Wiedersehen mit der Königsfamilie des Zuckermeerreiches
Almora- die rote Verderbnis
Tatsächlich schafften es die Geschwister und Malek eine Sphärenwanderung anzutreten und kurz darauf, fanden sie sich in einem halbdunklen Gemach wieder.
Ein spitzer Schrei ertönte, als sie plötzlich aus dem Nichts auftauchten. Nikso, seine Frau Nimora und ihre Tochter Niri, drängten sich erschrocken in eine Ecke des Zimmers und starrten auf die Neuankömmlinge.
„Verzeiht unser unziemliches Eindringen,“ sprach Malek höflich und deutete eine Verneigung an.
„Wie… seid ihr hier hereingekommen?“ stotterte der König.
„Durch Sphärenwanderung,“ erwiderte Pia „aber erkennt ihr uns denn nicht wieder?“
Die wunderschöne Prinzessin Niri, deren Fischschwanz in intensivem violett schillerte, schwamm näher an die Geschwister heran und musterte sie interessiert.
„Aber ja!“ rief sie „jetzt erinnere ich mich! Seid ihr nicht die Grossen Führer, welche Ismala damals geholfen haben, in ihre Heimatwelt zurückzukehren?“
„Das ist richtig.“
„Aber damals wart ihr noch Kinder. Jetzt seid ihr sogar… älter als ich.“
Niri lachte vergnügt. „Wer hätte das jemals gedacht! Wie lange ist das jetzt schon her?“
„Nach der Zeitrechnung auf der Erde 20 Jahre, bei euch vielleicht 10 oder so. Aber ihr altert ja sowieso anders als wir. Du siehst immer noch genauso aus, wie damals.“
„Tatsächlich!“ rief Nikso voller Freude und schwamm mit seiner Gemahlin, welche einen königsblauen Fischschwanz besass, nun ebenfalls näher. „Die Grossen Führer sind zurück! Was für ein Himmelgeschenk! Seid herzlich willkommen!“
„Wir sind in einer sehr ernsten Angelegenheit hier,“ sprach Benjamin etwas distanziert. „Es geht um diesen Krieg unter dem Wasservolk.“
„Ach ja, dieser schreckliche Krieg!“ seufzte Nikso und sein Gesicht wurde traurig. „Ich verstehe nicht, was in die Undinen gefahren ist, dass sie das ganze Omniversum auf solche Weise gefährden.“
„Sie haben allerdings schwere Anschuldigungen gegen dich vorgebracht Nikso. Du sollst viele von ihnen gefoltert und sogar getötet haben! Sie hassen dich und deine Familie deshalb zutiefst.“
„Wie bitte?!“ Der Meereskönig wirkte ehrlich entsetzt. „Wie nur können sie so etwas behaupten! Ich und meine Familie haben noch nie jemandem Leid zugefügt! Weshalb nur sagen die Undinen so etwas? Wir haben sie doch immer mit grösstem Respekt behandelt!“
„Sie haben dich aber in den Kerkern deines Schlosses gesehen.“
„Welche Kerker um alles in der Welt!“ Niksos Stimme klang ungläubig. „Mein Schloss hat niemals irgendwelche Kerker gebraucht. Das ist doch völliger Schwachsinn!“
„Wir haben die Kerker aber selbst gesehen, wir waren sogar in einem von ihnen eingesperrt, bis wir hierherkamen.“
„Es gab dort auch viele schreckliche Foltergeräte,“ füge Pia hinzu.
„Foltergeräte!“ japste der König und wurde kreidebleich. „Nie in meinem ganzen Leben, habe ich irgendjemanden gefoltert oder foltern lassen! Wir nur, könnt ihr so etwas von mir denken?“
„Wir können nur das wiedergeben, was wir selbst gehört und gesehen haben. Zudem kann es doch nicht sein, dass alle Undinen lügen.“
„Aber glaubt ihr denn das ich lüge?“ fragte der König und man spürte seine tiefe Betrübnis.
