Kurz darauf, schreckten sie jedoch wieder hoch, denn auf einmal erklang, unmittelbar über ihnen, ein lautes Kreischen. Ein dunkler Schatten schob sich über sie und sie blickten nach oben. Durch die Nebelfetzen konnten sie zuerst nicht richtig erkennen, was sie da genau angriff. Dennoch machten sie sich zu einem Gegenschlag bereit. Schliesslich erkannten sie einen der selben, schwarzen Riesenvögel, die einstmals Maleks Schloss bewacht hatten, als dieser noch böse gewesen war. Die roten Augen der Kreatur funkelten durch die Finsternis und ihre ledrigen Schwingen rauschten, als sie auf sie Geschwister herabstiess. Die langen Klauen waren bedrohlich gespreizt.
Benjamin stiess mit dem Schwert nach ihm und verfehlte ihn nur knapp. Der Vogel drehte nochmals eine kurze Runde und setzte dann zu einem weiteren Angriff an. Pia packte den Weissen Diamantdolch fester. Als der boshafte Vogel zurückkam, machte auch sie sich damit zur Gegenwehr bereit. Und dann geschah etwas vollkommen Unerwartetes: Der Dolch verwandelte sich auf einmal in einen Speer und dieser bohrte sich tief in das Herz des Angreifers! (Anmerkung der Autorin: Der Weisse Diamantdolch, wurde von den Greifen noch mit einem zusätzlichen Feature ausgerüstet. Er kann seine Form nun, je nach Bedarf, verändern. Dazugehörige Textpassagen wurden bereits angepasst!)
Der Vogel kreischte schmerzerfüllt auf und torkelte noch eine Weile unkontrolliert in der Luft hin und her, bis er schliesslich hinab in die Tiefe stürzte.
Die Geschwister blickten voller Erstaunen auf die magische Waffe, die sich nun wieder in ihre alte Form zurückverwandelt hatte. „Was ist da gerade passiert?“ fragte Pia.
Benjamin erwiderte grinsend: „Es scheint fast so, als hätten die Greifen dem Dolch einige interessante, neue Eigenschaften verpasst. Der Wasser Greif sagte zwar schon, dass der Dolch seine Form verändern kann, aber das war jetzt doch eine ziemliche Überraschung.“
Er unterbrach sich, denn schon wieder vernahmen sie lautes Gekreische. Diesmal waren es sogar zwei der schrecklichen Vögel, die sie angreifen wollten.
„Ich habe eine Idee!“ rief Ben. „Die Kreaturen könnten uns den Weg nach da unten verkürzen. Halten wir uns doch einfach an ihre Klauen fest und lassen uns hinabtragen.“
„Aber, ist das nicht zu gefährlich? Diese Viecher könnten uns ja weiss wohin verschleppen.“
„Wenn ich so ihre Grösse betrachte, im Verhältnis zum Gewicht unserer Körper, dann denke ich nicht, dass sie sich lange in der Luft halten können, wenn wir an ihnen dranhängen.“
„Aber was, wenn sie zu schnell abstürzen?“
„Dafür sind sie wiederum zu gross und zu kräftig.“
„Meinst du wirklich?“
„Ich denke schon! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ausserdem tragen wir ja die Gewänder. Wird schon schiefgehen.“
„Also gut, versuchen wir es. Du nimmst den Rechten, ich den Linken!“ Während die Vögel zum Angriff ansetzten, wehrten sie diese also weiterhin ab, warteten jedoch, bis sie nahe genug bei ihnen waren.
„Jetzt!“ rief Benjamin, machte einen Sprung in Richtung des einen Vogels und griff nach dessen Klauen. Pia tat es ihm nach kurzem Zögern nach und packte die Füsse des anderen Vogels. Wie vermutete konnten sich die Kreaturen, durch das zusätzliche Gewicht, nicht mehr gut in der Luft halten und flatterten hilflos, während sie wütend kreischend zum Sinkflug ansetzten. Der Erdboden kam ziemlich schnell näher und die Geschwister entschieden sich früh genug abzuspringen und sich gut abzurollen. Und tatsächlich! Es gelang ihnen! Auf einem weiteren, schwarzen Geröllfeld landeten sie. „Gut gemacht!“ freute sich Benjamin. Dann blickten sie sich um.
Die dunkle Macht des Obislav
Der Anblick, der sich ihnen hier jedoch darbot, liess ihren Mut sogleich wieder sinken. Noch immer zogen überall die dunklen Nebelschwaden dahin. Doch etwas weiter vorne, erblickten sie ihn auf einmal: Den schwarzen Obelisken! Er stand auf einer kleinen Insel, inmitten eines schmutzig grünen, niedrigen Gewässers. Er war aus blankem, schwarzem Gestein gefertigt, ganz ähnlich wie damals der Tempel des bösen Priesters Skarion.
An seinem Fusse, wuchsen riesige, oktopusartige Pflanzen, die ihre Arme nach allen Seiten ausstreckten und sich über die Ebene ausbreiteten. Diese Arme umfingen auch den Obelisken selbst und es war deshalb beinahe unmöglich sie zu durchdringen, um an den verderblichen Monolithen heranzukommen. Wie also sollten sie ihn jemals zerstören können?
