Als sie diesen betraten, trafen zur selben Zeit auch die Leute der Delegation ein. An ihrer Spitze gingen zwei ihnen nur allzu bekannte, junge Männer. „Hungoloz! Tartaloz!“ rief Lumniuz erfreut und begrüsste die beiden blonden Elfen herzlich.
Manuel tat es ihm nach und rief. „Das ist aber eine schöne Überraschung!“
Hungoloz lachte fröhlich: „Nun ja, seit wir diesen boshaften Darkuloz aus dem Waldreich vertrieben und annähernd alle kranken Bäume und Elfen, dank der wertvollen Feuerblumen- Medizin, geheilt haben, ist wieder viel mehr Ruhe in unsere Welt eingekehrt. Da dachte ich, ich besuche euch wieder einmal!“
„Dann geht es euch also gut?“ wollte Lumniuz wissen.
„Ja, schon viel besser und euch?“
„Uns geht es auch gut. Allerdings wird Manuel uns leider schon bald wieder verlassen müssen. Doch wir haben später ja noch Zeit, einander alles zu erzählen.“
Lumniuz wandte sich nun, ganz wie es die Höflichkeit verlangte, den restlichen Leuten der Delegation zu. Erstaunt stellte er fest, dass auch drei Vertreter seines eigenen Volkes anwesend waren. Er kannte diese nur flüchtig. Dennoch beunruhigte es ihn, dass sie hier waren, denn sonst blieben die Erdgnomen solchen Versammlungen meistens fern. Sie waren da etwas eigen. Wenn sie jedoch kamen, dann hatte das meistens nichts Gutes zu bedeuten. Die drei anwesenden Gnome, stammten aus den unterschiedlichsten Bereichen des Erdreiches. Dieses war untereilt in einen Ostsektor, einen Westsektor, einen Süd, einen Nord- und einen Zentralsektor. Lumniuz stammte ursprünglich aus dem Osten, doch Mungoluz der Älteste des Erdvolkes, hatte ihn eingeladen, sich, falls er mal zurückkehrte, im Zentralsektor anzusiedeln. Dort lebten besonders wichtige, angesehene Vertreter des Gnomenvolkes, wie Älteste, Weise und Wissende. Lumniuz galt bei seinen Leuten als Wissender, weil ihn Ululala einst in die Lehre genommen und er auch sonst viele grosse Taten vollbracht hatte. Er selbst hielt von diesem Tohuwabohu um seine Person nicht sehr viel, denn eigentlich hatte es ihm im Ostsektor immer sehr gut gefallen. Die Leute dort waren nett und unkompliziert. Ebenso wie die Südeks, die im Süden lebten. Die Westeks lebten in ihrer eigenen Blase und sahen sich gerne als Leute von Welt. Sie legten viel Wert auf massgeschneiderte, pompöse Kleider und ihre Wohnhöhlen waren vollgestopft mit allerlei Krempel von überallher. Zudem hatten sie sich verschiedenste, aristokratische Verhaltensweisen zu eigen gemacht. Das lag wohl an ihrem Fürsten, der von allen nur noch Schnösiuz genannt wurde und der schon viel in der Welt herumgekommen war. Sein Traum war es schon lange in den Zentralsektor zu ziehen, doch irgendwie war ihm dieser Wunsch bisher noch nicht erfüllt worden. Schnösiuz selbst, war zwar nicht unter den Leuten der Delegation (bestimmt war er zu beschäftigt), dafür glaubte Lumniuz dessen Sohn zu erkennen, welcher den Namen Morcheluz trug. Trotz des recht bodenständigen Namens, konnte man diesen sogleich als Westek erkennen, denn er trug ziemlich reiche Gewänder. Er stolzierte nun ziemlich steif, auf Lumniuz zu und reichte ihm die Hand. Dabei deutete er eine leichte Verbeugung an. Bei ihm waren noch zwei andere Erdgnomen, jedoch schienen diese entweder aus dem Osten oder Süden zu stammen, denn sie trugen eher einfache, leichte Kleider, vornehmlich in unterschiedlichen Erdtönen. Jemanden aus dem Nordviertel konnte der Schlossherr nicht ausmachen. Ob das wohl etwas zu bedeuten hatte?
