Alle wateten hinaus in den See und begannen die wertvollen Blumen vorsichtig zu sammeln. Sie brachten sie alle zu Wassilio und dieser fertigte aus dem Quarz die Schutzhüllen an. Als Manuel die erste Blume pflücken wollte, hielt er jedoch auf einmal inne. Ein Gedanke ging ihm durch den Kopf und instinktiv sprach er zu der Blume: „Es tut mir leid, dass wir euch von hier wegholen. Wir haben gar nicht überlegt, was das für euch bedeuten könnte. Aber… ihr seid die einzige Hoffnung für jene Geschöpfe, welche an dieser schlimmen Seuche erkrankt sind.“
Und tatsächlich antwortete die Blume ihm mit leiser, wispernder Stimme! „Es ist schön, dass du darüber nachdenkst. Du scheinst ein ganz besonderer Junge zu sein.“
„Scheinbar war ich einst ein Magier namens Ululala und habe im Kristallreich gelebt.“
„So etwas habe ich mir schon gedacht,“ erwiderte die Blume, „sonst würdest du mich nicht verstehen. Ich habe schon von Ululala gehört. Er soll nicht nur ein ausgezeichneter Zauberer, sondern auch herausragender Alchemist gewesen sein.“ „Vielleicht hätte er dann sogar gewusst, wie man eure Heilkraft nutzen kann ohne euch eurer Umgebung zu entreissen.“
„Wenn er dieses Wissen gehabt hat, solltest du dieses Wissen eigentlich auch irgendwo in dir tragen.“
„Aber ich erinnere mich nicht, obwohl… ich habe einfach das Gefühl, es gäbe einen anderen Weg ohne dass ihr euch auf diese Weise opfern müsstet.“
„Tatsächlich gäbe es noch eine andere Möglichkeit,“ gab die Blume zurück. „Wirklich? Aber dann… wartet!“ rief er seinen Freunden zu. „Vielleicht müssen wir nicht mal so viele Blumen pflücken!“
Seine Gefährten hielten in ihrer Tätigkeit inne und blickten Manuel fragend an. Der Junge ging zu ihnen und sprach: „Gerade hat eine der Feuerblumen zu mir gesprochen.“
„Feuerblumen könne sprechen?“ wollte Micha erstaunt wissen.
„Also die dort drüben hat es jedenfalls getan. Sie meinte, dass es noch eine andere Möglichkeit gäbe, ihre Kraft zu nutzen ohne dass man so viele von ihnen pflücken müsste. Mich lässt das Gefühl nicht los, dass Ululala oder vielmehr ich, in meinem vorherigen Leben, mehr darüber gewusst habe. Ululala war, laut der Blume, auch ein grosser Alchemist.“
Wassilio blickte den 20-jährigen beeindruckt an. „Also, dass Feuerblumen manchmal zu auserwählten Personen sprechen, davon gibt es schon ein paar Legenden. Aber ehrlich gesagt, habe ich mir niemals Zeit für so etwas genommen. Für mich waren diese Blumen einfach immer, wie selbstverständlich, da. Nun gut, ich wusste sie haben gewisse Heilkräfte, aber bisher habe ich die Blumen nie wirklich um Erlaubnis gefragt, wenn wir sie zu Arzneien verarbeitet haben.“
„Und genau das… könnten wir anders machen. Wenn ich mich nur an mein altes Wissen erinnern würde! Ich frage nochmals die Blume, vielleicht verrät sie mir mehr.“
Der Junge ging nochmals zu dem wundersamen Gewächs hin und fragte: „Was für eine andere Möglichkeit gäbe es denn noch?“ „Wir könnten euch unsere Pollen aus freien Stücken geben,“ erwiderte die Blume, „sie haben die grösste Heilkraft. Aus diesen Pollen liesse sich eine Art Sud herstellen. So etwas wie Honig, aber eine viel wirksamere Arznei. Allerdings gibt es dafür ein besondere Verfahren, das ich leider selbst nicht kenne. Es gab einige grosse Alchemisten, welche dieses Verfahren beherrschten, darunter wohl auch Ululala. Vielleicht gibt es irgendwo Aufzeichnungen dazu. Jedenfalls, wenn wir euch unsere Pollen freiwillig geben, können sie eine viel stärkere Wirkung entfalten, als wenn ihr uns einfach pflückt und dann nach den üblichen Verfahren verarbeitet. Es sind dann auch mehr Pollen. Daraus lässt sich eine riesige Menge des heilsamen Sudes herstellen.“
„Das klingt wirklich gut,“ sprach Manuel. „Ich hoffe einfach, wir finden heraus, wie dieser Sud herzustellen ist.“
„Dieses Wissen schlummert irgendwo in deinem Inneren, denk daran!“
„Das hoffe ich,“ sprach Manuel und spürte die grosse Last, welche sich auf einmal auf seinen Schultern bemerkbar zu machen schien.
„Ansonsten könnt ihr uns auch nach dem herkömmlichen Verfahren verarbeiten,“ meinte die Blume. „Diese Variante ist dann einfach etwas weniger schonend. Doch wenn es darum geht, der schlimmen Seuche in den Welten Herr zu werden, von welcher du gesprochen hast, wollen wir natürlich so gut als möglich helfen. Wir sind auch tatsächlich in der Lage, uns durch die Hitze eines Feuers zu vermehren, wenn Wassilio uns in diese Nähr- und Schutzschicht einhüllt. Und wir und unsere Kopien können immer wieder den heilsamen Blütenstaub produzieren, den ihr für die Heilung der Kranken braucht. Jedenfalls... so lange wir am Leben bleiben.“
Manuel nickte ernst und erklärte seinen Freunden, was die Blume ihm gesagt hatte.
Malek sprach: „Es könnte gut sein, dass Ululala ein Verfahren gekannt hat, das die Heilkraft der Feuerblumen optimal und schonend genutzt hat. Vermutlich gibt es in seiner Bibliothek tatsächlich Aufzeichnungen dazu. Ululala hat immer gerne all seine Erkenntnisse aufgeschrieben. Dann pflücken wir jetzt nicht noch mehr von ihnen. Wie viele haben wir bisher?“ „Dreizehn Stück.“ „Dann lassen wir es erstmal dabei! Die Blume hat dir also gesagt, dass sie und ihre Artgenossen uns ihre Pollen aus freien Stücken geben könnten und diese dann auch mehr Wirkung hätten?“ fragte er dann an Manuel gewandt. Der Junge nickte.
„Das wäre natürlich grossartig!“