„Wir haben da vollstes Vertrauen in dich grosser Bruder!“ sprach Triandra. „So, nun wird es aber Zeit, dass wir Sara als Tri- Chan einkleiden! Ich habe da schon ein paar Dinge vorbereitet. Auch für dich habe ich etwas Ben! Du warst ja einst Torak. Ihr solltet gleich als Paar auftreten. Das verstärkt die Wirkung nochmals!“
„Alles klar,“ grinste Benjamin und folgte Triandra und Sara in das kleine Cottage.
Die Hohepriesterin drehte sich noch einmal zu Trion und Trilok um: „Wir werden in einer Stunde wieder zu euch stossen!“
Die Angesprochenen nickten zustimmend. Pia und Malek gesellten sich ebenfalls zu ihnen und der Greif sprach: „Ich werde inzwischen ein wenig die Gegend auskundschaften und euch dann nochmals Bericht erstatten.“ „Das ist gut,“ gab Trilok zur Antwort. „Vielen Dank..., grosser Bruder!“
Die darauffolgende Stunde, wurden Sara und Benjamin nun also von Triandra völlig neu eingekleidet. Die junge Frau bekam ein weisses, wallendes Gewand mit kunstvollen, goldenen Stickereien darauf, ganz ähnlich wie auf dem Gemälde, das Tri- Chan gezeigt hatte. Über ihren Schultern trug sie einen golden schimmernden Mantel und auf dem Kopf einen geflochtenen Kranz aus goldgelben Trollblumen. Das alles passte perfekt zu ihrem langen, dunklen Haar.
Benjamin war in ähnliche Farben gekleidet. In ein weisses, ebenfalls mit goldenen Stickereien verziertes Hemd und eine dunkle Hose. In einem Knopfloch des Hemdes steckte ebenfalls eine Trollblume.
„Ihr seht fantastisch aus!“ freute sich Triandra. „Dann machen wir uns jetzt also auf zum Heerlager! Bestimmt werden alle tief beeindruckt von euch sein. Wir haben für euch bereits Silberstern und ein anderes Pferd hergerichtet. Kommt!“
Sie folgten der Priesterin und staunten nicht schlecht, als sie ihre Reittiere erblickten. Diese trugen wunderschönes, weisses Zaumzeug, geschmückt mit Goldplättchen und Perlenschnüren. Ihre Sättel bestanden aus hellem Leder und waren ebenfalls mit allerlei kunstvollen Beschlägen verziert.
„Unglaublich!“ rief Sara. „Woher habt ihr diese wunderschönen Dinge bloss alle?“
„Sie stammen noch aus der Hoch- Zeit der Stadt des Tagmondes. Wir fanden sie, zusammen mit Tri- Chans Gemälde, ebenfalls unten in den Katakomben.“
„Nicht zu glauben! Diese Katakomben müssen einst eine wichtige Bedeutung für das Trollen- Volk gehabt haben,“ meinte nun auch Benjamin.
„Es sieht ganz so aus. Vielleicht gibt es ja sogar noch einige ältere Trolle, auch in Triobalds Kreisen, die sich an jene glückliche Zeit zurückerinnern können. Das würde unserer Sache auf jeden Fall sehr helfen.“
So stiegen die Freunde in den Sattel ihrer edlen Rösser und machten sich dann auf den Weg zum Heerlager der befreundeten Trolle. Benjamin blickte immer wieder zu Sara herüber. Er konnte sich an ihrem Anblick kaum sattsehen. Welch eine Schönheit sie war! Er liebte sie aus tiefstem Herzen. Erst bei ihr hatte er erkannt, was wahre Liebe bedeutete. Wie gut er nun verstand, was einst in Pia vorgegangen war, als sie sich für eine Beziehung mit Hungoloz entschieden hatte. Wenn die grosse, wahre Liebe anklopfte, dann konnte man sich dem schlichtweg nicht mehr entziehen.
Auch wenn es bedeutete, dass man irgendwann eine Entscheidung treffen musste. Wenn er und seine Schwester ihre Mission erfüllt hatten, dann würde genau solch eine Entscheidung anstehen. Benjamin wusste, dass auf jeden Fall bei Sara bleiben wollte und Pia wollte bestimmt auch bei Hungoloz bleiben. So würden sich Benjamin und Pias Wege, früher oder später, trennen. Dieser Gedanke, stimme ihn sehr traurig, denn er und seine Schwester hatten bereits so viel miteinander durchgestanden. Wie oft hatten sie einander schon das Leben gerettet, einander Mut gemacht, wenn der eine mal eine schwache oder schwere Stunde hatte… Irgendwann würden sie jedoch beide ein ganz anderes Leben, an einem ganz anderen Ort, beginnen. Natürlich würden sie weiterhin in Kontakt bleiben, aber es würde niemals mehr dasselbe sein. Dafür hatten sie nun beide ihren Partner fürs Leben gefunden. Nun galt es nur noch, diese Sache hier auch tatsächlich zu überleben, was ihm tatsächlich einige Sorgen bereitete.
