Die Räume in den Kellern des Schlosses, waren wirklich alles andere als gemütlich. Erschüttert stellten die drei Freunde fest, dass Alwiana die Wahrheit gesprochen hatte. Überall befanden sich Foltergeräte aller Art. Die Kerker waren jetzt aber voll mit Meerjungfrauen und Meermännern.
„Dieser Ort, ist mit einem magischen Schutz gesichert. Es wird schwierig sein hier wieder herauszukommen,“ wisperte Malek. „Vielleicht hätten wir vorher verschwinden sollen.“
„Aber ich muss wissen, was hier im Gange ist!" meinte Benjamin. „Etwas stimmt da einfach nicht.“
„Diesen Eindruck habe ich auch,“ stimmte ihm Pia zu. „Ich kann die Geschichten mit Nikso, einfach nicht glauben.“
Eine der Undinen, mit Tang-grünem Haar, wandte sich mit kalter Mine zu ihnen um. „Haltet endlich euren Mund! Euer Getuschel ist ja nicht auszuhalten! Glaubt ja nicht, ihr kommt hier irgendwie raus.“
„Darüber haben wir auch nicht gesprochen,“ erwiderte Malek.
„Wir haben nur festgestellt, dass der Kerker scheinbar mit einer magischen Vorrichtungen gesichert ist.“
„Gut erkannt! Almora versteht ihr Handwerk.“
„Ihr magisches Können ist wahrlich beeindruckend!“ erwiderte Malek. „Woher kommt Almora eigentlich? Sie sieht ziemlich aussergewöhnlich aus, für eine Undine.“
„Das stimmt! Woher sie genau kommt, wissen wir nicht, aber sie ist das Beste, das meinem Volke passieren konnte. Mir ihrer Hilfe, werden wir unsere Unterdrücker endlich in die Knie zwingen.“
Die Undine warf einen hasserfüllten Blick auf die eingesperrten Meerjungfrauen und Meermänner, die leise klagend und wimmernd, in ihren Kerkern kauerten. Ihre sonst leuchtenden Schuppen, wirkten bleich und stumpf und sie waren teilweise stark abgemagert und voller Wunden. Den Freunden taten sie sehr leid.
„Ihr scheint ja sehr überzeugt von diesem Krieg zu sein,“ warf Benjamin ein. „Wenn du ein Gefangener dieses schrecklichen Königs Nikso gewesen wärst, dann ginge es dir gleich. Dieses Scheusal quälte und tötete uns aus reinem Vergnügen.“
„Jaja und jetzt quält und tötet ihr einfach Niksos Volk ist das etwa besser?“ „Ich kann sowieso kaum glauben, das Nikso so etwas jemals tun würde,“ sprach Pia.
„Es ist aber so.“ erwiderte die grünhaarige Undine mit kalter Stimme.
„Ich habe es am eigenen Leibe erfahren. Ich habe den König selbst gesehen. Er weidete sich am Leid meiner Schwestern und an meinem Leid.“
„Bist du auch ganz sicher, dass du ihn gesehen hast?“
„Ja natürlich!“ rief die Undine zornig aus und ihre grünblauen Augen sprühten Funken. „Wer sonst hat einen rauschenden, weissen Bart, einen flammendroten Fischschwanz und trägt eine goldene Krone? Alle hier haben ihn erkannt, nicht wahr?“ Sie blickte zu den anderen Undinen herüber, die sie begleiteten.
„Das stimmt!“ war die einstimmige Antwort.
Die Freunde schwiegen betroffen. Noch immer konnten sie nicht fassen, dass all das stimmen konnte. Schliesslich war Nikso doch so freundlich gewesen. Er hatte ihnen geholfen, den ersten Medaillonsviertel zu finden. Er hatte ihnen sogar seine Muschelkutsche zur Verfügung gestellt, um ins Silbermeerreich zu reisen und Ismala hätte er beinahe als Mitglied seiner eigenen Familie angenommen. Irgendetwas war hier faul. Das spürten sie mit jeder Faser ihres Herzens.
Als sie schliesslich allein in einem Kerker, etwas abseits der anderen Gefangenen, eingesperrt waren, fragte Benjamin: „Was haltet ihr von dem Ganzen?“
Malek erwiderte: „Das ist eine wahrlich üble Geschichte. Doch mir erscheint sie äusserst fragwürdig. Irgendwie passt all das nicht zusammen. Ihr und Ismala haben mir schon so viel über Nikso und seine Familie erzählt und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie sich zu so etwas Schrecklichem entwickeln könnten. Trotzdem glaube ich auch nicht, dass die Undinen lügen. Sie sind vollends davon überzeugt, dass das was sie tun, richtig ist und ich glaube wirklich, dass sie sehr viel Leid erfahren haben.“
„Ich habe grosse Schwierigkeiten, das alles zu vereinbaren,“ meinte Pia betrübt. „Wenn die Undinen aber nicht lügen und Nikso und seine Familie unschuldig ist, wie wir glauben, wo liegt dann bloss der Hund begraben?“
„Vielleicht hat es etwas mit dieser… Almora zu tun,“ überlegte Benjamin. „Etwas an ihr gefällt mir gar nicht.“
„Mir geht es mit ihr genau gleich,“ stimmte Pia zu und Malek nickte zustimmend.
