Als schliesslich die Nacht hereinbrach und die Abendsonne ihr letztes, blasses Licht über den zerstörten Wald warf, kehrte im Lager Stille ein. Tatsächlich schien keiner von Darkuloz Schergen es für nötig zu halten, den Käfig mit den Gefangenen zu bewachen. Pia schaute sich ein letzte Mal vorsichtig um und holte dann erneut die Eicheln hervor. Sie nahm eine davon und hielt sie einen Augenblick lang ehrfürchtig in der Hand. Dann warf sie sie auf den Boden des Käfigs und sprach: „Ich wünsche mir, dass sich die Türe diese Käfigs öffnet!“ Eine Weile geschah nichts und alle schauten voller Anspannung auf die, noch immer veschlossene Tür, des Käfigs. Doch dann auf einmal… erklang ein leises Knirschen und sie schwang auf. „Bei allen guten Geistern! Es funktioniert!“ flüsterte Hungoloz ungläubig. Die anderen unterdrückten einen Jubelschrei und stiessen dann das Gittertor ganz auf. Makraloz lief zu den anderen Gefangenen und weckte sie aus dem Schlaf. „Wir sind frei! Wir sind frei! Kommt, verschwinden wir hier!“ Die stark geschwächten Gefangenen öffneten ihre Augen, die bereits tief in ihren Höhlen lagen und blickten ungläubig auf das offene Tor. Sogleich sprangen sie auf. Einige die besonders schwach waren, wurden von ihren stärkeren Gefährten gestützt und alle humpelten zum Ausgang. „Ist das… auch kein Traum?“ flüsterten sie. „Aber wie…“
„Nein es ist kein Traum,“ sprach Makraloz, ohne jedoch weiter auf ihrer Fragen einzugehen „der grosse Geist meint es gut mit uns. Schnell raus und gaanz leise!“ Das liessen sich die Gefangenen nicht zweimal sagen und alle kletterten aus dem Käfig. „Wir müssen so schnell wie möglich fort von hier,“ meinte Makraloz, doch Hungoloz erwiderte: „Pia, Benjamin und ich haben hier noch etwas zu erledigen Vater. Bring du währenddessen die Gefangenen in Sicherheit. Vorerst können sie in unserem Dorf bleiben. Sag Malek ausserdem Bescheid, er soll uns die Verstärkung schicken! Ich weiss nicht, welche Kämpfe wir hier noch ausfechten müssen.“
Makraloz blickte seinem Sohn bekümmert in die Augen. „Wollt ihr nicht lieber mit uns kommen. Ich will dich nicht schon wieder verlieren, kaum haben wir uns wiedergetroffen.“
„Ich kann nicht,“ du weisst, ich habe jetzt Grossvaters Erbe angetreten. Es ist meine Pflicht als König des Waldes, Darkuloz endlich das Handwerk zu legen. Es wird bestimmt alles gut ich habe ja schliesslich die grossen Führer an meiner Seite. Nun geht, bevor man euch noch erwischt!“
Makraloz zögerte noch immer und blickte unschlüssig zwischen seinem Sohn und dem traurigen Haufen, der anderen Gefangenen, hin und her.
„Geh mit ihnen! Sie brauchen dich. Wir kommen bald nach. Versprochen!“
Noch immer schien der ältere Elf nicht ganz überzeugt, doch dann meinte er seufzend. „Also gut. Mögen die gütigen Geister bei euch sein!“
„Und bei euch!“ Hungoloz umarmte seinen Vater noch einmal, dann verschwanden Makraloz und die anderen Gefangenen, in der Finsternis zwischen den Baumgerippen.
