Als es eindunkelte kehrte Manuel, wie versprochen, wieder in Maleks Schloss zurück. Er war gut gelaunt und berichtete von seinem Tag. Er und die anderen, hatten sich prima verstanden und Marius und er waren gute Freunde geworden.
„Er lud mich sogar noch zu sich nach Hause ein. Ich habe dort auch Micha kennengelernt. Er ist 16 Jahre alt und ebenfalls sehr nett. Pete kam etwas später nach Hause und wir hatten es sehr lustig. Er spielte auf der Mundharmonika und wir anderen tanzten dazu. Pete erzählte uns dann einige großartige Geschichten und Marius Mutter, servierte uns einen leckeren Kuchen, mit frischer Milch dazu.“
„Das wundert mich nicht,“ lächelte Malek, während er dem Jungen etwas frischen Salat rüberreichte.
„Bei Pete und seiner Familie ist immer etwas los und sie sind sehr gastfreundlich.“
„Das stimmt. Ich kam dann auch mit Micha ins Gespräch und er berichtete mir von seinem grossen Wunsch, dein Lehrling zu werden.“
„Ich weiss, wie sehr er sich das wünscht. Doch bisher war für mich einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt, einen Lehrling anzunehmen.“
„Ich glaube Micha ist darüber ziemlich traurig. Er glaubt wohl, du traust ihm zu wenig zu und er würde dir gerne beweisen, dass er etwas taugt. Darum würde er uns gerne auf unserer Mission begleiten.“
„Du hast ihm von den Feuerblumen erzählt?“ fragte Ben.
„Ja und er würde uns gerne helfen.“
„Das kommt nicht in Frage!“ rief Malek aus. „Diese Mission ist nichts für ihn. Es ist zu gefährlich und ausserdem, beherrscht er die Sphärenwanderung gar nicht. Er könnte nicht mal mit uns kommen.“
„Das stimmt allerdings,“ pflichtete Pia bei. „Dennoch solltest du ihm, zumindest nach unserer Rückkehr, eine Chance geben Malek! Er meint sonst wirklich, du lehnst ihn ab, weil er nichts taugt.“
„Ich sagte ihm schon oft, dass er Talent hat, aber ich sagte ihm auch, dass ich mich nicht imstande sehe, einen Lehrling anzunehmen. Schon weil ich so oft in anderen Welten unterwegs bin. Aber lassen wir das Thema jetzt! Es ist schon spät und wir sollten ausgeruht sein, denn Morgen wird ein anstrengender Tag.“
Frühmorgens assen die vier Freunde ein kleines Frühstück und dann machten sie sich wieder auf den Weg. Sie hätten den Heiligen Berg auch über die Sphärenwanderung erreichen können, doch da Malek ihnen noch so vieles in seinem, neu erblühten Reich zeigen wollte, beschlossen sie, zumindest das erste Stück, zu Fuss zu gehen.
Ihr Weg führte sie zwischen Kornfeldern, Wiesen und anderem Nutzland hindurch. Eine Menge Leute arbeiteten überall und begrüssten Malek und seine Begleiter freundlich.
„Seit ich wieder zum Pfad des Lichtes zurückgekehrt bin, ist alles hier wieder sehr fruchtbar geworden. Die Naturgeister sind wiedergekommen und alle Arten von Pflanzen und Tieren, haben hier eine neue Heimat gefunden. Wir haben jetzt sogar einige Obstplantagen und Weinberge. Seht ihr dort drüben an den Hängen, die vielen Reben. Ist das nicht wunderbar?“
„Ja, das ist es!“ sprachen die Geschwister. „Besonders weil wir wissen, wie es hier früher ausgesehen hat, sind wir sehr beeindruckt.“
„Den Leuten hier geht es jetzt wirklich gut, sie haben alle genug zu essen und können sich frei entfalten.“
„Es scheint wirklich so, als hättest du deine Schuld, dem Volke gegenüber, schon hundertfach ab-bezahlt,“ sprach Pia anerkennend.
„Noch nicht ganz, aber es wird besser.“
Im Laufe des Nachmittags machten die Freunde Rast an einem kühlen Bach, welcher sich durch ein kleines Wäldchen schlängelte.
Das Wasser war kristallklar, und sein Grund bestand auch bunten Steinen. In einer etwas tieferen Mulde, welche durch einen kleinen Wasserfall gebildet worden war, konnte man sogar baden. Einige riesige Forellen schwammen darin herum. Die Freunde fingen eine davon und brieten sie über dem Feuer. Bald war die Umgebung erfüllt, vom Duft des frischen Fisches und sie machten sich hungrig über das selbst gefangene Mahl her.
Nach dem Essen ergriff sie eine angenehme Trägheit und sie legten sich etwas auf ihre Decken, um ein wenig auszuruhen. Alles um sie herum war still, man hörte nur das Zwitschern der Vögel und das sanfte Rauschen des Baches.
Auf einmal jedoch, vernahm Benjamin, welcher die besten Ohren von allen hatte, auch noch ein anderes Geräusch: Das Knacken von Ästen und ein Rascheln im Unterholz!
Der Mann richtete sich auf und lauschte angestrengt. „Da ist irgendetwas!“ flüsterte er den anderen zu und erhob sich leise. Langsam schlich er auf die Quelle der seltsamen Geräusche zu. Da! Eine Bewegung im Unterholz!
