Man trifft sich wieder/ Maleks Traum
Trions Männer brachten Silberstern in den frühen Morgenstunden zu Sara zurück. Diese war unglaublich froh, ihr treues Reittier wieder zu haben. Nun konnten der Troll und sie endlich ihre Reise zu Triandra der Priesterin antreten. Zum Glück hatte sich das Schlachtgetümmel wieder gelegt und über der kleinen Stadt, mit den halbmondförmigen Häusern, lag nun eine bleierne Stille, die nur ab und zu vom Stöhnen der Verletzten unterbrochen wurde. Während Sara und Trion die Stadt des Halbmondes verliessen, beobachteten sie, wie sich einige von Trions Anhängern, um diese Verletzten kümmerten und die Toten abtransportierten. Dabei machten sie keinen Unterschied zwischen den gegnerischen Trollen oder den Trollen ihrer Seite.
Das berührte Sara sehr. „Was ihr da tut, ist sehr edelmütig,“ sprach sie deshalb. „Nicht alle würden sich auch um die Verletzten der Gegenseite kümmern.“
„Wir sehen das als unsere heilige Pflicht. Es würde unserem Ehrgefühl widersprechen, wenn wir nicht allen Hilfsbedürftigen so gut als möglich beistehen würden.“
„Das ist nicht selbstverständlich. Vielleicht gelingt es euch dadurch sogar, einige Trolle der gegnerischen Fraktionen für euch zu gewinnen.“
„Natürlich hoffen wir das sehr. Doch, wir geben uns da nicht allzu grossen Illusionen hin. Triobald und seine Anhänger sind sehr stur und verbissen.“ „Meine Tante hat mir erzählt, wie unterschiedlich die verschiedenen Troll-Sippen oft sind. Von euch hat sie immer sehr geschwärmt.“
„Ja, auch wir mochten Magdalena wirklich,“ erwiderte Trion. „Es ist eine wundervolle Fügung, dass ihre Nichte ebenfalls auf so wundersame Weise einen Weg hierher gefunden hat.“
Die junge Frau nickte zustimmend und lächelte dabei leise in sich hinein. Wie sehr hatte sie sich doch immer gewünscht, eines Tages das Trollenreich mit eigenen Augen zu sehen und nun… war es tatsächlich passiert! Sie konnte es noch immer nicht recht fassen. Ob sich Benjamin wohl freuen würde, wenn er sie hier antraf? Sie hoffte es sehr. Auch hoffte sie sehr, dass sie den blonden Mann und seine Begleiter, auch tatsächlich bei der Priesterin Triandra vorfinden würden.
„Eigentlich wäre es ja naheliegend, dass sie bei ihr untergekommen sind,“ dachte sie bei sich. „Schliesslich ist Triandra, neben Trion, die Person, welche sie am besten kennen.“ Mit dieser Hoffnung in ihrem Herzen, ritt sie weiter.
Nachdem sie ein paar Stunden durch Wälder, Felder und an glitzernden Bächen, die mit den gelben Trollblumen gesäumt wurden, entlang geritten waren, tauchte in der Ferne auf einem sanften, grünen Hügel, ein malerisches, sehr abgelegenes Cottage Haus auf.
„Wir sind da!“ rief Trion. „In jenem Haus hat Triandra Unterschlupf vor Triobald und seinen Schergen gefunden.“ Sie ritten näher an das Gebäude heran, dann zügelten sie ihre Pferde und sprangen von deren Rücken. Sogleich begannen Silberstern und der etwas gedrungenere, kleinere Braune von Trion, friedlich nebeneinander zu grasen.
Der Troll und Sara gingen zu der, für Sara eher niedrig anmutenden Holztür und Trion betätigte den antiken Türklopfer.
Gleich darauf näherten sich Schritte und dann öffnete eine hübsche Frau mit langem, schwarzem Haar und einer etwas kleineren, roten Knollennase die Tür. Als sie Sara erblickte, weiteten sich ihre Augen vor Erstaunen. „Beim grossen Licht, Tri- Chan!“ stiess sie hervor.
