„Es wird höchste Zeit, dass wir diesem Monstrum endlich den Garaus machen,“ sprach Benjamin mit finsterer Miene. „So etwas Böses sollte gar nicht existieren. Wir haben schon genug mit den Rittern zu tun.“
„Da hast du recht. Ich frage mich manchmal schon, warum das Göttliche Obislav nicht schon längst vernichtet hat.“
„Solche Gedanken sollten wir eigentlich nicht haben,“ sprach Ben, auf einmal nachdenklich geworden. „Auch Obislav ist ein Lebewesen, ein Teil des Omniversums. Der Göttliche Geist liebt doch all seine Kreaturen.“
„Das stimmt. Trotzdem, verkörpert dieser Obelisken- Geist etwas unglaublich Destruktives, das eine Gefahr für alle Welten darstellt.“
„Aber denkst du nicht, er hatte ursprünglich eine andere Aufgabe und war vielleicht nicht immer so böse?“
„Das mag sein. Er muss jedoch schon seit sehr langer Zeit auf die dunkle Seite gewechselt haben, schon fast seit Anbeginn der Schöpfung. Ansonsten wäre er doch nicht zum bösen Gegenstück von Aurelia geworden und hätte so eine gewaltige Macht entwickeln können, welche hier überall so deutlich spürbar ist.“
„Aber warum sollen wir ihn jetzt auf einmal vernichten?“ Ben spüre plötzlich einen seltsamen Zweifel in sich aufsteigen.
„Das, weiss ich auch nicht. Aber ich vermute, weil seine Zeit endgültig abläuft und wir keinesfalls zulassen dürfen, dass er den Rittern hilft.“ „Aber… wie können wir wissen, dass dies wirklich der richtige Weg ist?“
Pia schaute ihren Bruder etwas perplex an. „Ben, was sind das bloss für Gedanken? Die höheren Wesen, wissen doch bestimmt, was zu tun ist.“
„Trotzdem…“ Ben liess seinen Blick unsicher über den gewaltigen, schwarzen Stein gleiten und da erklang auf einmal eine leise Stimme in seinem Inneren: „Du hast recht damit, zu zweifeln. Ich bin nicht so böse, wie alle behaupten. Ich war einst sogar eine der allerersten Schöpfungen des Grossen Geistes. Ich war aber auch einer der Ersten, der alles durchschaut hat. Einer von wenigen, welche die Allmacht des Grossen Schöpfers in Frage gestellt haben. Ich wollte Gerechtigkeit, Gerechtigkeit für alle Wesen. Ich wollte, dass alle gleichwertig behandelt werden. Doch dafür wurde ich geächtet und bestraft und hier eingesperrt. Dabei wollte ich immer nur das Beste. Das alles ist ein abgekartetes Spiel, das Spiel einer sogenannt göttlichen Elite, die jeden vernichten will, der nicht nach ihrem Willen funktioniert. Bitte glaub mir das…, oh Grosser Führer!“
Benjamin schüttelte seinen Kopf, als wolle er eine lästige Fliege loswerden. „Da ist eine Stimme,“ sprach er, an seine Schwester gewandt. „Hörst du sie auch?“
„Eine Stimme? Wovon redest du da?“
„Da hat gerade eine Stimme zu mir gesprochen. Sie wollte mich davon überzeugen, dass ich den Obelisken und Obislav nicht vernichten soll und dass… das alles nur ein abgekartetes Spiel einer… sogenannt göttlichen Elite sei. Was um alles in der Welt hat es damit auf sich?“
„Das muss Obislavs Geist sein, der deine Zweifel für seine Zwecke nutzen will. Hör ihm nicht zu Benjamin! Er ist Teil eines ultimativen Bösen. Man spürt es hier doch überall. Lass uns diese Sache ein für alle Mal erledigen, damit wir endlich nach Hause zu unseren Liebsten können! Denk an Sara! Sie wartet auf dich, so wie Hungoloz auf mich wartet und da gibt es noch so viele mehr, die auf uns warten.
„Armes, armes Kind,“ vernahm die Frau nun ebenfalls eine Stimme in ihrem Inneren. „Ich verstehe dein Leid so gut. Du hoffst und glaubst daran, dass der Grosse Schöpfergeist das Omniversum zum Besten verändern wird und dass die Grenzen zwischen den Welten einst aufgehoben sein werden. Doch glaube mir, das ist nur eine Illusion. So weit wird es nie kommen und… du wirst dich entscheiden müssen, zwischen deinem alten Leben oder einem Leben mit Hungoloz. Ich jedoch, könnte all deine Träume wahrhaft möglich machen. Ich besitze die Macht, dir alle Türen zwischen den Welten zu öffnen und sie für dich stets offen zu halten. So könntest du hin und her reisen, wie auch immer es dir beliebt.