„Halt! Wer ist da!“ rief Benjamin und begann zu laufen. Eine nicht sehr grosse Gestalt, brach auf einmal aus dem Dickicht und versuchte zu fliehen. Doch Benjamin war schneller und mit einem beherzten Hechtsprung, konnte er den Unbekannten zu Fall bringen.
Dieser drehte sich jetzt um und hob abwehrend seine Arme. „Bitte, bitte tu mir nichts! Ich wollte nichts Böses!“
Benjamin stellte erstaunt fest, dass es sich bei dem Fremden um einen Jungen von höchstens 16-17 Jahren handelte.
„Was willst du hier!?“ rief er, packte den Jungen am Kragen und brachte ihn zurück zur Feuerstelle. „Er hat sich an uns angeschlichen, vielleicht wollte er uns bestehlen!“ rief er anklagend.
„Nein, nein, das wollte ich bestimmt nicht!“ wehrte der Junge ab. „Ich…“
„Das ist ja Micha!“ riefen Malek und Manuel, wie aus einem Munde.“
„Micha?“ frage Benjamin erstaunt.“
„Ja, es ist Micha,“ sprach der Magier und schaute den Neuankömmling mit einem tadelnden Blick an. „Was soll dieser Unsinn?“ fragte er streng. „Du hast hier nichts verloren.“
„Es tut mir leid… Meister, aber…“
„Nenn mich nicht Meister! Ich bin nicht dein Meister! Klar?“
„Für mich bist du das aber, auch wenn du mir nie eine Chance geben willst,“ erwiderte Micha nun, mit einem trotzigen Unterton in der Stimme.
„Ich habe dir schon mehrfach erklärt, warum ich keinen Lehrling möchte,“ sagte Malek verärgert. „Warum begreifst du das nicht?“
„Weil das alles keine wirklich plausiblen Gründe sind, ich glaube du traust mir einfach nichts zu. Dabei ist Manuel auch nicht viel älter als ich und er darf euch auch auf eurer Mission begleiten. Benjamin zum Beispiel war sogar noch ein Jahr jünger als ich, als du ihn damals begleitet hast und Pia noch viel jünger.“
„Bei den Turner Geschwistern, war das etwas ganz anderes und ich war ausserdem gar nicht ihr Meister. Das war Ululala.
Und was Manuel betrifft, er hat eine besondere Berufung.“
„Und ich etwa nicht? Ich glaube, dass ich sehr wohl eine Berufung habe, aber du willst mich nicht auf dem Weg dazu unterstützen.“
„Das ist nicht wahr. Aber ich habe auch gar keine Zeit für einen Lehrling. Ausserdem ist das was wir vorhaben zu gefährlich. Wir müssen zuerst zur Alten Windfrau, um besondere Gewänder zu holen. Sonst würden wir, dort wo die Feuerblumen wachsen, gar nicht überleben. Du kannst sowieso nicht mit uns ins Feuerreich. Es liegt in einer anderen Ebene und dazu muss man die Sphärenwanderung beherrschen. Wir alle beherrschen sie, du jedoch nicht.“
„Aber vielleicht könnte ich es ja lernen.“
„So schnell geht das nicht. Im Moment hältst du uns deshalb mehr auf, als dass du uns unterstützen kannst.“
„Malek!“ rief Pia erschrocken, „sei doch nicht so hart mit dem armen Jungen!“ „Sie legte beschützend den Arm um Micha.
„Du musst ihn auch verstehen. Er weiss scheinbar, irgendwo tief in seinem Inneren, dass du sein Meister sein solltest. Auf unsere Wahrnehmungen hast du ja damals auch vertraut und da waren wir wirklich noch jünger als Micha. Man kann nie wissen, was für eine Aufgabe auf diesen Jungen wartet. Du sagtest uns selbst, dass er sehr begabt sei. Wenigstens sollten wir ihm ermöglichen, mit uns bis zum Heiligen Berg zu gehen. Danach sehen wir weiter.“
„Aber Pete und seine Frau machen sich bestimmt grosse Sorgen, wenn Micha so lange fortbleibt.“
„Sie wissen was ich vorhabe, ich habe ihnen einen Brief geschrieben,“ erwiderte der rothaarige Junge leichthin.“
Malek blickte ihn erneut finster an. „Das heisst aber nicht, dass sie sich keine Sorgen machen.“
„Ach komm Malek!“ sprach Pia, „sei doch nicht so! Es wird bestimmt alles okay sein, wenn sie wissen, dass Micha bei dir ist.“
Malek gab ein grummelndes Geräusch von sich und wandte sich dann resigniert ab.
„Dann darf ich also mit euch gehen?“ fragte Micha hoffnungsvoll.
„Es sieht so aus,“ meinte die Frau lächelnd. Dann flüsterte sie dem 16- jährigen zu: „Du darfst Malek sein Benehmen nicht allzu übel nehmen. Er macht sich einfach zu viele Sorgen um dich. Ausserdem kämpft er, wegen so manchem, noch immer mit sich selbst. Lass ihm etwas Zeit, es wird bestimmt alles gut werden.“
Micha nickte dankbar und setzte sich dann, zusammen mit Pia, zu den anderen, an das langsam erlöschende Feuer.