„Wir wissen ehrlich gesagt nicht genau, was wir von alledem halten sollen,“ gab Benjamin zu. „Wir wollten deshalb mit euch reden und hofften es dadurch herauszufinden. Wir empfanden immer grossen Respekt, für dich und deine Familie und wir würden gerne irgendeine Erklärung für diese schrecklichen Ereignisse finden. Die Undinen sagen, dass sie vor allem zum Widerstand gegen dich und die anderen Meerjungfrauen und Meermännern aufgerufen haben, weil du ihnen angeblich so schreckliche Dinge angetan hast.“
„Aber, das stimmt nicht!“ rief der König verzweifelt.
Die Geschwister und Malek forschten im Gesicht des Königs nach einem Hinweis, dass er log. Doch sie fanden keinen. Es sah wirklich so aus, als ob Nikso die Wahrheit sprechen würde.
Nimora mischte sich nun ebenfalls ins Gespräch: „Mein Gemahl sagt die Wahrheit. Wir würden niemals so etwas tun. Ihr müsst uns das einfach glauben! Wir sind nun schon so lange hier versteckt und haben gar nicht wirklich etwas von alledem mitbekommen. Vor etwa fünf Monden wurden wir von einem unbekannten Meermann, mit rotem Haar und dunkelblauem Fischschwanz aufgesucht, der uns drängte, sofort unser heimatliches Schloss zu verlassen, da die Undinen uns nach dem Leben trachten würden. Zuerst wollten wir es nicht glauben, doch der fremde Meermann drängte uns so sehr, dass wir ihm dann doch gehorcht haben.“
„Und das war schon vor fünf Monaten?“ Benjamin runzelte die Stirn.
„Ja.“
„Aber damals waren diese Unruhen noch gar nicht so weit fortgeschritten. Das ist seltsam.“
„Wie Nimora sagte, wir haben von diesem Krieg, erst einiges später gehört und wir wollten auch mehrmals zurück in unser Schloss. Doch der fremde Meermann sagte uns, dass unser Schloss bereits von den Undinen übernommen worden sei. Da fürchteten wir uns dann doch und blieben hier in diesem kleinen Haus versteckt. Wir wollten mehrmals Niksana aus dem Silbermeerreich kontaktieren, doch der fremde Meermann ermahnte uns, dass dies in Augenblick zu gefährlich sei. Woher er das alles jedoch wusste. Keine Ahnung.“
„Das Ganze wird immer seltsamer…“ murmelte Benjamin. Er winkte Malek und Pia etwas abseits und meinte an den Magier gewandt: „Kannst du mit deinen Fähigkeiten, das Bewusstsein anderer Wesen zu erforschen, vielleicht herausfinden, ob Nikso die Wahrheit sagt?“
„Ich kann es versuchen.“
„Also gut.“
Die drei gingen zu der Königsfamilie zurück und Malek sprach: „Ich werde jetzt mal etwas ausprobieren Nikso. Bleib einfach ganz ruhig.“ Er schaute dem Meereskönig forschend in die Augen und dieser hielt seinem Blick stand. „Was immer nötig ist, damit etwas Klarheit in die ganze Sache kommt,“ sprach er.
Es dauerte eine Weile, bis Malek seinen prüfenden Blick, wieder von Nikso anwandte. Er drehte sich um und sprach: „Es sieht wirklich so aus, als sage er die Wahrheit. Seine Seele ist rein und es gibt nichts, das in irgendeine Weise bestätigen würde, dass er jemals, jemand anderem, etwas Schlimmes angetan hat.“
Der König und seine Familie atmeten, bei diesen Worten, merklich auf und auch Pia und Benjamin waren sehr froh, dass sich ihre Gefühle scheinbar nicht getäuscht hatten.
„Dann muss es eine andere Erklärung für all das geben,“ sprach Pia.
„Ich werde dieser Sache auf jeden Fall auf den Grund gehen!“ meinte Nikso entschlossen, „egal was für Gefahren mir dabei drohen, aber ich muss zurück in mein Schloss und endlich den Namen meiner Familie reinwaschen! Das war schon längst überfällig.“
„Aber nein!“ rief Pia „das ist im Augenblick wirklich viel zu gefährlich! Die Undinen glauben fest, dass du ihnen schlimmes Leid zugefügt hast. Was auch immer hier für ein fauler Zauber am Werk gewesen ist…, sie würden dich und deine Familie sofort töten, wenn sie euch erwischen würden.“
„Aber ich muss das einfach tun! Ich muss das richtigstellen. Was es auch kostet…!“
Nikso konnte nicht weitersprechen, denn auf einmal wurde die Tür aufgerissen und vor ihnen standen Alwiana, Almora und noch einige andere, schwer bewaffnete Undinen!!
