Folgt einfach weiter diesem Pfad, bis ihr zu einem kleineren Berg kommt, der Pfad knickt dann nach links ab und führt in Kurven den Hang hinauf. Wenn ihr auf dem Berg oben seid, solltet ihr von weitem einen Vulkan und auch das Schloss des Feuerkönigs erblicken. Dieses steht auf halber Höhe des Vulkans oder Feuerberges, ein Lavastrom fliesst daran vorbei. Es ist nicht zu übersehen.“
„Das kann ich mir gut vorstellen,“ sprach Benjamin „vielen Dank für die Auskunft lieber Deva! Wie ist Wassilio eigentlich so?“
„Er ist wie die Feuerwesen eben sind, sehr temperamentvoll und manchmal etwas launisch. Ich hoffe jedenfalls, Wassilio hat gerade einen guten Tag… Aber ihr habt den Feuerwesen ja schon mal geholfen, bestimmt wird er euch gut gesinnt sein. Er ist ja eigentlich ein guter Kerl.“
„Das hoffen wir,“ meinte Benjamin ein wenig skeptisch.
„Es wird bestimmt alles gut werden,“ beschwichtigte Pia ihren Bruder. „Wassilio hat ganz sicher schon von uns gehört. Herzlichen Dank, lieber Deva!“
„Nichts zu danken. Es freut mich, wenn ich helfen kann. Viel Glück und lebt wohl!“ Der Steingeist trat nun in den Fels zurück und war gleich darauf verschwunden.
Micha und Manuel schauten dem Schauspiel erstaunt zu und Micha rief: „Unglaublich! Ich hätte nicht gedacht, dass sogar Steine Geister und Seelen haben.“
„Das war für uns anfangs auch schwer zu glauben,“ erwiderte Pia lachend.
„In allem ist der Lebensfunke des Göttlichen,“ erklärte Malek seinem Lehrling Micha, beim Weitergehen. „Auch scheinbar leblose Dinge, sind mit Leben erfüllt. Die Stein Devas sind eine ganz eigene, besonders Spezies, welche meist ewig lange in ein und demselben Gefäss lebt. Darum vergeht bei ihnen die Zeit auch anders. Sie können uralt werden. Irgendwann, wenn sie den Zeitpunkt für gekommen halten, werden sie von einem jüngeren Geist abgelöst und verlassen ihr materielles Gefäss für immer. Sie sterben sozusagen. Dafür haben sie ein unglaublich grosses Wissen über alles, was in den Welten passiert, denn sie sind die Bausteine der Welten selbst.“
„Aber wohin genau gehen solche Seelen nach ihre Tod?“ wollte Manuel wissen.
„Ich vermute sie werden dann in einer anderen, vielleicht etwas komplexeren Lebensform wiedergeboren, aber ganz genau weiss ich es natürlich auch nicht. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es für so einen Geist nicht auch weitergeht und er nicht ebenfalls eine evolutionäre Entwicklung durchlebt.“
„Das kann ich mir auch nicht vorstellen. Ich glaube, es geht immer irgendwie weiter.“ Malek nickte zustimmend, während die Freunde ihren Weg durch die unwirtlichen Einöden der Feuerwelt fortsetzten.
Ihr Pfad führt sie nun an einigen heissen Quellen und Geysiren vorbei. Überall tummelten sich hier die kleinen Feuergeister, welche Salamander genannt wurden. Sie besassen orangerote Körper und leuchtende Flammenkränze lagen um ihren Kopf. Pia und Benjamin erinnerten sich gut an ihrer ersten Besuch hier.
Als sie sich umdrehten, sahen sie plötzlich winzige Wesen, die im Strahl eines Geysirs tanzten. Sie sahen aus wie winzige Flämmchen. Um ihre Köpfe trugen sie einen Kranz aus Flammen. Ihre Gesichter, waren gelborange, ebenso ihre Körper. Sie schienen sichtliches Vergnügen daran zu haben, sich von den siedend heissen Wasserfontänen tragen zu lassen. Nun erblickten Benjamin und Pia auch in den Seen solche Wesen. Sie tanzten einen wilden Reigen und liessen das Wasser brodeln. Die Kinder schauten ihnen mit grossen Augen zu.