„Das… sieht gar nicht gut aus,“ sprach Benjamin tief erschüttert. „Wir können nichts gegen die Pflanzen tun, denn wir haben weder Feuer noch andere Mittel, um sie wirklich zu vernichten. Wenn uns einer dieser Tentakel erwischt, dann ist unser Schicksal besiegelt. Bestimmt sind das fleischfressende Pflanzen. Anschleichen wird auch nicht gehen. Die Pflanzen leben bestimmt in einer Art Co- Existenz mit dem Obelisken.“
Er musterte den gewaltigen Steinmonolithen von oben bis unten. „Da drin scheint sich etwas zu bewegen. Siehst du es?“
Tatsächlich wand sich hinter der glasigen Oberfläche des Obelisken ein dunkles Etwas, das jedoch keine wirkliche Form zu haben schien. „Das muss Obislav sein. Ob er uns schon hat kommen sehen?“
„Ich weiss auch nicht.“
Einen Moment lang standen die Geschwister ratlos da, als die Frau auf einmal einen warmen Schein an ihrer Brust spürte. Sie schaute nach Solaria, die sich scheinbar wieder erholt hatte und gleich darauf hörte sie deren sanfte Stimme in ihrem Inneren: „Lasst mich das für euch erledigen. Ich fühle mich wieder neu gestärkt. Mein Licht wird die Pflanzen vernichten, so dass ihr an den Obelisken herankommt.“
„Aber… das geht nicht!“ widersprach ihr Pia. „Das könnte deinen Tod bedeuten.“
„Das spielt keine Rolle. Ich bin gerne bereit mich für die Rettung des Omniversums zu opfern.“
„Aber… das können wir nicht zulassen.“
„Doch das könnt ihr. Es ist meine eigene Entscheidung. Was wollt ihr sonst tun?“
Pia schilderte ihrem Bruder, was Solaria ihr gesagt hatte und ein Schatten der Trauer fiel über Benjamins Gesicht. „Auch wenn ich es schrecklich finde, so muss ich doch leider zugeben, dass Solaria wohl recht hat. Es gibt… keine andere Möglichkeit. Mit unseren Waffen, können wir den Pflanzen und ihren vielen Tentakeln wohl nicht beikommen. Ausser…“ Er überlegte nochmals angestrengt: „Wir lassen uns von den Tentakeln heranziehen und töten die Pflanze, wenn wir nahe genug an deren zentralem Fruchtkörper angekommen sind.“
„Wenn sie uns denn nur heranzieht und uns unterwegs nicht zu Tode quetscht,“ gab Pia zu bedenken.
„Das Risiko müssen wir wohl eingehen, ausserdem tragen wir ja die Gewänder der Klarheit.“
„Aber… sollte es dennoch misslingen,“ widersprach Solaria nun, so dass es die Geschwister beide hören konnten: „Dann gibt es niemanden mehr, der den Obelisken zerstören könnte. Dazu reicht meine Kraft nämlich nicht aus. Die Pflanzen jedoch, könnte ich vernichten.“
„Aber wenn wir das so machen, dann stirbst du vermutlich.“
„Wie gesagt, das ist meine Entscheidung.“
„Wir können das nicht zulassen!“ widersprach Benjamin. „Wir versuchen es anders. Oder was meinst du Pia?“ Die Frau nickte zustimmend.
In diesem Augenblick jedoch, schlüpfte die kleine Sonnenkugel aus ihrer Tasche und flog schnurstracks und mit rasend schnellem Tempo auf den Obelisken zu.
„Nein!“ rief Pia „Solaria! Warte!“ Doch die Sonnenfee hörte nicht auf sie. Sie liess nun ihr Licht in seinem ganzen Glanz erstrahlen und als dieses die Tentakel Pflanzen traf, wurden diese davon sogleich versengt und unter einem unheimlichen, zischenden Geräusch, wie von Schlangen, zerfielen sie zu Asche.
Die kleine Sonnenfee gab alles, was sie konnte, um auch noch den letzten Rest der Pflanzen zu vernichten, dann jedoch spürte sie, wie erneut eine schreckliche Schwäche sie durchfloss und sie fiel, einmal mehr, zu Boden. „Solaria!“ Pia lief, ohne lange darüber nachzudenken los. Ben folgte ihr.
Je näher sie dem gewaltigen Obelisken jedoch kamen, umso stärker zerrten dessen böse Mächte, an ihren Körpern und Seelen. Sie erschienen den Geschwistern wie schreckliche, kalte Totenhände, die jedes Lebewesen, das sich nicht dagegen zu schützen vermochte, ergriffen, es in ihren Bann zogen und auf jegliche, erdenkliche Weise vernichteten.
Zum Glück trugen sie die Gewänder der Klarheit, sonst hätten sie dem Übel hier niemals standhalten können.
Pia watete durch das niedrige, schmutzige Gewässer. Dort hob sie die, zum Glück noch immer schwach glimmende Fee, sogleich hoch und drückte sie an ihr Herz. Doch Solaria schien wirklich stark geschwächt zu sein.
Tränen liefen Pia über die Wangen. „Solaria, Solaria! Warum nur hast du das getan? Wir hätten doch bestimmt eine andere Lösung gefunden.“
Die Fee antwortete jedoch nicht, sie war zu schwach.
Benjamin lief zu seiner Schwester und legte den Arm tröstend um sie. „Wir müssen versuchen, sie mit unserer Lebensenergie zu stärken,“ sprach er. Dann legte auch er eine seiner Hände an die kleine Lichterkugel. Er und seine Schwester konzentrierten sich und liessen der Fee ganz bewusst ihre Heil- und Lebensenergie zufliessen. Hier an diesem Ort, war das jedoch gar nicht so einfach, denn die destruktive Kraft, welche von dem Obelisken und seinem Geist ausging, verpestete alles.