Das Portal ins Zuckermeerreich
Pia, die Benjamins Verlegenheit spürte, wechselte das Thema und sprach: „Vielen Dank, für eure Hilfsbereitschaft liebe Nymphen. Ich würde auch gerne etwas von dem Kraut haben.“
„Und ich auch!“ sprach Malek.
Als alle festgestellt hatten, dass die magischen Pflanzen tatsächlich wirkten, stiegen sie langsam zu den beiden Nymphen ins Wasser. Sie waren froh, trugen sie die Gewänder der Klarheit, denn es schien ziemlich kalt zu sein.
„Alles klar!“ rief Kiranda „dann folgt uns jetzt einfach!“
Eine wundersame Welt eröffnete sich nun den Freunden. Auch wenn das Wasser nicht mehr gar so glasklar war, konnten sie dennoch ziemlich weit sehen. In den niedrigeren Wasserzonen wuchsen eine Menge hellgrüne Wassepflanzen, die sich in der Bewegung der sanften Wellen anmutig hin und her bewegten. Teilweise war der Boden dicht bewachsen und bunte, grosse Steinbrocken, lagen da und dort. Das Sonnenlicht fiel durch die Wasseroberfläche und brach sich in leuchtende durch die Algen, etwas grünlich wirkenden, Strahlenbündeln. Es gab viele bunte Fische. Einige waren erstaunlich gross und liessen sich sogar von den Freunden streicheln. Je tiefe sie jedoch kamen, desto dunkler wurde es und desto weniger Vegetation war noch zu erblicken.
Die Nymphen führten sie zur Mitte des Teiches, wo das Gelände auf einmal beinahe senkrecht abfiel. Es war, als würden sie in eine Höhle hineinschwimmen. Da und dort aber, wurde die Finsternis erhellt durch ein goldenes Licht. Als sie näher hinschauten, stellten sie überrascht fest, dass es tatsächlich Korallen waren, die dieses Licht verströmten. „Das sind jetzt eben die Licht- Korallen,“ erklärte Miranda den Freunden. „Sind sie nicht wunderschön?“
„Ja wirklich!“ rief Pia entzückt und blickte sich verzaubert um. Sie befanden sich nun in einem Art Unterwassergang, der tief ins Erdinnere führte. Schliesslich erweiterte sich der Gang erneut zu einer riesigen Grotte und hier stand tatsächlich ein wundervolles, aus den leuchtenden Korallen bestehendes, Schloss! Wie ein goldenes Kleinod erhellte es die Finsternis und auch hier gab es immer noch Leben. Einige niedrigere, buschige Pflanzen wuchsen am Boden und auf den Felsen, denen das Licht, welches das Schloss absonderte, scheinbar reichte. Auch einige Fische und Krebse entdeckten sie, deren glänzende Panzer und Schuppen, den goldenen Schein der Nymphen Behausung zurückwarfen.
Miranda tauchte kurz hinab auf den Grund und kam mit einer Muschel zurück. Sie küsste die Muschel sanft und diese öffnete sich sogleich. In ihrem Inneren lag eine funkelnde Perle. Sie lächelte Benjamin zu und reichte ihm die Perle, die so gross wie sein Daumennagel war. Der blonde Mann bedankte sich bewegt und sprach: „Sie ist wunderschön!“
„Es gibt hier eine Menge von ihnen,“ meinte die Nymphe, seltsam verlegen. „Aber die Muscheln geben sie nur frei, wenn man ihnen mit Liebe und Respekt begegnet.“
„Darf ich es auch einmal probieren?“ fragte Pia begeistert.
