Sorgenvolle Gedanken
Manuel
Der Ton in Benjamins Stimme, gefiel mir gar nicht und sogleich rannte ich ins Haus, um meine Eltern zu rufen. Doch dann war der seltsame Spuk am Himmel, auch schon wieder vorbei. Ausserdem waren meine Eltern sowieso schon herausgestürzt gekommen, als sie den Knall vernahmen. Sie fragten entsetzt: „Was war das bloss?!“
„Wir wissen es auch nicht, da war so etwas Seltsames am Himmel, wie ein schwarzes Loch sah es zuerst aus, doch dann raste irgendein dunkler Himmelskörper auf die Erde. Er muss jedoch irgendwo, weit weg von hier, eingeschlagen haben,“ gab ich zurück. „Ein Himmelkörper?“ Ich nickte und schaute herüber zu Benjamin und Pia, welche irgendwie sehr bleich geworden waren.
Benjamin sprach: „Nun… jedenfalls ist es wieder vorbei und wir warten jetzt einfach mal ab, ob wir Morgen etwas in den Nachrichten hören. Geht ihr nur schlafen! Pia und ich bleiben noch etwas auf!“ Ich wollte widersprechen, doch als ich Benjamins Blick sah, spürte ich irgendwie, dass Widerspruch gerade nicht angebracht war. So nickte ich und ging mit meinen Eltern wieder hinein.
Natürlich aber, konnte ich nicht einschlafen. Die ganze Zeit wälzte ich mich unruhig hin und her und sah immer wieder diesen dunklen Himmel, diesen seltsamen Himmelskörper, vor meinem inneren Auge. Leise schlich ich zum Fenster, welches aufs Meer hinaus gerichtet war und blickte hinaus, auf den glänzenden Spiegel, der nächtlichen See.
Auf einmal jedoch, horchte ich auf. Ich hörte Pia und Benjamin leise unter mir miteinander sprechen: „Das beunruhigt mich alles sehr,“ sprach Benjamin „Dieses Zeichen am Himmel, dieser Himmelskörper. Das muss was zu bedeuten haben. Meinst du, die Zeit der Umwälzung beginnt?“
Pia erwiderte: „Ja, es könnte sein. Ich glaube, wir müssen zu Malek und ihn um Rat fragen. Er weiss am ehesten was zu tun ist und was da läuft.“
„Was machen wir mit Manuel und seinen Eltern, müssten wir sie nicht informieren?“
„Ich weiss nicht. Vielleicht kommen sie dann in Panik und das wollen wir ja auch nicht. Ausserdem…“ Ben räusperte sich hörbar „würden sie uns vermutlich nicht mal glauben. Die würden uns doch für verrückt halten, wenn wir das erzählen.“
„Ja, da hast du auch wieder Recht. Obwohl bei Manuel habe ich irgendwie das Gefühl, er könnte es verstehen. Es ist etwas ganz Besonderes an ihm. Er kommt mir irgendwie so vertraut vor, als ob wir enger verbunden wären, als gedacht. Das letzte Mal, war er noch ein kleiner Junge, da ist mir das nicht so aufgefallen doch nun… er hat sich wirklich sehr verändert und irgendwie sehr entwickelt.“
Ich hörte Benjamin leise lachen „Ist er nicht etwas zu jung für dich?“ meinte er dann scherzend und mein Herz klopfte auf einmal schneller.
„Blödmann!“ rief Pia und es klang, als gäbe sie ihrem Bruder einen Klaps.
„Doch nicht so, du weisst, es gibt da jemand anderen, den ich nicht vergessen kann.“
„Du meinst deinen Waldelfen- Prinzen?“
„Ja…“ Pia schien verlegen zu werden und mir gab es einen Stich ins Herz.
Sie hatte also schon jemanden, der ihr Herz besass? Wer mochte der Glückliche wohl sein? Ausserdem… ein Waldelf? Wie konnte sowas sein? Waldelfen waren doch Gestalten aus Märchen und Sagen?
„Ich kann Hungoloz einfach nicht vergessen,“ fuhr Pia fort. „Seine goldenen Augen, sein strahlendes Lächeln, sein edles Wesen, seine schlanke, hochgewachsene Gestalt, die strohblonden Haare. Ich stehe wohl eher auf den hellen Märchen-Typ.“
Pia schwieg einen endlos langen Moment und ich konnte mir vorstellen, dass sie wieder ganz in Erinnerungen versunken war. Und so war es auch.