Das Göttliche wird deinen Wunsch nicht erfüllen, es benutzt dich nur, um seine Feinde zu vernichten und damit jegliche Rebellion gegen es auszumerzen. So viele werden sterben, weil dieser heuchlerische Schöpfergeist die Welten zerstören und ganz neu, und zu seinen alleinigen Gunsten, formen will. In dieser sogenannten, neuen Welt ist kein Platz für solche wie mich. Darum wurde ich hier auch eingesperrt. Dabei war ich schon immer daran interessiert, dass diese Schöpfung, so wie sie ist, erhalten bleibt. Warum sollte man so etwas Wundervolles zerstören oder überhaupt verändern wollen? Denk mal darüber nach!“
„Jetzt habe ich auch eine Stimme gehört!“ rief Pia. „Das muss Obislav sein. Bitte gib mir den Dolch von Aurelia Benjamin! Wir müssen dem ein Ende setzen!“
Benjamin schien wie aus einem Traum zu erwachen und sprach: „Ja, du hast recht! Wir müssen es jetzt tun, bevor das Gift dieses Geistes uns noch mehr das Gehirn aufweicht!“
Er zog den Weissen Diamantdolch hervor und dieser leuchtete, in allen Farben des Regenbogens, auf. Und…, in diesem Moment, verwandelte er sich erneut! Er verwandelte sich in einen mächtigen, schweren Streitkolben!
Voller Erstaunen blickten die Geschwister auf die magische Waffe.
„Das ist ja unglaublich!“ rief Pia. „Er kann wirklich seine Form verändern!“
„Ja und er ist ziemlich schwer geworden!“ meinte Ben. „Dafür ist mein Herz jetzt wieder ganz leicht!“
„Meins auch!“ freute sich Pia. „Komm wir machen es zusammen!“ Pia ging zu ihrem Bruder und half ihm den Streitkolben hochzuheben. Dann holten sie weit aus und schlugen mit aller Kraft gegen den schwarzen Stein.
Ein dumpfes Geräusch ertönte dabei, gefolgt von einem leisen Klirren, dass das erste Bersten des Steines ankündigte. Noch im selben Moment erklang ein gellender Schrei und eine gewaltige Druckwelle schleuderte die Geschwister zurück!
Von dem Obelisken ging nun ein schwarzer Nebel aus, der sich immer mehr zu eine riesigen, anfangs noch leicht verschwommenen Gestalt formte. Diese schlug nun ihre Handflächen zusammen und eine weitere Druckwelle wurde dadurch erzeugt.
„Vorsicht!“ rief Benjamin seiner Schwester zu. Die beiden stemmten sich mit aller Kraft gegen die Druckwelle und diesmal wurden sie nicht mehr so weit fortgeschleudert.
„Das muss Obislav sein!“ rief Pia. „Wir brauchen den Stab der Sternenfeen!“ Die Frau zog den Stab aus ihrem Beutel und hob ihn hoch. Noch einmal startete die schattenhafte Gestalt einen Angriff gegen sie. Dabei merkten die Geschwister, dass nicht nur ihre Körper, sondern auch ihr Geist von etwas angegriffen wurde. Kurz darauf schossen jedoch Sterne aus dem magischen Stab und bildeten erneut den leuchtenden Schutzschild um die beiden.
„Wir müssen den Obelisken zerstören, schnell!“ Benjamin hechtete nach vorne und schlug noch einmal mit dem mächtigen Hammer auf den Stein ein. Die Schmerzensschreie, die diesmal aus dem riesigen, mit spitzen Zähnen bewehrten Mund, der schattenhaften Gestalt drangen, gingen den beiden Helden durch Mark und Bein und erschütterten sie bis ins tiefste Innerste. Die Kreatur wollte nach ihnen greifen. Doch sie setzten sich tapfer zur Wehr und der Sternenschild schützte sie noch zusätzlich. „Schlagen wir noch einmal zu!“ rief Pia.
Obislavs schreckliche Fratze, senkte sich nun zu den beiden herab und seine gewaltigen Klauen kratzten über die Oberfläche des goldenen Schutzschildes. Er sah fürchterlich aus, mit seinem entstellten, augenlosen Gesicht und den überlangen Gliedmassen.
Doch Pia und Benjamin liessen sich davon nicht einschüchtern, sie waren fest entschlossen und immer wieder schlugen sie mit dem Streitkolben auf den Obelisken ein. Dieser bekam immer mehr Risse und schliesslich wurde er, begleitet von einem riesigen Getöse, in tausend Stücke gesprengt.
Gellendes Geschrei folgte darauf, während die furchterregende Gestalt von Obislav immer mehr in sich zusammensackte und sich schliesslich nur noch als wurmartiges Etwas vor ihren Füssen wand. Der schwarze Obelisk war zerstört worden!