Auch Zyklopus und der Priester versuchten nun die Gefahrenzone so schnell als möglich zu verlassen, während um sie herum Blitze tobten und Donner grollten.
„Da unten ist Zyklopus!“ schrie Pia „er hat es geschafft Gottseidank!“
„Ist das bei ihm dieser Priester?“ fragte Benjamin.
„Ja, sieht ganz so aus. Jedenfalls wissen wir jetzt, dass dieser nicht Xandrax ist. Xandrax oder vielmehr der Fahle Ritter, scheint von der Statue Besitz ergriffen zu haben. Das Ganze ist echt unheimlich.“
„Das kann man wohl sagen,“ pflichtete ihr Malek bei. „Doch der Greif ist unglaublich!“
Sie blickten voller Ehrfurcht nach oben, wo das gewaltige Mischwesen seine Kreise zog. „An ihm könnte sich der Ritter wirklich die Zähne ausbeissen.“ „Ich hoffe es,“ meinte Benjamin. „Aber schaut! Was passiert da?“
Voller Entsetzen sahen die Freunde nun, wie die gewaltige Xandrax Statue immer mehr und mehr zu wachsen begann. Schliesslich war sie so gross, dass sie den Greif, der nun sogar etwas kleiner als sie war, erreichte. Der Böse holte mit seinem mächtigen Arm aus und versuchte das Mischwesen mit seiner Hand zu packen. Doch dieses wich ihm mit der Geschicklichkeit des Adlers aus und sandte nun seine Donner- und Blitzattacken direkt gegen den Feind und nicht mehr gegen den Tempel.
Die ersten Angriffe prallten jedoch von einem Schutzschild, den der Ritter um sich herum errichtet hatte, ab.
Der Greif legte sich noch mehr ins Zeug. Es hagelte, blitzte und regnete gleichzeitig. Ausserdem erzitterte der Boden unter den Füssen der Xandrax Statue immer wieder, so dass diese drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Die Erde wand sich unter ihr, wie ein lebendiges Wesen. Risse entstanden, die auch noch den Rest des Tempels verschlangen und dem schwerfälligen Steinritter das Stehen erheblich erschwerten.
Auf einmal verwandelte sich dieser dann tatsächlich wieder in Fleisch und Blut zurück!
Zyklopus schaute erschrocken zu dem Fahlgewandeten empor, der nun wieder einiges behänder war. Geschickt balancierte er sich aus und sandte eine seiner mächtigen Attacken gegen den Greif. Das Mischwesen wich jedoch erneut aus. Die Geschwister beobachteten, tief beeindruckt, dessen Anmut und Geschicklichkeit.
„Dieser Kampf wird wohl eine ganze Weile dauern,“ meinte Benjamin.
Zyklopus hatte sich nun wieder zu seinen Freunden gesellt und von ihrem erhöhten Standpunkt aus, hatten sie nun alle einen guten Überblick über das ganze Geschehen.
„Das war echt knapp!“ sprach der Riese. „Xandrax bzw. der Fahle Ritter wollte mir gerade den Garaus machen, als die Angriffe des Greifs begannen.“
„Oh mein Gott!“ rief Pia entsetzt. „Der Ritter ist dir also tatsächlich auf die Schliche gekommen?“
„Ja, scheinbar soll er schon länger gewusst haben, dass ich kein wahrer Jünger seiner verderbten Gemeinschaft bin. Wahrscheinlich war ich in dieser Rolle einfach zu wenig überzeugend.“
„Wir sind auf jeden Fall sehr, sehr froh, dass dir nichts passiert ist,“ sprach Malek. „Du bist ein grosses Risiko eingegangen und wir schulden dir Dank.“ „Ich schulde wohl eher euch Dank! Ihr wart es schlussendlich, die den Greif gefunden und hergebracht habt.“
„Was ist eigentlich mit den Priester?“
„Ach der, der muss wohl zuerst verdauen, dass sein Gott, dem er so lange so treu gedient hat, nur ein Scharlatan ist. Meinen anderen Riesen- Geschwistern geht es wohl ähnlich. Selbst schuld, wenn sie sich von so einer schrecklichen Kreatur beeinflussen lassen. Ich hoffe nur, sie werden bald wieder zur Vernunft kommen und die Zwerge endlich in Ruhe lassen.“
„Das hoffen wir auch,“ gab Ben zurück. „Vielleicht wird der Erden- Greif, sie alle nochmals tüchtig ins Gebet nehmen, wenn er Xandrax besiegt oder vertrieben hat. Bisher scheint es jedoch, als ob er und der Fahle Ritter, ebenbürtige Gegner wären.“
„Vielleicht will unser Greif aber auch einfach etwas seine Kräfte schonen,“ warf Malek ein.