Pia
Die Welt der Waldelfen ist wunderschön. Hungoloz stammte aus einem Dorf gebildet aus Baumhäusern. Dieses waren harmonisch in die Natur eingefügt worden, mit geschwungenen Balkonen, die der Bewegung der mächtigen Baumriesen angepasst waren, welche ihre gewaltigen Äste, über eine grosse Lichtung breiteten. Diese Lichtung, war eigentlich der Hauptmittelpunkt der gastfreundlichen, zutiefst naturverbundenen Waldelfen, welche vorwiegend hochgewachsen und schlank sind. Ihre Ohren sind spitzig und ihre Gesichter meist sehr schön und ebenmässig.
Damals, als wir bei unserem wunderbaren Meister Ululala in der Ausbildung waren, da lernten wir Hungoloz kennen. Ich vergesse nie den Augenblick, als ich ihn das erste Mal sah. Auch er war bei Ululala dem grossen, weisen Magier des Kristallreiches, gerade in der Lehre. Ben und ich mussten innerst kürzester Zeit, die Sphärenwanderung erlernen, denn uns war von höheren Mächten der Auftrag zuteil-geworden, das legendäre „Medaillon der vier Naturgewalten“ zu beschaffen und dazu, mussten wir in verschiedenste Welten des Omniversums, reisen lernen.
Tatsächlich schafften wir es dann auch und nach einer langen Odyssee, durch vielen Ebenen des Omniversums, schafften wir es tatsächlich, das Medaillon zusammenzufügen und dadurch vielen armen Seelen eine wichtigen Dienst zu erweisen.
Damals als wir Ululala wieder verliessen, schenkte uns Hungoloz einen goldenen Tannzapfen, welcher von einer heiligen, goldenen Tanne stammte, die das Waldvolk schon ewig verehrte und um Rat gefragt hatte. An uns war es schliesslich, die Samen des Zapfens zu säen, um die Nachkommenschaft der bereits uralten Tanne, zu sichern.
Wir hielten uns dann auch noch eine Zeit lang im Reich der Waldelfen auf, doch leider sah ich Hungoloz seit jener Zeit nur noch ein einziges Mal. Damals kamen wir uns etwas näher und seither konnte ich keinen anderen Mann mehr richtig lieben. So lange ist das nun schon her, so lange und doch erscheint es mir, als wäre es erst gestern gewesen. Warum nur sind wir seither nie zurückgekehrt? Vielleicht weil wir ständig dachten, dass wir bald sowieso zurückgerufen würden, wenn sich all die Prophezeiungen, im Bezug auf bevorstehende Ereignisse im Omniversum, welche man uns damals machte, bald erfüllen würden? Irgendwann haben wir es einfach nicht mehr probiert, weil so viel anderes unsere Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hat. Wir dachten, all das würde doch niemals geschehen und nun ist da doch dieser seltsame, dunkle Stern vom Himmel gefallen…
„Dachte ich es mir doch,“ riss mich Benjamins Stimme aus meinen Erinnerungen. „dein Herz scheint wirklich noch sehr an diesem Waldelfen zu hängen.“ „Ja, so ist das wohl. Ich habe einfach nie mehr jemandem wie Hungoloz getroffen. Du weisst ich habe es versucht.“ „Ja ich weiss,“ gab mein Bruder verständnisvoll zurück.“
„Ach, ich vermisse alle so sehr Benjamin, aber ich weiss nicht, ob wir schon zurückkehren können.“
„Dann versuchen wir es doch einfach,“ sprach Benjamin.
„Am liebsten würde ich gleich aufbrechen, aber wir können das Manuel und seinen Eltern auch nicht antun, ohne uns richtig zu verabschieden.“
„Dann warten wird einfach noch ein wenig ab.“ Benjamins Blick wanderte besorgt hinaus auf das Meer. „Die Wassergeister haben sich nicht mehr blicken lassen. Was hält sie wohl davon ab?“
„Ich weiss es auch nicht. Aber es macht mir schon etwas Sorgen.“