Darkuloz, der finstere Fürst
Nach einem nicht sehr langen Marsch, kam der Trupp aus Elfen, der die drei Freunde gefangengenommen hatte, zum Stillstand. Der Geruch von Feuer, verbranntem Fett und totem Holz, stieg Pia in die Nase. Als man ihr nun die Augenbinde abnahm, blickte sie sich erschüttert um. Sie befanden sich auf einer künstlich angelegten Lichtung. Rundherum lagen die Gerippe bereits umgestürzter, toter Bäume. Einige von ihnen hatte man auch gefällt und das Holz hielt nun die mächtigen Feuer am Leben, auf denen man kochte, aber in denen auch Waffen und Rüstungen geschmiedet wurden. Der starke Geruch der Schmiede- Essen und der Duft nach verbranntem Fett, das von, auf Spiessen garenden Tierkadavern herabtropfte, biss in Pias Augen und auch Benjamin und Hungoloz blickten sich entsetzt um. Dieser Ort hier hatte so gar nichts mehr mit den naturverbundenen Dörfern der Waldelfen gemein, die sie kannten. Nein! Die Natur hier, war geschändet worden, missbraucht für kriegerische Zwecke und nun verpesteten finstere, rücksichtlose Machenschaften die Luft.
Dutzende von Elfen, die ebenso unfreundlich aussahen, wie jene die sie hierher begleitetet hatten, marschierten in geordneten Reihen auf der Lichtung auf und ab. Sie trugen allesamt schwarze Rüstungen und ihre gefährlichen Schwerter blitzten, im Licht der hochstehenden Sonne, bedrohlich auf.
Einige Zelte standen am Rande der Lichtung. Eines davon wirkte besonders prächtig. Es bestand aus scharlachrotem Tuch und war mit schwarzen Symbolen und Zeichnungen bemalt. Der kräftige Elf mit dem Dobermanngesicht, führte die drei Freunde nun dorthin. Während zwei andere seiner Getreuen, sie bewachten, verschwand er im Inneren desselbigen und kam kurz darauf wieder heraus. „Unser grosser Fürst Darkuloz, ist bereit euch zu empfangen,“ sprach er in abfälligem Tone und stiess die Freunde vor sich her zum Zelteingang.
Er schlug das Tuch, das diesen bedeckte, zurück und Hungoloz und die anderen, traten in das schummrige Innere des Zeltes. Durch die Häute, aus denen die Behausung gefertigt war, drang etwas Licht. „Ein Licht, so rot wie Blut!“ ging es Pia durch den Kopf und sie hatte auf einmal das ungute Gefühl, dass ihre Bemühungen, sich gütlich mit Darkuloz zu einigen, zum Scheitern verurteilt waren. Was nur hatten sie sich dabei gedacht, sich ihm so einfach auszuliefern?
Der kalte, herablassende Blick des Mannes, der lässig auf einem prunkvoll verzierten Cäsaren Sessel sass, bestärkte sie noch in ihren Bedenken. Wie alle Waldelfen hatte er spitze Ohren und war hochgewachsen. Seine Haut jedoch, besass einen seltsamen, rötlichen Ton. Oder spiegelte sich darin nur das blutige Licht, das durch die Zelthäute drang? Nein! Es sah wirklich so aus, als wäre Darkuloz‘ Haut, von Natur aus, rötlich. Das war sehr ungewöhnlich für eine Waldelfen. Er erhob sich nun mit arroganter Mine und seinen schwarzen Augen funkelten, ebenfalls rötlich im Zwielicht, als er auf sie zukam. Er war hochgewachsen und sein Haar lange und glänzendschwarz. Man hätte ihn als schön bezeichnen können, wäre da nicht diese finstere, bedrohliche Ausstrahlung gewesen, die von ihm ausging. Auch Hungoloz schluckte unmerklich, als Darkuloz ganz nahe vor ihn trat, ihn um Haupteslänge überragend. Der finstere Elf musterte ihn schweigend und mit zusammengekniffenen Brauen. Doch Hungoloz hatte sich bereits wieder gefasst. Er reckte sein Kinn und schaute seinem Gegenüber selbstbewusst in die Augen. Pia spürte beinahe körperlich, wie die starke, lichtvolle Präsenz des blonden Elfen, wieder an Raum zurückgewann und sie atmete erleichtert auf, als Darkuloz Augen leicht flackerten und sich seine Züge wieder etwas entspannten. „Du bist also Darkuloz,“ sprach der blonde Elf und musterte seinen Gegenüber nun ebenfalls argwöhnisch. „Ja, der bin ich. Ich hörte ihr wollte verhandeln?“
„Ja.“
„Und ihr wollt mir ein Angebot unterbreiten?“
„Das kommt ganz darauf an, wie sehr du uns entgegenkommst,“ sprach Hungoloz selbstbewusst.
„Ich soll euch entgegenkommen?!“ rief Darkuloz spöttisch aus „und wie stellt ihr euch das genau vor?“
„Wir möchten gerne den Frieden zwischen den verschiedenen Elfensippen wieder herstellen.“
„Frieden…“ erwiderte Darkuloz, als würde das Wort gar nicht in seinem Wortschatz vorkommen. „Frieden ist trügerisch.“
„Was willst du damit sagen? Frieden ist das höchste Gut und unerlässliche für Naturgeister, wie wir es sind. Wir haben seit Ewigkeiten keinen Krieg mehr geführt, warum zettelst du nun einen neuen an?“
„Ich zettle doch keinen Krieg an. Ich geben dem Elfenvolk nur das, was sie schon lange brauchen!“ sprach Darkuloz salbungsvoll.