Nimora und Niri schrien entsetzt auf.
Alwiana musterte die Königsfamilie mit eisigem Blick. „Nun also haben wir euch endlich gefunden! Diesmal werdet ihr eurer gerechten Strafe zugeführt!“ Alwiana zückte ihre Dolche und stürzte sich auf Nikso. In ihren Augen lag blanker Hass. Doch, ehe sie den Meereskönig erreichen konnte, prallte sie von einer unsichtbaren Wand ab und wurde nach hinten geschleudert.
Malek hatte einen Schutzschild um die Königsfamilie errichtet. „Ich werde das auf keinen Fall zulassen!“ rief er entschlossen „Nikso und seine Familie sind unschuldig!“
„Das glaubst du wohl selbst nicht!“ zischte Alwiana. „Du hast die Kerker unten in ihrem Schloss doch selbst gesehen!“
„Das beweist noch gar nichts!“ erwiderte Pia.
„Diese Kerker wurden auf keinen Fall von mir erbaut!“ schrie Nikso. „Wir haben niemals Kerker gebraucht!“
„Ach tatsächlich?“ Dann sind alle, die einst deine Gefangenen waren, also Lügner?“ Alwiana war nun so ausser sich vor Zorn, dass sie wie wild auf den Schutzschild, den Malek errichtet hatte, eindrosch. Doch dieser hielt.
„Das behaupte ich nicht,“ rechtfertigte sich der Meereskönig. „Aber was genau ihr dort unten, glaubt gesehen zu haben, ist noch nicht wirklich klar.“
„Oh doch, für uns ist das glasklar! Du warst da, du hast dich an unserem Leid geweidet!“
„So ein Schwachsinn! Ich war schon mindestens fünf Monde nicht mehr in meinem Schloss. Ebenso meine Familie. Wir waren die ganze Zeit hier.“
„Das kann jeder behaupten!“ Alwiana drosch weiter auf den Schutzschild ein.
Schliesslich trat Almora vor und wandte sich mit einem boshaften Lächeln an Malek: „Wills du dich wirklich auf ein weiteres, magisches Duell mit mir einlassen?“ Der Magier schaute ihr mit kühler Gelassenheit in die Augen, auch wenn sein Herz heftig klopfte und sprach: „Ich werde jedenfalls bestimmt nicht zulassen, dass ihr die Königsfamilie einfach so abschlachtet. Noch viele Fragen stehen offen, die zuerst geklärt werden müssen.“ Er wandte sich an Alwiana: „Ihr Undinen habt doch so ein ausgeprägtes Ehrgefühl. Nun beweist es, indem ihr ebenfalls um eine Klärung dieser Vorfälle bemüht seid und nicht einfach wild drauflos stürmt, ohne andere Sichtweisen ebenfalls in Betracht zu ziehen!“
Almora lachte laut auf: „Es gibt mehr als genug Beweise, für die Schuld dieses Mannes!“
„Aber vielleicht war das Ganze auch nur die Inszenierung einer grossen, magischen Macht…“
Die Augen der Rothaarigen verengen sich zu Schlitzen. Sie schien die Andeutung zu verstehen.
„Das alles ist doch Blödsinn!“ sprach sie gehässig. „Überlass uns die Königsfamilie, sonst…“
„Sonst machst du mich fertig?“ vollendet Malek ihren Satz spöttisch. „Das haben mir schon viele angedroht. Einstmals sogar der Herr der Finsternis. Aber wie du siehst, bin ich immer noch hier und werde, wenn nötig, mein Leben für die Gerechtigkeit opfern.“
„Diesen Wunsch kann ich dir gerne erfüllen!“ zischte Almora. Sie hob ihre Arme und ihre Augen funkelten auf einmal in einem irren Glanz.
Malek machte sich für eine schwere Attacke bereit und konzentrierte sich auf das weitere Vorgehen der rothaarigen Undine und… in diesem Augenblick erkannte er ihr wahres Wesen…!