„Das sind wirklich muntere Wesen,“ meinte Micha begeistert „und es gibt hier so viele von ihnen. Bei uns zu Hause im Feuer tanzen manchmal ein paar, aber niemals in so grossen Mengen.“ „Ja, es ist unglaublich!“ rief Manuel und seine Augen leuchteten.
„Die Welt hier ist voll mit diesen Salamandern und anderen Feuergeistern,“ meldete sich Pia zu Wort. „Ihr könnt euch gleich an ihren Anblick gewöhnen.“
„Ich finde sie sehr hübsch! Habt ihr schon mal mit einem von ihnen gesprochen?“ „Ja, manchmal wenn wir ein Lagerfeuer oder den Kamin entzündet haben und auch vor 20 Jahren, als wir das erste Mal hier waren. Damals zeigte uns einer der Salamander den Weg zum sogenannten Sonnenberg. Dort trafen wir damals die Sonnenfee, welche uns einen Schild und ein Schwert aushändigte, mit dem wir gegen die böse Hexe Xantie kämpfen konnten. Das war dort drüben!“
Die Frau deutete in die angegebene Richtung, wo sich ein mittelgrosser, kegelförmiger Berg befand. „Nun sollten wir aber erst mal nach dem Vulkan Ausschau halten. Dort vorne zweigt der Pfad ab! Mal sehen was uns dahinter erwartet.“
Sie bogen ab und machten sich an den Aufstieg. Jetzt da sie die Gewänder der Klarheit trugen, machte ihnen wenigstens das Klima nicht so zu schaffen und sie erklommen ziemlich schnell den Gipfel. Und dann sahen sie ihn: Den Feuerberg! Es handelte sich bei jenem ebenfalls um eine kegelförmige Felsformation, welche jedoch aus schwarzbraunem, rauen Gestein bestand. Dichter Qualm quoll aus seiner Spitze und ein furchterregendes Grollen, drang aus der Tiefe zu ihnen empor.
„Scheint ein ziemlich aktiver Vulkan zu sein,“ meinte Benjamin mit ernster Miene. „Zum Glück sind wir gut geschützt.“
„Schaut nur die vielen kleinere und grösseren Lavaströme, welche die Hänge herabfliessen, sie leuchten so magisch!“ staunte Micha.
„Ja und dort hinten, ist tatsächlich das Schloss des Feuerkönigs!“ rief Manuel. „Wie der Deva sagte, fliesst der breiteste Lavastrom an ihm vorbei. Ein ziemlich heisser Standort, doch wie sollte es beim Herrn des Feuers auch anders sein!“
„Ich hoffe nur, Wassilio hat gerade gute Laune,“ meinte Benjamin ironisch. „Ja und die Gewänder der Klarheit halten den Bedingungen hier auch wahrlich stand,“ ergänzte Micha.
„Dem Feuer und der Lava hier, werden sie bestimmt standhalten,“ meinte Malek zuversichtlich. „Du musst wissen Micha, dieses Feuer hat einen natürlichen Ursprung. Ich meine damit, es ist Teil der lebenserhaltenden Schöpfung. Das Feuer in der Unterwelt hingegen, ist ganz anders. Es ist eine Ausgeburt des destruktiven Prinzips und greift neben dem Körper auch die Seele an. Auch das natürliche Feuer ist manchmal gewaltig, gefährlich oder unberechenbar. Aber es ist schlussendlich aus Liebe entstanden. Kurz gesagt: Es wird uns deshalb weniger schaden als die Feuer der Unterwelt. Wenn die Gewänder den höllischen Feuern trotzen konnten, dann können sie es dem natürlichen Feuer sowieso.“
„Das werden wir schon bald sehen,“ meldete sich Ben zu Wort. „Da führt ein Schotterstein Pfad hinüber zum Schloss. Ein wahrlich erstaunliches Bauwerk!“
Tatsächlich war der Palast des Feuerkönigs sehr eindrucksvoll. Wie ein roter Rubin leuchtete er. Seine Wände wirkten leicht transparent. Das gleissende Sonnenlicht fiel darauf und die Mauern schienen in der Hitze richtiggehend zu pulsieren. Es gab einige grosse Balkone und ein mächtiges Kuppeldach. Der rotglühende Lavastrom floss daran vorbei und wälzte sich wie ein mächtiger, feuriger Lindwurm hinab ins Tal. Die Gefährten blieben einen Augenblick lang, wie erschlagen, stehen.