Hungoloz stand draussen auf dem Balkon und blickte über die schillernden Zinnen und Mauern des Schlossgeländes. Es war schön wieder hier zu sein. Und noch schöner war es, dass Pia schon bald, wenn auch nur für kurze Zeit, wieder hierher zurückkehren würde. Durch die Kristallkugel, mit der der junge Elf jeweils Kontakt zu seinen Freunden und zu seiner Liebsten hielt, hatte er erfahren, dass es im Erdreich tatsächlich heiss hergegangen war, sich nun jedoch alles wieder zum Besseren gewendet hatte. Die Erdgnomen richteten deswegen eins ihre legendären Feste aus und nach diesem Fest, würden sich alle endlich wiedersehen.
Nur Lumniuz, würde vorläufig nicht zurückkehren, was den Waldelfen schon etwas traurig stimmte. Doch er verstand, dass sein alter Freund gerade anderes zu tun hatte. Manuel war nach den fünf Tagen, ebenfalls wie vom Erdboden verschwunden und Hungoloz vermutete, dass die Greife sich seiner nun angenommen hatten.
Manchmal fühlte sich das Kristallschloss deswegen schon ziemlich leer an. Zum Glück war wenigstens sein Bruder Tartaloz an Hungoloz‘ Seite.
Auch um die drei Sylphen war der Waldelf sehr froh. Sie halfen ihm viel und vor allem die junge Aliya brachte stets frischen Wind in die kristallinen Gemäuer der Schlossanlage.
Von ihr hatte der Waldelf auch etwas Interessantes erfahren. Aliya sprach von einem grossen Plan, an dem die Luftgeister einen wichtigen Anteil hatten. Es war die Rede von einem besonderen Zufluchtsort, für jene Geschöpfe, die reinen Herzens waren.
Die junge Sylphe sprach: „Meine beiden Mütter haben mir gesagt, dass es einen Grund gibt, warum wir hergekommen sind. Es tut sich so Einiges in den Welten, auch wenn man hier noch nicht so viel davon bemerkt. Irgendwann jedoch, wird auch das Kristallreich nicht länger von den Übeln verschont bleiben, welche von den bösen Mächten initiiert wurden.“
„Meinst du mit den bösen Mächten die drei Ritter?“
„So ist es. Doch die Ritter agieren nicht allein. Sie haben viele Helfer und Getreuen und vor diesen müssen wir uns wirklich in Acht nehmen.
In der Menschenwelt z.B. gibt es schreckliche Waffen, deren Zerstörungskraft alle Welten zu erschüttern vermag.“
„Was sind das für Waffen?“
„Man nennt sie Atombomben. Du weisst, dass alles im Omniversum auf Atomen aufgebaut ist. Die sogenannten Atombomben basieren auf Kernspaltung und ihre Detonation kann tiefgreifende Auswirkungen, bis auf die atomaren Ebene haben.“
„Das kling gar nicht gut. Kann man denn überhaupt etwas dagegen tun?“ „Man kann nur versuchen jene zu stoppen, die diese schrecklichen Waffen in ihrer Verblendung einsetzen wollen.“
„Aber wenn diese… Bomben so zerstörerisch sind, dann würden sie damit doch auch sich selbst schaden.“
„Leider machen sich diese irregeleiteten Seelen kaum noch Gedanken darüber. Natürlich glauben sie, dass sie sich irgendwo in irgendwelchen Bunkern unter der Erde verkriechen können und dann von den Folgen eines atomaren Schlages verschont bleiben. Doch sollte es wirklich einen Atomkrieg geben, dann wird danach kein richtiges Leben mehr möglich sein. Vor allem die Erde, wäre dann für immer verwüstet und nichts könnte mehr das Aussterben des Lebens dort verhindern.
Die Wesen der hohen Himmel, haben jedoch Pläne mit der Erde. Während wir uns hier unterhalten, arbeiten sie bereits mit Hochtouren daran, eine gute Lösung zu finden. Wir Luftgeister sind in diesen Plan miteingebunden.“
„Inwiefern?“
„Das wirst du schon bald erfahren.“
„Ach komm! Du kannst mich doch jetzt nicht im Ungewissen lassen, jetzt da du mir all diese Dinge offenbart hast!“
„Ich habe schon viel zu viel gesagt. Aber glaube mir, schon bald wird alles viel klarer werden.“
Mit diesen geheimnisvollen Worten ging Aliya davon und liess Hungoloz allein in seiner Ungewissheit zurück.