„Ich bin ganz eurer Meinung. Almora besitzt zweifellos ein sehr grosses, magisches Potenzial. Und als ich versuchte ihr Bewusstsein zu erforschen, da war da einfach nur Leere. Sie gab überhaupt nichts von sich preis, als ob sie… nicht wirklich eine Seele hätte. Aber es kann auch gut sein, dass sie sich einfach besonders gut zu schützen versteht. In diesem Masse gelingt das jedoch nur sehr mächtigen Magiern.“
„Du kannst das Bewusstsein anderer erforschen?“ fragte Pia und ihr war auf einmal etwas unbehaglich zu Mute.
„Nun ja… ich kann zwar keine Gedanken lesen, aber ich kann das Wesen von jemandem anderem ziemlich gut erfassen, wenn ich es beabsichtige. Je offener jemand ist, desto leichter fällt es mir, mehr über ihn zu erfahren. Bei Almora jedoch, war das unmöglich. Sie ist verschlossen, wie eine Auster. Ich konnte nichts über sie herausfinden. Sie jedoch quetschte mich aus, wie eine Zitrone.“
„Du meinst, sie weiss jetzt alles über dich?“ fragte Pia erschrocken.
„Nicht alles, aber sie kann mich jetzt sicher gut einschätzen. Die wirkliche Gedankensicht, bleibt, zum Glück, aber nur den höchstschwingenden Wesen vorbehalten. Dazu gehört diese Almora bestimmt nicht.“
„Aber wenn sie dein Wesen so gut erforschen konnte, dann weiss sie sicher, dass wir die Grossen Führer sind.“
„Ja, das weiss sie selbstverständlich. Zumal sie, nach eigenen Angaben, ja sogar eine seherische Fähigkeit besitzt. Die Frage ist nur…, warum wollte sie nicht, dass Alwiana und die anderen Undinen euch ebenfalls als die Grossen Führer erkennen? Das erscheint mir höchst verdächtig. Zweifellos hat sie einen sehr grossen Einfluss auf Alwiana und die anderen. Eigentlich ist sie ihre Anführerin, auch wenn sie Alwiana glauben machen will, sie treffe ihre eigenen Entscheidungen.“
„Das ist mir auch aufgefallen,“ stimmte Benjamin zu. „Dennoch dürfen wir nicht ausser Acht lassen, was hier in diesen Kerkern für Gräueltaten begangen wurden und dass die Undinen überzeugt davon sind, dass Nikso der Verursacher all dieses Leidens war.“
„Was aber, wenn alles nur inszeniert wurde?“ rief Pia auf einmal aus.
„Was meinst du damit?“ fragte Malek.
„Nun ja… wenn Almora wirklich so eine mächtige Magierin ist, wie du sagtest. Was, wenn sie selbst hinter all dem steckt? Was wenn sie es irgendwie zustande gebracht hätte, all diese schrecklichen Ereignisse irgendwie vorzutäuschen?“
„Du meinst so etwas wie eine Illusion, um die Undinen zu überzeugen?“
„Ja, so ungefähr.“
Malek überlegte. „Vielleicht wäre das möglich ja.“
„Aber wie erklärst du dir dann, dass Nikso hier wirklich aufgetaucht ist?“ fragte Ben. „Keine Ahnung,“ Pia zuckte mit den Schultern. „Diese Frage kann uns vermutlich nur Nikso selbst beantworten.“
„Du hast recht Pia,“ meinte Malek. „Wir müssen dieser Sache unbedingt auf den Grund gehen. Ich hoffe nur, dass dieser Kerker hier nicht auch noch gegen die Sphärenwanderung geschützt ist. Denn dann sollten wir versuchen, Nikso und seine Familie zu finden. Letztes Mal als wir bei Darkuloz gefangen waren, kam die Sphärenwanderung nicht in Frage, weil Hungoloz und all die anderen bei uns waren. Aber jetzt da nur wir hier eingesperrt sind, haben wir vielleicht Erfolg. Zumal nur sehr wenige wirklich die Sphärenwanderung beherrschen. Vielleicht hat Almora nicht daran gedacht, die Kerker dagegen zu sichern.“
„Hoffen wir es!“ erwiderte Ben. „Dann lasst uns also meditieren und uns einfach auf Nikso konzentrieren, dann sollten wir direkt bei ihm landen.“ „Hoffentlich,“ gab Pia zu bedenken. „und hoffentlich erweisen er und seine Familie sich als unschuldig.“