Ehe Sara jedoch ihre erste Verlegenheit überwunden hatte, ergriff Trion bereits das Wort: „Nein, dieses Mädchen ist nicht Tri- Chan, auch wenn sie der Friedensstifterin aufs Haar gleicht. Sie heisst vielmehr Sara und stell dir vor, sie ist die Nichte der Amme Magdalena, welche einst vor einigen Jahren hier in dieser Welt gestrandet ist.“
„Das ist die Nichte von Magdalena?!“ Sara nickte und reichte Triandra etwas verlegen ihre Hand. Die Priesterin drückte sie warm und meinte: „Dein Ähnlichkeit mit Tri- Chan, unserer prominentesten Vorfahrin, ist tatsächlich frappant. Herzliche willkommen, in meinem bescheidenen Heim!“ Mit diesen Worten bat sie Trion und Sara herein.
Das Innere des kleinen Hauses, war sehr gemütlich eingerichtet und über dem Herdfeuer im Kamin, hing gerade eine lecker duftende Suppe. Die Priesterin füllte jedem etwas davon in eine bauchige Schale. Dazu gab es selbstgebackenes Brot und Quellwasser. Es war wirklich sehr lecker.
Schliesslich begann Triandra wieder zu sprechen: „Es ist einfach unglaublich, wie ähnlich du Tri- Chan siehst, Sara. Ich glaube dich hat der Himmel geschickt!“
„Ja, das dachte ich auch!“ pflichtete ihr Trion bei, „darum brachte ich sie hierher. Ausserdem sollen die Grossen Führer auch in dieser Welt sein.“ „Ja, das stimmt!“ rief die Priesterin aus. „Woher wisst ihr das?“
Darauf erzählten ihr Trion und Sara die ganze Geschichte. Nachdem sie geendet hatten, meinte Triandra: „Tatsächlich waren Pia und Benjamin vor kurzem noch bei mir. Ich habe ihnen Quartier für eine Nacht gegeben. Bei ihnen war so ein… Zauberer…“
„Du meinst Lord Malek?“ fragte Sara.
„Ja genau. Sein Name war Malek.“
„Malek ist der beste Freund der Turner Geschwister und hat ihnen schon sehr viel geholfen.“
„Das kann ich mir vorstellen. Ihm wohnt eine gewaltige Macht inne, eine Macht, derer er sich vielleicht gar nicht immer bewusst ist.“
„Ich weiss nicht sonderlich viel über die Kräfte unseres Lords, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie beträchtlich sind. Du sagtest also, sie waren vor kurzem bei dir?“
„Ja, doch sie machten sich schon früh heute Morgen wieder auf den Weg. Sie wollten den mächtigen Greif aufsuchen, welcher in einer Tropfsteinhöhle, etwa einen Tagesmarsch von hier, sein Quartier hat.“
„Ein Greif? Du meinst eines von den Wesen, welches halb Adler, halb Löwe ist?“ fragte Trion.
„Ja genau! Sie wollten dieses Wesen um Hilfe ersuchen, auch… wegen des Konfliktes zwischen uns und den Anhängern von Triobald.
„Sind Greife den nicht gefährlich?“ fragte Sara besorgt.