„Und was ist das, deiner Meinung nach?“ fragte Hungoloz und man spürte die Wut in seinen Worten.
„Nun… einen starken Anführer. Jemand der es gut mit ihnen meint, der sie führt und leitet in dieser… schrecklichen Zeit!“
„Das Elfenvolk braucht keinen neuen Anführer, es hat mich,“ erwiderte der blonde Elf mit finsterer Miene. „Falls dir es dir entgangen ist Darkuloz, Markuloz hat mich zu seinem Nachfolger auserkoren. Sonst würde ich nicht seinen Mantel tragen.“
Darkuloz lachte auf: „Du willst der neue König des Waldes sein? Dass ich nicht lache!“
„Oh doch, der bin ich und du weisst das ganz genau. Ich bin zurückgekehrt, um meinem Volke beizustehen und ich werde mich nicht von jemandem, wie dir, davon abhalten lassen.“
„Tz, tz, deine Familie war schon immer sehr von sich überzeugt.“
„Es ist unser Erbe, ein Erbe, dass die hohen Geister des Waldes einst für uns ausersehen haben.“
„Geister des Waldes! Pah! Was können die schon ausrichten? Ich pfeife auf deine Geister des Waldes!“
„Aber… du bist auch ein Waldelf und somit Teil des Waldes und seiner Geister.“
Auf Darkuloz‘ ebenmässigem Gesicht, breitete sich ein verschlagenes Lächeln aus und er sprach nun mit gesenkter Stimme: „Ich bin alles andere als das.“
„Wie bitte?“ Hungoloz wirkte etwas verwirrt.
„Ich meine…, ich bin nicht Teil dieser Geister des Waldes, von denen du da faselst. Ich nehme mein Schicksal selbst in die Hand und du und deinesgleichen, bedeuten mir nichts.“
„Was soll das heissen?“
Darkuloz trat nun ganz nahe an Hungoloz heran, dass dieser seinen Atmen auf seinem Gesicht spüren konnte: „Das Einzige was wirklich zählt, ist Macht. Ich verhelfe mir und deinen willigen Elfengeschwistern zu dieser Macht.“
„Aber… es gibt keine Macht, jenseits der Gesetze des Waldes.“
„Gesetze des Waldes, ach komm!“ stiess Darkuloz angewidert hervor. „Wir schaffen uns hier unsere eigenen Gesetze und du bist nur noch ein Relikt aus vergangener Zeit.“
„Wir sind hier, um zu helfen! Hat die schreckliche Seuche, welche so viele Bäume und Menschen tötet, nicht schon genug angerichtet? Sollten wir nicht endlich wieder zusammenstehen und dafür sorgen, dass sich alles wieder normalisiert?“
Darkuloz schwieg einen Moment und ging im Zelt auf und ab, als würde er ernsthaft über Hungoloz Worte nachdenken, doch Pia und Benjamin entging nicht, der verschlagene Ausdruck in seinem Gesicht, als er sich ihnen schliesslich wieder zuwandte. „Nun… eigentlich gefällt es mir ganz gut, so wie es gerade ist.“
„Es gefällt dir?“ rief der blonde Elf entsetzt aus. „Es gefällt dir, dass unsere Lebensgrundlage, durch diese schreckliche Seuche, immer mehr zerstört wird?“
„Natürlich gefällt es ihm,“ dachte Benjamin verbittert bei sich „er ist der Verursacher all dieser Probleme, davon bin ich überzeugt.“
Doch Hungoloz schien noch immer irgendwie zu hoffen, dass sich Darkuloz zur Besinnung bringen liess.
„Aber… das ist doch Irrsinn! Das alles hier…“ stammelte er.
„Irrsinn? Vielleicht für deinesgleichen, aber bestimmt nicht für mich und auch nicht für meine neuen Untertanen, die sich so eifrig auf den Krieg, gegen die anderen Elfensippen, vorbereiten.“
„Aber… das tun sie doch nur…, weil sie verzweifelt sind. Die Seuche und das Absterben der Bäume, hat sie ihrer wichtigsten Lebensgrundlage beraubt. Sie haben dadurch die Verbindung zu ihrem Ursprung, zu ihrem Lebensinhalt, verloren!“ rief Hungoloz aus.
Doch Darkuloz blickte den blonden Elfen nur mit mittleidigem Spott an. „Armer, armer König des Waldes! Deine Zeit scheint vorbei zu sein, ehe sie richtig begonnen hat.“
„Es geht hier doch nicht um mich oder meine Familie. Es geht nicht um Macht, sondern darum dem Waldelfen- Volk seinen wahren Lebenssinn zurückzugeben. Wir könnten dabei helfen.“ Er überlegte einen Moment lang, ob er das Heilmittel erwähnen sollte und tauschte einen unauffälligen Blick mit Pia und Benjamin. Die Geschwister schüttelten jedoch unmerklich ihre Köpfe. „Nein! Sag ihm nichts von dem Heilmittel!“ schienen sie ihm sagen zu wollen. Der blonde Elf runzelte kurz die Stirn, entschied sich dann aber zu schweigen. Darkuloz deutete Hungoloz unentschlossenes Verhalten als Schwäche und sprach mit schadenfreudiger Miene. „Ich verzichte auf eure Hilfe.“ Dann rief er laut: „Wachen! Führt sie ab und sperrt sie zu den anderen!"