„Es wird Zeit, dass wir unsere Ausrüstung zurückholen,“ sprach Benjamin. „Ich glaube sie bewahren sie dort drüben in jenem kleineren Zelt auf.“
Leise, sich immer in den Schatten haltend, schlichen sich die drei Freunde nun an besagtes Zelt heran und hoben die Plane auf seiner Rückseite etwas hoch. Vorsichtig spähten sie hinein. Nur eine kleine Öllampe erhellte die kleine Behausung. Sie stand auf einem quadratischen, kleinen Tisch, an dem jedoch nur ein einziger Elf, in schwarzer Rüstung, sass. Er regte sich nicht. Ob er wohl schlief? Doch dafür war seine Haltung viel zu aufrecht. Er sass kerzengerade in seinem Stuhl. Sein Körper bildete eine beinahe unnatürliche, klare Zickzacklinie. Er hatte ihnen den Rücken zugewandt. Tatsächlich lag ihre ganze Habe neben dem Tisch. Ohne auch nur das kleinste Geräusch zu verursachen, glitten die drei Freunden ins Innere des Zeltes und begannen sich an die Wache heranzuschleichen. Noch immer rührte sich diese kein Bisschen. „Wirklich sehr seltsam,“ dachten die Geschwister bei sich.
Hungoloz erhob sich nun langsam und gab ihnen ein Zeichen. Während sie ihre Habe vorsichtig an sich zogen, machte sich der blonde Elf zum Angriff bereit. Doch noch immer rührte sich die Wache nicht. Sie starrte seltsam in die Leere. Als würde sie tatsächlich mit offenen Augen schlafen …ihre Brust hob uns senkte sich jedoch kaum merklich. Sie wirkte wie tot und war es doch nicht.
Die drei Freunde warfen sich einen vielsagenden Blick zu und dann begannen sie sich zurückzuziehen. Sie waren froh, dass sie den dunkel gekleideten Elfen nicht bekämpfen mussten, auch wenn ihnen all das sehr unheimlich vorkam. Während sie zurück zu Darkuloz Zelt schlichen, warfen sie auch noch einen Blick in die anderen Zelte. Doch auch dort regten sich die Wachen nicht und sassen ebenso gerade und reglos in ihren Sesseln, wie jener, der ihre Habe verwaltet hatte.
„Es ist… als würden sie unter einem Art Bann stehen,“ wisperte Ben. „Was geht hier bloss vor? Doch sogleich zuckten sie zusammen, denn sie vernahmen auf einmal eine Stimme. Sie kam aus dem grossen Zelt und… es war jene von Darkuloz! Er sang einen seltsame Abfolge von Tönen, die den Freunden aus irgendeinem Grund das Blut in den Adern gefrieren liess.
Vorsichtig schlichen sie näher an das Domizil des dunklen Fürsten heran und schoben die Plane vor dem Eingang, ein winziges Stück zurück. Darkuloz drehte ihnen den Rücken zu und kniete auf einem schwarzen Teppich, der mit seltsamen, furchteinflössenden Symbolen bestickt war. Vor ihm stand ein grosses Feuerbecken, verziert mit dämonischen Fratzen. Das Zelt wurde schwach, von ebenfalls schwarzen Kerzen, beleuchtet. Das Feuer in der Schale, besass beängstigend viel Ähnlichkeit mit den Feuern der höllischen Ebenen. Der dunkle Fürst hatte seine Hände nach vorne gestreckt und deren Innenflächen, direkt über die Flammen gebreitet. Wie konnte es sein, dass er sich dabei nicht verbrannte? Da musste wahrlich dunkle Magie am Werk sein!
Mit Schrecken sahen die Freunde, wie in denen nun hochschlagenden Flammen des Feuerbeckens, zwei Gestalten erschienen! Zuerst waren sie nicht mehr als Schemen, doch dann nahmen sie immer mehr Gestalt an und sie erkannten zwei furchterregende Ritter, einer mit feuerroter Rüstung und einer mit fahlgrauem Mantel, dessen Kapuze sein Gesicht beinahe gänzlich bedeckte. Pia unterdrückte einen Schreckensschrei, als sie sich an ihre schreckliche Begegnung mit Letzterem zurückerinnerte, der ihr einst das Medaillon der vier Gewalten gestohlen hatte.