„Sie können gefährlich sein, aber solange jemand reinen Herzens ist und ein reines Gewissen hat, tut er ihm nichts. Sagt man zumindest.“
„Aber wenn das nicht stimmt? Wenn dieses Riesen- Vieh sie jetzt tötet, oder sogar auffrisst?“
„Das glaube ich nicht. Die drei haben ja bereits etwas Erfahrung mit dieser Art von Mischwesen. Scheinbar haben sie sich im Zwergen- Reich mit dem Erden- Greif angefreundet.“
„Eigentlich seltsam, warum jetzt überall in den Welten auf einmal die Greife auftauchen,“ sinnierte Trion. Eigentlich lassen sich diese aussergewöhnlichen Geschöpfe sonst nur selten blicken.“
„Scheinbar hat sich etwas verändert. Dass eines dieser Mischwesen im Trollenreich ist, scheint mir jedoch ein gutes Omen. Darum ist es sicher in Ordnung, wenn Pia, Benjamin und Malek den Greif aufsuchen und um Hilfe bitten.“
„Wenigstens wissen wir jetzt, dass die drei ganz in der Nähe sind,“ freute sich Sara. „Ich habe mir überlegt ihnen baldmöglichst entgegenzureiten.“
„Das halte ich für eine gute Idee,“ pflichtete ihr Triandra bei. „Wer weiss, vielleicht hat ihnen der Greif bereits einige gute Ratschläge gegeben, auch was den Konflikt hier im Trollenreich anbelangt. Deine Ähnlichkeit mit Tri- Chan könnte auf jeden Fall hilfreich sein.“
„Ja, der Gedanke kam mir ebenfalls,“ sprach Trion und etwas sehr Liebevolles lag in seinem Blick, als er die Priesterin anschaute.
„Ob zwischen den zweien etwas läuft?“ fragte sich Sara auf einmal. „Aber dürfen Priester und Priesterinnen im Trollenreich überhaupt eine Liebschaft eingehen? An vielen Orten legen diese sonst einen Keuschheits- Eid ab. Auf jeden Fall ist Trion bis über beide Ohren in Triandra verliebt, das sieht man ganz deutlich…“
Die Stimme des Trolls riss sie wieder aus ihren Gedanken. „Ich glaube, heute können wir nicht mehr weiterreiten. Du musst dich noch immer etwas von deinem Sturz vom Pferd erholen Sara, und es wird auch schon wieder dunkel.“ Dabei blickte er mit ernster Miene aus dem Fenster.
Die goldene Sonne war tatsächlich bereits wieder hinter dem Horizont verschwunden und hinterliess dort nur noch einige sanft schimmernde Lichtstreifen. Der Mond leuchtete bereits in seiner ganzen Pracht vom Himmel.
„Ihr könnt natürlich gerne über Nacht bleiben,“ meinte Triandra und blickte Trion mit einem vielsagenden Blick an, als würde es sie freuen, ihn hier als Gast willkommen zu heissen. Ob sie wohl ebenfalls in ihn verliebt war? Doch eigentlich ging das Sara ja nichts an.
„Es wäre natürlich grossartig, wenn wir hier übernachten könnten,“ sprach sie. „Tatsächlich habe ich immer mal wieder Kopfschmerzen.“
„Ich bin etwas bewandert in der Heilkunst,“ sprach die Priesterin. „Vielleicht kann ich dir ja helfen.“
Sie holte etwas Kräuter- Öl von einem der Regale und begann dann sanft Saras Schläfen und deren Stirn damit zu massieren.
Die jüngere Frau seufzte wohlig auf, denn eine angenehme Wärme breitete sich, kurz darauf, von den Händen der Priesterin aus und die Kopfschmerzen verebbten mehr und mehr.
„Das ist wirklich erstaunlich!“ sprach Magdalenas Nichte. „Auch du scheinst Magie zu beherrschen Triandra.“
„Ein Bisschen vielleicht. Aber es ist natürlich nicht vergleichbar mit den magischen Kräften eines Zauberers wie z.B. Malek.“
„Dennoch hilft es sehr gut.“
„Triandra hat eben viele wundervolle Fähigkeiten,“ sprach Trion und erneut vernahm Sara den schwärmerischen Ausdruck in seiner Stimme.
Nach der Behandlung, welche wirklich sehr gut wirkte, richtete Triandra den beiden ein Lager zum Schlafen ein. Saras Lager war weich und gemütlich und die Frau schlief schon ziemlich bald in einen tiefen Schlaf.