Tartaloz' wahre Herkunft
Noch eine Weile blieben die Geschwister und ihre Freunde bei den Tannen, ein jeder in eine stille Zwiesprache mit den weisen Bäumen vertieft, doch dann wandten sie sich langsam zum Gehen.
Keiner sprach anfangs ein Wort, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Schliesslich ergriff Tartaloz das Wort. Er konnte sich nicht länger beherrschen. Er musste über das sprechen, was ihm die Goldenen Tannen gesagt hatten. An Makraloz gewandt fragte er: „Was meinst du haben sie damit gemeint, dass ich Markuloz und Hungoloz womöglich näherstehe, als ich denke?“ Makraloz, welcher selbst all die Geschichten über seinen Vater zuerst verarbeiten musste, meinte etwas mürrisch. „Ich weiss es auch nicht. Scheinbar hatte mein Vater noch mehr Geheimnisse als ich dachte. Aber deine Eltern werden es dir bestimmt sagen, wenn du sie fragst. Für Hungoloz und mich kommt das auch alles ziemlich überraschend. Vielleicht sind wir irgendwie näher verwandt.“ „Aber warum haben meine Eltern niemals mit mir über diese Dinge gesprochen?“ „Das weiss ich ebenso wenig wie du.“ „Wenn wir zurück im Dorf sind, muss ich sie unbedingt gleich fragen. Kommen du und Hungoloz mit mir?“ Makraloz wirkte etwas erstaunt, doch dann erwiderte er: „Wenn dir das wichtig ist, können wir das schon tun.“ „Das wäre sehr nett.“ Makraloz nickte freundlich und klopfte Tartaloz auf die Schulter.
Sogleich als die Reisegruppe in ihrem Dorf ankamen, steuerte Tartaloz auf ein mittelgrosses Baumhaus zu. Dieses war aus dunklem Holz gefertigt und mit Schindeln bedeckt. Ein etwas kleinerer, schmaler Elf, mit schütterem, dunkelbraunem Haar begrüsste dir herzlich. Mit seinen rehbraunen Augen sah er Tartaloz eigentlich gar nicht ähnlich. Er umarmte seinen Sohn und sprach zu den anderen: „Es ist mir eine besondere Ehre, euch in meinem Heim willkommen zu heissen. Meine Frau ist im Moment leider nicht da, aber bitte kommt doch herein!“
Tartaloz Vater, welcher sich Bankraloz nannte, führte sie in den Wohnraum und bat sie alle Platz zu nehmen. „Darf ich euch eine Erfrischung anbieten?“ fragte er. Tartaloz ignorierte die Frage und sprach ohne Umschweife: „Vater, ich hätte da eine wichtige Frage an dich! Wie du ja weisst, sind wir heute bei den Goldenen Tannen gewesen und da haben mir die heiligen Bäume etwas Seltsames gesagt.“ Er blickte zu Makraloz und Hungoloz herüber und diese nickten ihm aufmunternd zu. Der junge Elf berichtete nun alles, was er erfahren hatte. „Die Goldenen Tannen rieten mir dann, dich und Mutter zu fragen, was es mit alledem auf sich hat,“ schloss er seine Erzählungen.
Eine Weile herrschte bedrückendes Schweigen in der kleinen Wohnstube. Es war so still, dass man nur das leise Ticken der Uhr an der Wand vernahm. Dann seufzte Bankraloz leise. „Tja, nun ist es wohl soweit. Ich… dachte es bleibt noch etwas länger Zeit, um dir die Geschichte deiner Herkunft zu erzählen, doch nun wird mir wohl nichts anderes mehr übrigbleiben.“
Er senkte seinen Kopf und man merkte, wie schwer ihm die folgenden Worte fielen: „Mayra und ich, sind nicht… deine leiblichen Eltern. Wir haben dich vielmehr als kleinen Baby bei uns aufgenommen.
