Als Pia am nächsten Morgen von den ersten Strahlen der Sonne geweckt wurde, gähnte und streckte sie sich wohlig und drehte sich dann herüber zu Hungoloz, der noch schlafend neben ihr lag. Er und sie hatten, nachdem sie sich ziemlich früh von den anderen verabschiedet hatten, einige sehr schöne Stunden miteinander verbracht. Lächelnd dachte die Frau daran zurück und konnte noch immer nicht recht glauben, dass sie nun tatsächlich mit diesem wundervollen Mann zusammen war. Konnte es etwas Schöneres geben? Sie stützte sich leicht auf ihren Ellbogen und blickte voller Zuneigung auf den blonden Elfen herab. Sein kräftiger Oberkörper war zur Hälfte abgedeckt und sein Brustkorb hob und senkte sich sanft. Die Morgensonne liess die goldenen Härchen auf seinen Armen golden glänzen. Sein ebenfalls goldenes Haupthaar war verwuschelt und umrahmte sein entspanntes Gesicht. Er wirkte in diesem Zustand, so rein und so schön. Pia versank ganz in seinem Anblick. In diesem Moment dachte sie nicht mehr an ihre Mission, nicht mehr an den Abschied, der ihnen schon bald wieder bevorstehen würde. Es gab nur noch diese kleine, von sanften Morgenlicht durchtränkte Welt, die allein ihnen beiden gehörte. Wie unendlich tief sie doch für ihn empfand! Er war die Erfüllung ihrer Träume! Nie mehr würde sie für einen Mann so viel empfinden wie für ihn. Sie beugte sich über ihn und küsste ihn liebevoll. Er fühlte ihre Weichheit und Zärtlichkeit und öffnete seine Augen. Das strahlende Gold selbiger, umhüllte sie wie ein warmer Mantel. Er umschlang sie mit seinen Armen und sprach: „Ich liebe dich!“
„Ich dich auch! Es war wunderschön mit dir!“
„Ja, das war es wirklich.“ Er drehte sich nun ganz herum, so dass er über ihr lag und küsste sie immer weiter zärtlich. Auch Pias Oberkörper war nackt und er begann sie nun sanft zu streicheln. Erneut ergriff die beiden die Leidenschaft und sie liebten sich, einmal mehr, im Lichte der aufgehenden Sonne.
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Auch Benjamin erwachte mit einem glücklichen, wenn auch wehmütigen Gefühl in seinem Inneren. Seine Gedanken waren bei seiner geliebten Sara. Er und sie hatten einander versprochen, sich in der Nacht auf der Sternenbrücke zu treffen. So war Benjamin auch mit dem Gedanken eingeschlafen, dieses Versprechen auf jeden Fall einzulösen. Seine Hand hatte er deswegen um die eine Hälfte des Sternenmedaillons gelegt, als er einschlief. In einem dunklen Raum, der mit tausenden von leuchtenden Sternen gespickt war, fand er sich wieder. Zuerst konnte er nichts weiter erkennen als diesen Raum, der in wie eine Sphäre umgab.
Vorsichtig ging er einige Schritte vorwärts. Da er keine wirklichen Anhaltspunkte hatte, nach denen er sich orientieren konnte, beschloss er einfach den hellsten Stern, der vor ihm leuchtete, als Richtungsweiser zu benutzen. Dabei hielt er seine Gedanken stets auf seine geliebte Sara gerichtet und rief im Geiste nach ihr. Es war ein seltsamer Zustand. Er träumte und doch kam ihm alles so real vor. Er konnte auch freie Entscheidungen treffen, auch wenn das sonst in Träumen eigentlich nicht möglich war. Je weiter er ging, umso mehr begann sich unter seinen Füssen eine immer deutlicher werdende Struktur zu bilden, bis er schliesslich erkannte, dass er tatsächlich auf einer Art Brücke ging. Der Raum um ihn herum weitete sich immer mehr und er schaute sich tief beeindruckt um. Der Stern, nach dem er sich orientierte, rückte immer näher, wurde grösser und grösser und leuchtete auch heller. Aus diesem hellen Licht, trat nun auf einmal eine Gestalt. „Sara!“ rief der Mann und verschnellerte seinen Schritt.
„Benjamin!“ rief auch die junge Frau und lief auf ihn zu. Die beiden streckten ihre Arme nacheinander aus und umarmte sich glücklich. „Es hat geklappt!“ rief Sara. „Es hat wirklich geklappt! Es ist wundervoll!“
„Du leuchtest so!“ sprach Benjamin beeindruckt. „Als ob du selbst aus Sternelicht bestehen würdest.“
„Du auch. Ich habe mich nach dem hellsten Stern, den ich entdecken konnte, orientiert und so habe ich dich gefunden!“
„Bei mir war es genau dasselbe,“ erwiderte der Mann.
