schreiben wollt. Trotzdem kaufe ich kein Eichhörnchen. Ein Nein ist ein Nein.“
Harry nickte eifrig und lächelte vergnügt. „Dann kann ich es Draco kaufen zum Geburtstag. Wenn Ihr es erlaubt, natürlich nur.“ Narcissa war skeptisch. Ein Eichhörnchen schien nun wirklich kein passendes Haustier für ihren Sohn. Sie mischte sich ein: „Harry, dann gibst Du fast Dein ganzes Geld dafür aus und hast die Eule nicht für Dich allein.“ Lucius fand die Idee ziemlich gut. Harry war scheinbar ohne weiteres bereit, für Draco auf Dinge zu verzichten. Dieses Verhalten sollte unbedingt gefördert werden: „Wenn Du es so möchtest, darfst Du es tun. Es ist Dein Geld und damit Deine Entscheidung.“
Die Jungs stürmten das Geschäft. „Ich möchte das Eichhörnchen kaufen, aus dem Schaufenster.“ Der Verkäufer erläuterte, was sie an Erstausstattung für das Tier benötigten. Draco hatte ein bißchen Angst, dass das Geld nicht reichen würde. Aber mit seinen 3 Galeonen und Harrys 20 reichte es fast. Narcissa gab dem Verkäufer eine Galeone dazu, als sie sah, wie glücklich Draco war. „Wie willst Du es nennen?“, fragte Harry seinen Draco. „Rudolphus, wie meinen Onkel, den ich leider nicht näher kenne.“ Narcissa wusste nicht was sie sagen sollte. Rudolphus ging überhaupt nicht. Er saß in Askaban wegen Mordes und Folter. „Was hältst Du von Rudi. Der Name ist kürzer und passt besser zu einem Eichhörnchen.“, warf Lucius ein. Alle stimmten ihm zu.
Draco dachte, das es wirklich toll war, Harry zum Bruder zu haben. Er nahm sich fest vor ihm auf etwas Tolles zu schenken. Außerdem freute er sich Harry endlich alle seine Freunde vorzustellen. Morgen zu seinem Geburtstag waren sie eingeladen. Bisher kannte Harry die Jungs nur aus Erzählungen. Ihnen stand ein ereignisreicher Tag bevor. An diesem Abend huschte Draco vor dem Schlafen noch einmal in Harrys Zimmer. „Danke. Ich habe mir schon immer ein Eichhörnchen gewünscht. Sie sind so niedlich und schusselig. Du bist der beste Bruder der Welt.“ Harry lächelte glücklich darüber, Draco glücklich gemacht zu haben. Es war das erste Mal, dass er Draco etwas zurückgeben konnte. Ein tolles Gefühl etwas für einen Malfoy tun zu können, die so viel für ihn taten. „Du bist ein toller Bruder. Ich freue mich schon darauf mit Dir in Hogwarts zu sein.“