Damals lebten wir noch nicht in diesem Dorf hier, wir lebten im östlichen Wald, nahe der Grenze zum Zentral- Wald. Eines Tages…, lagst du einfach auf unserer Türschwelle. In deinem Körbchen befand sich ein Zettel, in dem uns jemand darum bat, uns um dich zu kümmern, weil deine Mutter selbst dazu nicht in der Lage sei. Wir wussten nicht, wer diese Frau war, die dich vor unserer Türschwelle ausgesetzt hat. Da jedoch unser eigener Kinderwunsch bisher nicht in Erfüllung gegangen war, wollten wir dich bei uns behalten. Eine Weile suchten wir noch nach deinen leiblichen Eltern, doch ohne Erfolg und so bist du bei uns aufgewachsen. Unser Wunsch nach eigenen Kindern, ging nie in Erfüllung und so gaben wir dir unser ganze Liebe. Du warst für uns wie ein leiblicher Sohn.“
Der braunhaarige Elf schwieg nun und eine Weile herrschte Totenstille. Niemand wusste so richtig was er sagen sollte. Tartaloz starrt tief erschüttert vor sich hin. Das alles war nicht leicht zu verdauen. Dann jedoch, kam ihm ein Gedanke: „Kann es sein, dass meine leibliche Mutter oder vielleicht auch mein leiblicher Vater, mit Markuloz oder Hungoloz verwandt waren? Die Tannen sagten doch, dass ich ihnen vielleicht näherstehe, als ich denke.“
Sein Blick schweifte über Hungoloz, der ihn freundlich anblickte und dessen Vater. Letzterer wirkte auf einmal etwas unsicher oder meinte Tartaloz das womöglich nur?
„Ich kann es dir leider nicht sagen,“ erwiderte Bankraloz betrübt. „Nur das hier, hast du um den Hals getragen.“ Er ging zu einer dunklen Eichentruhe und holte eine Kette, mit einem goldenen Medaillon daran, hervor. Eine mächtige Tanne, war in das Medaillon eingraviert und zwei Tauben flogen darüber hin, die ihre Schnäbel aneinanderhielten, als wären sie ein Liebespaar. Als Makraloz das Schmuckstück sah, sprang er ungläubig auf und riss es Bankraloz aus der Hand.
„Aber…bei den Göttern, das kann… doch nicht sein!“ rief er aus. Alle blickten Hungoloz‘ Vater erschrocken an. „Ich kenne… dieses Medaillon…“ sprach dieser wie in Trance und liess sich zurück in seinen Sessel sinken.
„Du… kennst es?“ fragte sein Sohn, hellhörig geworden. „Ja… Aber… ich dachte, ich wollte… bei allen guten Geistern…“ stammelte Makraloz. „Sag uns, was es damit auf sich hat!“ rief Tartaloz, nun ziemlich ungeduldig. „Ich will endlich wissen, was die Goldenen Tannen meinten!“
Makraloz zögerte einen Moment und seine Augen huschten unruhig zwischen Hungoloz und Tartaloz hin und her. „Ich… habe dieses Medaillon einst einer Frau geschenkt. Das war, nachdem deine Mutter verstorben ist,“ sprach es leise zu seinem Sohn. Hungoloz riss die Augen auf. „Du hattest nach Mutter noch eine andere Frau?“ „Ja…, so etwas kann manchmal geschehen.“
„Aber ich dachte, du hast, nach ihr, nie mehr jemanden anderen geliebt.“
„Doch ich habe noch eine weitere Frau geliebt, auch wenn ich dir das niemals gesagt habe. Ihr Name war Mandalina. Sie war… wunderschön mit grossen, blauen Augen, wie deine Mutter und blondem, langem Haar, das im Sonnenlicht strahlte.“
„Erspare uns die Details!“ schnaubte Hungoloz. „Mich würde vielmehr interessieren, wie dieses Medaillon an Tartaloz‘ Hals gekommen ist.“
„Das… weiss ich auch nicht aber…“
Makraloz Augen weiteten sich „…wenn dieses Medaillon tatsächlich dasselbe ist, das ich Mandalina damals schenkte dann… oh bei den Göttern!“ Alle Anwesenden starrten einander an und doch wagte lange niemand von ihnen, die unglaubliche Wahrheit auszusprechen.
Schliesslich erholte sich Tartaloz wieder von seinem Schock und stammelte mit belegter Stimme: „Wenn dies das Medaillon meiner leiblichen Mutter war, dann musst du Makraloz, ja mein… Vater sein!“