„Denkst du?“
„Ja. Ich glaube, da ist noch viel mehr Potenzial. Ich, der ich selbst zauberkundig bin, spüre das.“
„Dann hoffen wir jetzt also mal, dass dein Magier- Sinn sich nicht täuscht.“
„Ich glaube nicht,“ erwiderte Malek überzeugt. „Der Greif besitzt viel mehr unterschiedliche Energien, die er anzapfen kann, weil er seine Macht aus einer einiges reicheren Quelle bezieht als der Ritter. Dadurch besitzt er auch mehr innere Stärke. Ich glaube er will den Fahlgewandeten vor allem müde machen und zielt darauf ab, dass jener seine Vorsicht vergisst. Man sieht ja, wie unbeherrscht und jähzornig der Ritter bereits ist. Der Greif allerdings, lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen.“
„Dennoch wirkt er auch sehr zornig,“ gab Pia zu bedenken.
„Schon. Aber der Zorn beherrscht ihn nicht. Schaut nur wie souverän er alle Angriffe des Ritters blockt oder ihnen ausweicht!“
„Ja,“ schwärmte Zyklopus „er ist wahrlich ein herrlicher Anblick! Kein Wunder, dass er und seinesgleichen, eine so enge Beziehung zum Grossen, göttlichen Geist haben. Diese Geschöpfe besitzen einen unglaubliche Menge an Eigenschaften und Fähigkeiten und wissen ganz genau wie sie sich diese dienstbar machen können.
Wenn man bedenkt…, dass es insgesamt nur vier dieser Wesen im ganzen Omniversum gibt! Sie sind schon seit ewigen Zeiten da und bestimmt viel, viel älter, weiser und erfahrener als diese Ritter.“
Malek behielt tatsächlich recht! So langsam verlor der vermeintliche Xandrax seine Selbstbeherrschung und ermüdete auch immer mehr. Der Greif jedoch schien noch voller Vitalität zu sein. Problemlos blockte er die immer weniger koordinierten Angriffe des Ritters. Und… ohne dass dieser es anfangs merkte, zog das Mischwesen immer engere Kreise um ihn herum. Dabei steigerte er sein Tempo immer mehr, immer mehr! Schliesslich konnte man nur noch einen goldenen Wirbel erkennen, der sich um den Fahlgewandeten herum drehte. Der Ritter schien sichtlich durcheinander und konnte ihm mit seinen Augen gar nicht mehr folgen. Er versuchte mit seiner gewaltigen Hand nach ihm zu greifen, wollte ihn mit irgendwelchen Attacken stoppen. Doch alles war vergebens. „Mein Gott! Was für ein Tempo!“ rief Benjamin begeistert. „Mir wird ganz schwindlig, bei diesem Anblick.“
„Ich glaube dem falschen Gott geht es nicht besser!“ lachte Zyklopus. „Bestimmt wird ihm bald sterbensübel!“
Tatsächlich war der Fahle Ritter vollends von der Taktik des Greifs überfordert. Neben dem Schwindel, der ihn immer mehr ergriff, spürte der Böse jetzt einen enormen Luftdruck, der sich mehr und mehr um ihn herum aufbaute und ihn mit der Zeit vollends ausser Gefecht setzte. Der Druck wurde immer stärker und stärker und noch immer hörte der Greif nicht auf seine wilden Kreise zu ziehen. Die Luft wurde dabei immer mehr zu einem gewaltigen Wirbelsturm, der den Fahlgewandeten schliesslich von den Füssen riss! Schreiend und hilflos mit seinen Armen rudernd, donnerte dieser zu Boden.
Der Greif hatte erreicht was er wollte und hielt nun in seinem wilden Flugmanöver inne.
Er breitete seine Schwingen aus und kreischte zum Himmel empor: „Licht des Himmels, so eile herbei, das Ende der Bosheit nun endlich sei!!“
In diesem Augenblick, schoss ein gleissender Lichtstrahl vom Himmel und raste auf den bösen Ritter zu. Frustriert schrie dieser auf und dann, ehe ihn der Strahl jedoch treffen konnte…, löste er sich einfach in Luft auf!