„Oh Liebster! Ich kann es immer noch nicht recht fassen!“ Sara küsste Ben nun stürmisch und er schwang sie lachend im Kreis.
„Es ist wunderschön hier, nicht wahr?“
„Ja, richtiggehend magisch. Welch ein grosses Geschenk wurde uns da gemacht. Ich liebe dich so sehr!“
„Ich dich auch!“
Die kommenden Stunden verbrachte das verliebte Paar im Reich der Sterne und genossen ihre neu gewonnene Zweisamkeit in vollen Zügen…
Mit einem Seufzer schlug Benjamin die Decke zurück und ging zum Fenster, während seine Gedanken zu den wundervollen Momenten auf der Sternenbrücke zurückkehrten. Liebevoll umfasste er das Sternenmedaillon und schickte einige leise Dankesworte hinauf zum göttlichen Geist, der ihm und Sara, durch Silberstern und die Sternenfeen, eine so einzigartige Gnade hatte zuteilwerden lassen.
Die goldrote Morgensonne stand noch tief am Horizont und übergoss das ganze Land mit ihrem sanften Schein. Weit, weit hinten, erkannte Benjamin die schillernden Berggipfel des Kristallgebirges. Dorthin würde sie ihr Weg schon bald wieder hinführen, denn dort befand sich die Grotte des geheimnisvollen, blauen Kristalls. Sie war die Durchgangspassage ins Erdreich. Ob sie dort wohl den Wassergreifen finden würden? Er hoffte es sehr.
Eine weitere Reise ins Erdreich/ Die Höhlenelfen
Die glücklichen Zeiten, welche die Freunde in Kristallschloss verbrachten, gingen leider viel zu schnell vorbei und schon bald nahte wieder der Abschied. Für Pia und Hungoloz war dieser wieder sehr hart und sie vermochten sich kaum voneinander zu lösen. Malek und Benjamin konnten die beiden gut verstehen, dennoch war es höchste Zeit weiterzuziehen.
Nachdem noch einige bittere Abschiedstränen geflossen waren, riss sich Pia mit aller Macht von ihrem Liebsten los und machte sich, zusammen mit den anderen, auf den Weg Richtung Kristallberge.
Lumniuz war guter Dinge und strahlte übers ganze Gesicht. Er schien sich sichtlich darauf zu freuen, endlich wieder einmal seine Heimatwelt zu besuchen. Er trug einen Wanderstab, mit einem Beutel daran, über der rechten Schulter und schritt tüchtig und mit erhobenem Haupte aus.
Die Geschwister erinnerten sich daran zurück, wie sie das erst Mal mit dem Erdgnomen unterwegs gewesen waren. Er wirkte nur wenig gealtert und je weiter sie sich vom Kristallschloss entfernten, desto munterer wurde er auch wieder.
„Du scheinst dich ja sehr auf die Reise ins Erdreich zu freuen,“ stellte Pia fest, welche sich vom Frohsinn des Gnoms gerne etwas anstecken liess.
„Ja, das stimmt wirklich,“ erwiderte Lumniuz. „Erst jetzt merke ich, wie gefangen ich mich eigentlich mittlerweile im Kristallschloss gefühlt habe. Es kommt mir beinahe so vor, als würde ich eine Zwangsjacke abstreifen. Eigentlich ist es… traurig, denn es gab eine Zeit, da liebte ich es wirklich sehr, dort zu sein.“
„So kann sich das manchmal ändern,“ gab Pia zurück. „Es kommt wohl auch immer auf die Menschen an, die mit einem zusammen auf dem Weg sind. Sie sind es schliesslich, die das eigene Leben erst so richtig reich machen.“
„Das stimmt. Damals als Ululala diese Welt verliess, da war das schon sehr schwer für mich. Allerdings war Hungoloz weiterhin an meiner Seite und wir waren ein wirklich gutes Team. Als er das Kristallschloss dann ebenfalls verliess, da verlor ich immer mehr die Freude an dem Ganzen. Und jetzt merke ich, wie sehr mir meine einstige Heimat doch eigentlich fehlt.“
„Überlegst du dir womöglich, gar nicht mehr ins Kristalschloss zurückzukehren?“
„Ich habe ehrlich gesagt mit dem Gedanken gespielt, im Erdreich zu bleiben. Aber vermutlich werde ich trotzdem nochmals zurückkehren müssen, denn Hungoloz und Tartaloz werden meine und Manuels Aufgaben, nur über einen gewissen Zeitraum hinweg, übernehmen können. Meine und Manuels Nachfolge muss jedoch gewährleistet sein. Das wird gar nicht so einfach werden, denn gerade fällt mir niemand ein, der diese Aufgabe wirklich übernehmen könnte.“
„Nur keine Sorge, bestimmt wird sich alles schlussendlich so fügen, wie es sein muss,“ sprach die Frau zuversichtlich.
Lumniuz nickte nachdenklich. „Ja, das hoffe ich, das hoffe ich sehr.“