„Wenn du willst.“
Pia tauchte ebenfalls auf den Grund der Höhle und suchte nach einer Muschel. „Meint ihr, es hat hier auch eine Perle drin?“ wollte sie, an die Nymphen gewandt, wissen. Kiranda legte die Hand auf den Deckel der Muschel und schloss die Augen. „Es könnte gut sein, versuch es doch einfach!“
Pia nahm die Muschel liebevoll in ihre flache Hand und konzentrierte sich darauf dieser ihre ganze Liebe zufliessen zu lassen. Dann küsste sie die Muschel, wie es vorhin Miranda getan hatte und tatsächlich…! Die Muschel öffnete sich und gab eine weitere, wunderschöne Perle frei!
„Sehr gut gemacht,“ sprachen die Nymphen. „Du hast dafür ein Händchen.“ „Das stimmt,“ bestätigte Benjamin „Pias Liebe zu allen Wundern des Lebens, war schon immer besonders.“
„Das merkt man. Eigentlich hätten wir euch gerne noch etwas länger zu uns eingeladen. Aber die Zeit drängt. Wir bringen euch jetzt zum Portal!“ Die Nymphen schwammen an dem Schloss vorbei und auf eine weitere, dunkle Öffnung zu, die in eine weitere Grotte führte. Der Grund stieg nun ziemlich steil an und kurz darauf befanden sie sich auf festem Boden! „Hier hat es gar kein Wasser mehr!“ freuten sich die Freunde. „Das ist natürlich praktisch für uns.
„Es geht jetzt eine Weile auf trockenem Grund weiter,“ erklärten die Wassergeister „bis wir an den Portalsee kommen. Es ist nicht mehr weit, kommt!“
Die fünf durchquerten mehrere trockene Höhlen. Ein Bachlauf folgte ihnen dabei. Sein Bett leuchtete wie die Leuchtkorallen und das klare Wasser darin glitzerte magisch. Es sah wirklich wundervoll aus! Irgendwie so... unwirklich.
Nach einige Zeit gelangten sie an einen tiefen, klaren See. Ganz unten auf seinem Grund, leuchtete hell, eine kreisrunde Öffnung.
„Das dort ist das Portal. Es führt euch direkt ins Zuckermeerreich!“ sprachen die Nymphen. „Hier werden wir wieder umkehren.“
„Kommt ihr denn nicht mit uns?“ wollte Pia traurig wissen.
„Nein, es ist für uns mittlerweile zu gefährlich geworden, ins Meeresreich zu reisen.“ „So schlimm ist es schon?“
„Ja, ziemlich schlimm. Die Undinen sind uns sehr feindlich gesinnt, im Augenblick. Ihre neue Anführerin Alwiana scheint sehr kämpferisch zu sein. Man nennt sie deshalb auch Die Amazone der Meere.“
„Hat sie diesen Krieg angezettelt?“ „Es sieht beinahe so aus. Seid auf jeden Fall vorsichtig!“
„Uns wird schon nichts passieren,“ meinte Benjamin zuversichtlich und sprang ins Wasser. Pia und Malek folgten ihm. Sie wandten sich nochmals zu den Nymphen um und bedankten sich herzlich bei ihnen. „Viel Glück! Mögen die Grossen Geister der Gezeiten bei euch sein!“ erwiderten die Nymphen leise und hoben ihre Hände zum Abschiedsgruss. Dann drehten sie sich um und gingen wieder zurück, während die drei Helden immer weiter hinab zum Portal tauchten.
Als sie sie durchquerten geriet das Wasser um sie herum auf einmal in Bewegung und bildete einen heftigen Wirbel, der sie unbarmherzig, immer tiefer, in den Schlund des Portals hineinsog. Es wurde ihnen schwindlig, als die Wassermassen sich so schnell um sie herum drehen und schliesslich schmeckten sie Salz auf ihren Lippen.
„Das ist Meerwasser!“ rief Benjamin und versuchte irgendwo Halt zu finden, doch der Wirbel zog ihn und die anderen, unbarmherzig weiter, bis sich das Wasser schliesslich endlich wieder beruhigte und in ein sanftes, rhythmisches Schaukeln überging.
Kurz darauf fanden sie sich wieder im Zuckermeerreich!