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Der junge Micha lag in seinem Bett und starrte an die Decke über sich, die mit edlen Stuckarbeiten geschmückt war. Seit er Maleks Vertretung immer mehr übernommen hatte, waren er und seine Familie ins Schloss gezogen. Eigentlich fühlte sich der 16- jährige hier aber nicht sonderlich wohl. Ihm war das kleine Haus, in dem er bisher gelebt hatte, lieber gewesen. Doch seine neuen Aufgabenbereiche verlangten seine Anwesenheit hier.
In den letzten Tagen war Maleks Lehrling stets sehr ruhelos gewesen, doch er wusste nicht wirklich weshalb. Irgendetwas schien in der Luft zu liegen und eine seltsame Erwartung, eine Sehnsucht nach einer Welt, jenseits dieser hier, erfüllte sein Gemüt.
Schliesslich hatte er genug. Er sprang aus dem Bett, ging zu einem der Bücherregale und holte sich etwas zu lesen. Es las viel in letzter Zeit. Vor allem Werke, die ihm bei seiner Ausbildung zum Magier und Mitverwalter von Maleks Reich, von Nutzen sein konnten. Gerade las er ein Buch über die unterschiedlichen Fabelwesen in den Welten. Besonders Drachen faszinierten ihn, machten ihm aber auch zugleich ziemliche Angst.
Er musste an Valiocha den Lavadrachen zurückdenken, den er damals im Feuerreich besiegt hatte.
Manchmal konnte er selbst kaum fassen, dass er zu so einer Heldentat in der Lage gewesen war. Er spürte dabei auch, dass er sich eigentlich, tief in seinem Inneren, nach mehr Abenteuer sehnte. Zwar verrichtete er hier am Hofe seine neuen Pflichten gewissenhaft und sehr gut, doch manchmal war ihm auch ziemlich langweilig dabei. So ärgerte er sich öfters, dass Malek ihn nicht mit auf seine Abenteuerreisen nehmen wollte.
Sein Blick blieb an einem Bild hängen, das einen unheimlichen Drachen zeigte. Er hatte vorwiegend mitternachtsblaue Schuppen, doch sein Brustbereich leuchtete in fahlem Weiss. Das Gruseligste an ihm war auf jeden Fall sein Kopf. Dieser wirkte wie ein Totenschädel mit langen hervorstehenden Zahnreihen, voll mit dolchartigen Zähnen. Sein Haupt war mit spitzen Stacheln gekrönt, ebenso wie sein Rückgrat. Seine, tief in den Höhlen liegenden Augen, leuchteten in einem unheimlichen Orange.
Dazu stand: „Der sogenannte Todesschatten, gehört zu einer uralten, flügellosen Drachenspezies, welcher vor langer Zeit Angst und Schrecken in den Welten verbreitete. Anders als die meisten anderen Drachenarten, die lieber zurückgezogen leben, stellte er eine ernstzunehmende Gefahr für die humanoiden Völker dar. Seit ewigen Zeiten, wurde jedoch keiner mehr von diesen schrecklichen Jägern gesichtet. So geht man davon aus, dass sie vermutlich ausgestorben sind. Todesschatten, so sagt man, wurden einst von einer dunklen, chaotischen Macht erschaffen, die bereits vor dem Auftauchen der ersten humanoiden Rasse existiert haben soll. Viele Drachenjäger haben den Todesschatten seither schon bekämpft und kaum einer, überlebte ein Zusammentreffen mit dieser grausamen Kreatur. Auch wenn der Todesschatten kein Feuer speien kann, so ist sein giftiger Atem dennoch tödlich und er besitzt die Fähigkeit, seinen Opfern die gesamte Lebensenergie auszusaugen, bevor er sie verschlingt. Einige Drachenexperten stellten sogar schon die These auf, dass der Todesschatten vielleicht gar nicht richtig lebt, sondern die verderbte, untote Schöpfung einer schrecklichen, nekromantischen Macht ist…“
Währen Micha das las, begannen sich sein Nackenhaare immer mehr zu kräuseln. Er legte das Buch schnell weg und versuchte das schreckliche Bild des Todesschattens wieder aus seinem Kopf zu verbannen. Doch irgendwie gelang ihm das nicht so richtig. So legte er sich erneut auf sein Bett und starrte weiter an die Decke. Schliesslich dann, fielen ihm die Augen trotzdem zu und er versank in einen unruhigen Schlaf...