Harry und Draco bewunderten die kleinen und größeren Dinge bei Zonkos, konnten sich jedoch nicht recht entscheiden, ob sie lieber eine Spielebox mit unterschiedlichen magischen Gesellschaftsspielen kaufen oder ihr Geld sparen wollten. Man verließ das Geschäft unverrichteter Dinge und wandte sich in den Honigtopf. Die Kinder suchten sich eine bunte Mischung Süßigkeiten aus, die Lucius selbstverständlich bezahlte. „Können wir Pergament und Schreibsachen besorgen?“, fragte Harry dann. Lucius zog die Brauen hoch: „Was ist denn mit deinen Sachen? Du kannst doch unmöglich deine Pergamente bereits aufgebraucht haben!“ Es leuchtete Lucius so früh zum Schuljahresbeginn nicht ein, dass die Jungs Verbrauchsmaterialien benötigten. „Es ist wegen Hermine. Die Gryffindors haben ihre Arbeitsmaterialien wohl weggenommen, da habe ich ihr welche von mir gegeben. Diese Weasleys sind wirklich Idioten.“
Severus zog wortlos eine Augenbraue hoch. Gryffindors blieben wohl immer gleich. Die Weasleys waren nicht anders als die Rumtreiber, die nicht merkten, wie demütigend ihr so genannter Humor war.
Er fragte sich, ob Lucius diese spezielle Art von Harrys Freundlichkeit gutheißen würde. Scheinbar desinteressiert an dem Gespräch betrachtete er ein unendliches Tintenfass mit roter Tinte. „Hermine, diese junge Hexe, die mit Euch lernt?“, fragte Lucius zunächst beiläufig. Die Jungs nickten zustimmend. „Das arme Ding. Dabei weiß ich von Severus, dass sie sehr fleißig ist. Ist sie nicht unter Muggeln aufgewachsen?“, redete Lucius weiter und suchte einige Lernutensilien zusammen. „Ja. Ihre Eltern sind Zahnärzte“, erwiderte Draco. Er wusste, wie wichtig es war, dass die Eltern seiner Freunde in den richtigen Kreisen verkehrten. Blöd nur, dass er sich mit Muggeln nicht auskannte. Waren Zahnärzte wohl aus den richtigen Kreisen? Lucius ging zur Kasse und bezahlte die fünf Galeonen ohne weiteres.
„Zahnärzte also“, fuhr Lucius fort, obwohl er überhaupt keine Idee hatte, was Zahnärzte denn wohl taten. Er würde es zu Hause nachlesen. Sie spazierten inzwischen die Hauptstraße von Hogsmeade entlang und standen vor dem Schaufenster von Besenknechts Sonntagsstaat. „Es gefällt mir, dass Ihr beide dem armen Mädchen helft. Du weißt, was es bedeutet, unter Muggeln auszuwachsen.“ Harry spürte einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. Dachte sein Vater, dass Hermine dasselbe erleiden musste, wie er selbst bei den Dursleys? Lucius ging nicht weiter darauf ein. Sie kauften sich ein Eis in der Waffel. „Mum und ich sind sehr zufrieden mit eurem Start in Hogwarts“, sagte er. Draco spürte Stolz und Zufriedenheit. Es lohnte sich tatsächlich so hart zu arbeiten. Ihre Eltern erfüllten ihnen de facto jeden Wunsch, wenn sie sich anstrengten. „Ich weiß natürlich von der Sache mit dem Einhorn. Du hast sehr souverän agiert und das Tier beschützt, trotzdem macht sie mir ein wenig Sorgen. Wer immer ein Einhorn angreift, ist sehr gefährlich. Ich möchte, dass ihr mehr Flüche und Schildzauber lernt. Ihr solltet euch vorsichtig verhalten. Harry, ich muss noch mal mit dir allein sprechen. Es geht um deinen Paten Sirius Black. Er kommt heute aus der Haft und will dich sicher bald kennenlernen.“
Zum ersten Mal widersprach Harry energisch: „Er interessiert mich nicht. Mir ist es viel lieber, wenn Severus Dracos und mein Pate wäre.“ Severus verkniff sich ein Grinsen und fing Lucius fragenden Blick auf. „Ihr werdet Euch kennenlernen, Harry. Lily und James Potter haben diesen Mann zu deinem Paten gemacht. Außerdem ist er ein Cousin von Narzissa und gehört daher auch zu unserer Familie.“ Lucius sprach pointiert und deutlich. „Bei Zauberern haben Paten weitreichende Rechte, wenn die leiblichen Eltern tot sind. Sie sollen über das Wohl des Kindes wachen.“ Harry stimmte zähneknirschend zu. Wenn sein Vater es verlangte, würde er diesen Black eben treffen. „Vielleicht verstehst du dich mit diesem Sirius Black“, warf Draco ein. „Ja. Vielleicht…“, sagte Harry lahm.
Sirius fand Narzissa im Salon sitzend und zeichnend vor. Als er eintrat, klappte sie das schmale Skizzenbuch zu und erhob sich. „Benötigst Du etwas?“, fragte sie etwas freundlicher. „Danke. Nein. Ihr habt bereits bestens für mich gesorgt. Wann wird hier gegessen?“ Es blieb unklar, ob Sirius einfach nur fragte, oder ob eine Provokation in seinen Worten lag. Sie entschied sich, den leisen Unterton zu ignorieren.
Merlin, Narzissa war immer noch schön, dachte er. Sie hatte jene anmutige Art sich zu bewegen seit jeher. Das Alter hatte ihr nichts genommen. Sie blickte ihn aus kühlen Augen, in denen sich ihr präziser Verstand spiegelte und sich selten etwas Barmherzigkeit verirrte, an. Er erinnerte sich dunkel an die Einladung zu ihrer Hochzeit mit Malfoy. Er war nicht hingegangen, sein Bruder schon. Regulus war tot. So tot wie Lily und James.
„Wir essen jetzt, wo die Kinder in Hogwarts sind, erst um halb neun.“ Er sah sich ein wenig um und überbrückte das Schweigen dann: „Wo ist Lucius? Ich hatte erwartet, er wäre hier, wenn ich ankomme.“ Sie strich ihr Musselinkleid glatt. „Er ist in Hogwarts und bereitet dein erstes Treffen mit Harry vor. Der Junge ist sensibel. Er hat viel durchgemacht bis er hierher kann.“ Sirius Magen verkrampfte sich, als er an das Bild dachte. Dieses Foto, auf dem sein Patenkind im Müll wühlte, ließ ihn nicht los. „Erzähl mir von ihm“, bat er ohne hämischen Unterton. „Gehen wir hoch. Ich zeige dir sein Zimmer. Lucius meint, du könntest denken, er ginge ihm nicht gut hier.“ Er schämte sich nicht, denn er hatte gute Gründe Malfoy zu misstrauen. Sie stieg die Stufen vor ihm grazil hinauf. Ihm war nie bewusst gewesen, dass seine Cousine so schön war.