.......oder "In Florenz regnet es nicht."
Eins?
Ein Sommergewitter?
Es wäre schön gewesen, wenn es nur bei einem geblieben wäre, aber fange ich doch mal ganz von vorne an.
Wir beladen das Auto am 2 August gefühlt bis unters Dach, tatsächlich aber bis unter das Windschott, lassen das Verdeck runter und düsen los.
Um es auf Höhe Freiburg wieder zu schließen, weil Sturzbäche auf uns herniedergehen.
Das geht recht einfach, das panische Ansteuern eines Rastplatzes ist nicht nötig, weil wir im Stau stehen, was sich bis zur schweizer Grenze auch nicht großartig ändert.
Ebenso wenig wie Blitz und Donner und Unmengen von Wasser, die sich über uns ergießen.
"Mit einem Boot wären wir schneller", vermelde ich lakonisch, mit einem Blick auf die Wetter app, "aber in Florenz regnet es nicht."
"Da sind wir ja erst morgen."
"Egal, da regnet es nicht."
Allerdings regnet es in der Schweiz, so auch in Luzern zuerst beim einchecken im Hotel, wo wir klatschnass unser Zimmer beziehen, uns frisch machen, respektive abtrocknen, und beschließen, wenigstens noch essen zu gehen.
Freundlicherweise macht der Regen zwei Stunden Pause, in denen wir immerhin in einer Außengastronomie sitzen, denn kalt ist es nicht.
Besonders viel Panorama bietet Luzern aber auch nicht eben, vor den Bergen, von denen interessanterweise einer Pilatus heißt, hängen schwarze Wolken.
Und ja, nach dem Essen vernehmen wir bereits das nächste Donnergrollen, wechseln einen raschen Blick, kommentieren das nicht und bezahlen.
Anderntags fahren wir immerhin im Trockenen los, aber finster ist es noch. Die Wolken hängen dräuend über den Gottardo, sodass wir eine Fahrt über den Pass als verbrämten Selbstmord empfinden und von der To-do-Liste streichen. Immerhin kommen wir staufrei, welch Wunder, durch den Gotthard-Tunnel, und ebenso rasch bis nach Mailand.
Regenfrei bis dahin auch.
Obwohl es sich immer mehr verfinstert.
Und irgendwo donnert es auch schon.
Immerhin ist es warm.
Aber das Verdeck ist zu, was der entsetzlich schlechten Luft in der Lombardei geschuldet ist.
Kurz hinter Mailand prasseln die ersten Tropfen auf das Verdeck ein, was ja romantisch klingt, irgendwie nach Zelturlaub, aber die zuckenden Blitze vorne in der Emilia Romagna, die wir Dank der industrieverseuchten, platten Ödnis der Lombardei bereits erahnen können, sind alles andere als romantisch.
"In Florenz regnet es nicht", sage ich vage genervt und erhalte keine Antwort.
Wie auch. Der Gemahl ist damit befasst, das Auto unter bleigrauem Himmel unfallfrei über eine überfüllte Autobahn zu steuern.
Rutschend.
Mit hysterischen Scheibenwischern, die ihrer Arbeit kaum Herr werden.
Es wird immer schlimmer, ich kann kaum geradeaus gucken, ohne dass mich die Angst umfasst.
"In Bayern haben sie eine Autobahn gesperrt, weil sie überflutet ist", lese ich vom Smartphone ab.
"Was?", überschreit er den Regen.
"Vergiss es!", ich kralle meine Hände in den Sitz, "Aber in Florenz regnet es nicht!"
Eine Weile fahren wir schweigend, bis ich stirnrunzelnd die Autos bemerke, die mit Warnblinklicht unter einer Brücke stehen bleiben. Ich will gerade was fragen, zucke mit der Hand dorthin, habe schon den Mund offen, als ich irritiert verstumme.
"Das ist Hagel", brüllt er über den Lärm, "mach mal ein Foto!"
Der Aufforderung nachkommend fotografiere ich aus dem Seitenfenster eine Autostrada de Sole, die aussieht, als führe sie durch ein Wintersportgebiet. Die Außentemperaturanzeige des Autos knipse ich auch, weil sie 13 Grad anzeigt.
Auf ihr bleiben meine Augen auch kleben, denn nach dem Hagelsturm unter Blitz und Donner steigt sie minütlich.
Vierzehn.
Fünfzehn.
Sechszehn
...stetig bis dreißig Grad.
Fassungslos schweige ich. Was auch sonst, bei dem Lärm ist eine Unterhaltung kaum möglich.
"Da vorne wird es heller!", rufe ich dann.
"Du brauchst nicht so zu schreien!", schreit er zurück, "es ist schon weniger geworden."
"Okay", ich gucke ich den Rückspiegel außen und sehe eine schwarze Wand, "Ach du lieber Himmel, guck mal."
"Ja, ich weiß. Da sind wir drunter her gefahren, aber es wird schon heller."
Ich presse die Lippen fest aufeinander.
Eine Weile fahren wir bei Nieselregen.
Auf Höhe Bologna blitzt es.
Die Himmelsschleusen tun sich auf.
Die Scheibenwischer flitzen rasend über die Frontscheibe.
"Meine Güte", klingt er gereizt, "das gibt es doch nicht."
"In Florenz regnet es nicht."
Seine Augen huschen halb belustigt zu mir rüber. Er glaubt mit nicht, das kann ich sehen, aber ich weiß es besser.
Hinter Bologna, wo die Straße kurvig wird und die Landschaft ein Traum, hat das Sommergewitter sein Ende gefunden, aber der Himmel ist bleigrau, die Temperatur je nach augenblicklichem Höhenstatus unseres Aufenthaltes zwischen 18 und 25 Grad, und selbstredend regnet es.
Mal ein Nieseln, mal ein Landregen.
Kein Sommergewitter mehr.
Als wir die Autobahnabfahrt Florenz-Nord nehmen, nieselt es nur noch ein wenig.
Voraus sehe ich das alte Stadttor, werfe einen Blick in den Himmel, der sich azurn zeigt, mit Schäfchenwolken, aus denen kein Tropfen fällt.
"Du kannst das Verdeck ruhig runterlassen", lächele ich, "In Florenz regnet es nicht."
Mit gerunzelter Stirn blickt er mich an, lässt es aber hinab.
Zwei Stunde später sitzen wir mit Daniele in der Außengastro eines Irish-Pubs und blicken auf die Fassade des Palazzo Vecchio, die ausnahmsweise nicht von Touristenmengen verstellt ist. Der Platz ist nahezu leer, aber trocken, so wie alles knochentrocken ist in Florenz.
"Ihr wisst gar nicht, was ihr für ein Glück habt", Daniele lehnt sich in seinen Stuhl zurück und umklammert das kalte Bier, "bis gestern war es erdrückend. 38 Grad. Wenn ich nicht auf euch gewartet hätte, wäre ich zu einem Freund in die Berge gefahren."
"Ich weiß", gebe ich versonnen lächelnd zurück, "es ist überall runter gekühlt. Es regnet ja auch überall."
"Na, aber hier hat es nicht geregnet."
"Ja, in Florenz regnet es nicht."