Schon bald erreichten die drei Reiter das Heerlager. Sogleich wurden sie, durch die Trolle, die hier ihre Zelte aufgeschlagen hatten, voller Bewunderung, begrüsst. „Du bist jetzt wahrhaftig das Ebenbild von Tri- Chan!“ sprach Trion und half der jungen Frau dabei, vom Rücken ihres prächtigen, weissen Pferdes zu steigen. „Wir werden ihr Gemälde ebenfalls mit zum Tränensee nehmen, damit auch der letzte erkennt, wer du bist.“
„Irgendwie bin ich wieder ziemlich nervös,“ sprach Sara. „Ich hoffe einfach, dass Triobald und seine Leute uns, bei unserer Ankunft, nicht sogleich niedermachen.“
„Das wird schon nicht passieren. Wir werden zusätzlich noch einige weisse Friedensfahnen mit uns führen, dann sollte es zumindest möglich sein, dass Triobald sich auf Verhandlungen einlässt und wir, im besten Fall, zusammen eine friedliche Lösung finden.“
„Das hoffe ich sehr, ja das hoffe ich,“ murmelte Sara, während sie sich, zusammen mit ihren Freunden, auf den Weg zum Zelt von Trilok machte, um dort ihre Pläne nochmals genauer durchzusprechen.
Tags darauf, machten sich dann alle auf dem Weg zum See der tausend Tränen. Sara ritt mit Triandra, Benjamin und Trion an der Spitze des Zuges, direkt gefolgt von Pia, Malek und Trilok. Gleich nach ihnen folgte die Vorhut, hauptsächlich bestehend aus besonders kräftigen Männern, die das Bildnis von Tri- Chan auf ihren Schultern trugen und die weissen Friedensflaggen schwenkten. Dahinter befanden sich die restlichen Teile der Armee. Alle in Kettenhemden gekleidet, mit ein paar wenigen Schilden, aber ohne Waffen.
Der Feuer-Greif hatte sich nochmals kurz bei ihnen gemeldet und sie über die Verteilung des gegnerischen Lagers informiert. „Triobald hat einen Teil seiner Armee an die seitlichen Flanken der Hauptstreitmacht geschickt. Sie haben vermutlich vor, euch von überall her einzukreisen. Es ist… eine ziemlich grosse Streitmacht. Euch zahlenmässig um einiges überlegen, doch ihr habt dafür mich. Ich werde mich in der Nähe verstecken und eingreifen, wenn es nötig wird.“ Mit diesen Worten erhob sich das gewaltige Wesen wieder in die Lüfte und flog Richtung See davon.
Als sie an ihrem Ziel angkamen, lag der See still da. Der noch immer wolkenverhangene Himmel, verlieh ihm einen stumpfen, silbernen Glanz, der nur vom strahlenden Gelb der vielen Trollblumen, die an seinen Ufern wuchsen, erhellt wurde. Das vorwiegend flache, nur mit einigen niedrigen Büschen bewachsene Land, in dem das Gewässer eingebettet lag, wirkte trostlos und bedrohlich.
Ben liess seinen Blick nachdenklich über die Trolle gleiten, die ihnen nachfolgten. Ihre Gesichter wirkten ernst und angespannt. In einigen Augen flackerten sichtbare Furcht und Unsicherheit. Auch ihm war nicht gerade wohl in seiner Haut. Er schaute zu Sara herüber und drückte ihre Hand. So gaben sie einander gegenseitig neuen Mut und Zuversicht.
„Seht ihr die Armee von Triobald irgendwo?“ fragte Pia und blickte sich mit zusammengekniffenen Augen um.
„Nein, bisher nicht,“ sprach Trion. „Doch warte! Da ist etwas!“
Die Büsche, welche auf der sie umgebenden Ebene wuchsen, gerieten auf einmal in Bewegung und dann stürmten plötzlich hunderte von Trollen, laut brüllend auf sie zu, ihre Waffen in den Händen schwenkend. Sie hatten sich als Buschwerk getarnt und warfen im Laufen nun diese Tarnung von sich. Sie kommen!“ schrie Trilok „Haltet stand!“