Morcheluz sprach nun sehr formell: „Wir entbieten dir unsere ehrwürdigsten Grüsse, Grosser Wissender Lumniuz und hoffen, dass du uns bei einigen Problemen, die unser Reich gerade heimsuchen, mit Rat und Tat zur Seite stehen kannst.“
„Wir werden sehen was sich machen lässt,“ erwiderte der Angesprochene, ebenso förmlich, doch Manuel merkte, dass er sich dabei ein Grinsen verkneifen musste. „Aber lasst mich bitte zuerst noch alle anderen begrüssen. Wir werden uns dann einem Problem nach dem anderen annehmen.“
Morcheluz schlug seine Beine wie ein Soldat zusammen und erwiderte: „Wie ihr wünscht, Grosser Wissender!“
„Und nennt mich bitte nicht so!“ sprach Lumniuz. „Lumniuz reicht vollkommen!“ Der Schlossherr wandte sich nun der restlichen Delegation zu. Neben den Waldelfen und Erdgnomen gab es noch drei wunderschöne, hochgewachsene Damen mit luftigen Gewändern, in unterschiedlichen Pastellfarben. Ihre Haut war eher blass, doch ihre hellblauen Augen, strahlten hell wie Sterne. Zwei von ihnen waren bereits ausgewachsen. Das Haar der einen leuchtete goldblond, das der anderen blausilbern.
Bei ihnen war noch ein Mädchen von ca. 15 Jahren mit ebenfalls goldblondem Haar und blauen Augen. Lumniuz war einen Moment lang etwas unsicher, ob es sich bei diesen edlen, schlanken Gestalten nun um getarnte Luft- oder Wassergeister handelte. Den eher blassen Tönen ihrer Kleidung nach zu urteilen jedoch, tippte er eher auf Luftgeister. Das überraschte ihn schon sehr, denn die Töchter der Luft, nahmen ebenfalls sehr selten an solchen Versammlungen teil. Vielleicht wollte das Mädchen sogar zu ihnen in die Lehre?
„Ach du meine Güte!“ dachte der Gnom bei sich. „Wenn wirklich eine Sylphe zu uns in die Lehre möchte, dann… kann man sie kaum ablehnen.“
Er hüstelte etwas verlegen und reichte den dreien nun ebenfalls die Hand. Dabei spürte er auf einmal eine leichte Briese auf der Haut. „Seid ihr… Luftgeister?“ fragte er.
„Ja, das sind wir,“ erwiderte die Frau mit den blausilbernen Haaren, deren Gesichtszüge etwas herber als die der anderen beiden waren, mit wohlklingender, leicht säuselnder Stimme. „Wir sind hier, um unsere jüngste Tochter, eine Weile in eure Obhut zu geben.“
„Sie möchte also tatsächlich zu uns in die Lehre?“ echote Lumniuz „aber… das hat es seit ewigen Zeiten nicht mehr gegeben. Ehrlich gesagt wissen wir gar nicht, was wir… nun ja, solch hochentwickelten Wesen wie euch, noch beibringen könnten.“
„Es wäre ja auch keine Lehre im herkömmlichen Sinn, eher ein Austausch von Wissen,“ sprach die etwas zierlichere Frau. „Wir dachten, dass es wertvoll für Aliya sein könnte, mal einen Einblick in ein anderes Leben zu erhalten und wir glauben, dass ihr die richtigen Mentoren für sie wärt.“
„Wir fühlen uns natürlich sehr geehrt,“ kam Manuel, dem noch immer ziemlich perplexen Lumniuz, zu Hilfe. „Aber ihr versteht sicher, wenn wir noch etwas darüber nachdenken müssen. Nehmt doch erst einmal Platz, es wird schon bald ein leckeres Mahl serviert. Dann können wir alles in Ruhe besprechen.“ Mit diesen Worten machte er eine einladende Handbewegung in Richtung der mächtigen Speisetafel.
Die erwachsenen Luftgeister nickten und folgten der Aufforderung. Das
15- jährige Mädchen blieb jedoch noch einen Moment vor Manuel stehen und musterte ihn eingehend mit seinen grossen, himmelblauen Augen. „Stimmt es, dass du einst Ululala warst?“ fragte es.
„Aliya!“ erklang jedoch gleich darauf die tadelnde Stimme der silberhaarigen Sylphe. „Sei nicht so neugierig!“
Manuel jedoch, lächelte: „Ja, in meinem letzten Leben, war ich tatsächlich Ululala.“
„Als wir gehört haben, dass Ululala wieder zurückgekehrt ist, da wollten meine Mütter mich unbedingt zu euch schicken.“
„Tatsächlich?“ fragte Manuel nun seinerseits etwas perplex.
„Aliya!“ erklang nun ebenfalls die ärgerliche Stimme der blonden Sylphe. „Es reicht! Komm hier herüber!“
„Ich wusste gar nicht, dass Sylphen so streng mit ihren Kindern sind,“ meinte Manuel schief grinsend. „Tja, da kann manchmal täuschen! Ich gehe jetzt wohl lieber. Bis nachher.“ Mit diesen Worten lief das Mädchen mit federnden, beinahe schwebenden Schritten, zum Tisch herüber und setzte sich gehorsam neben ihre Mütter.