…warum wir nie nach Malta kommen, weshalb wir dauernd seltsame Urlaubsreisen machen, und was das alles mit Revue zu tun hat.
Am Donnerstag schneite es.
Nicht hier, aber da, wohin wir fahren wollten, nämlich in Nordholland.
Man könnte sich fragen, warum man Anfang April nach Nordholland fahren möchte, aber wenn ich unser Leben Revue passieren lasse, fallen mir unvernünftigere Reisen ein.
So fuhren wir einst Im Dezember nach Norddeich. Ich habe noch nie so viel gefroren, aber die Krabben waren lecker.
Oder im April an den Atlantik, nach Schottland mit dem Mountainbike. Damals waren wir noch jung und wussten es nicht besser.
Jeden Tag peitschte uns jede Jahreszeit ins Gesicht. Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viel gegessen und so viel abgenommen. Es muss so ein oder zwei Jahre vor dem Verlust der Beine gewesen sein, eine Formulierung, die ich originell finde.
"Hallo", rufe ich im Café, mit einer Hand winkend, derweil die andere nach dem Portemonnaie kramt, um den Espresso zu bezahlen. Die Kellnerin sprintete herbei, und ich bezahle. "Und vielleicht könnten sie die Malteser anrufen, anstelle eines Taxis? Ich muss irgendwo meine Beine verloren haben."
"Haben Sie schon an der Garderobe geguckt?", fragt sie und verstaut das Trinkgeld in einem separaten Fach ihrer Börse.
Hilflos hebe ich die Arme. "Wie denn?"
"Ach so!" Mit der flachen Hand klatscht sie sich verlege lächelnd an die Stirn. "Ich geh' mal gucken!"
Kurz darauf hastet sie herbei. "Ne, sorry, da sind sie auch nicht."
Doch ich schweife ab.
Wir planten Nordholland zu dieser absurden Jahreszeit, weil wir eigentlich nach Malta wollten, was nach einer Erklärung verlangt.
Intermezzo 2019:
„Ich würde so gerne mal nach LaValetta. Wollen wir da mal hin?“
„Okay, buch‘.“
Aber das war so einfach nicht, wegen des Rollstuhls, und weil ich dessentwegen nicht so gerne Flüge buche, bei denen man umsteigen muss. Wenn ein Koffer dabei verloren geht, ist das halb so wild, wie ein abhanden gekommener Rollstuhl, wo ich dazu neige, Dinge zu verlieren. Beine, einen Appendix, diversen Schmuck, und wenn ich ihn bisher noch nicht verlor, habe ich selbst meinen Kopf so manches Mal zuhause liegen lassen.
Oder im Büro.
Demzufolge gab ich das Projekt, das erste Mal im Leben, an ein Reisebüro ab, das ein Paket zusammenschnürte und uns die allererste Pauschalreise unseres Lebens bescherte.
Mit Neckermann. Einer Tochter von Thomas Cook.
Wer im Spätsommer 2019 die Nachrichten verfolgte, bedarf keiner Erklärung, um zu wissen, dass diese Reise nie stattfand, aber wir erlitten wenigstens keinen monetären Verlust.
Statt auf Malta landeten wir in Südtirol und fahren da seitdem jeden Oktober hin, was, bedenkt man den Rollstuhl, auch irgendwie sinnfrei klingt, da Meran bekanntermaßen in den Alpen liegt. Eines Tages schreibe ich ein Buch über Dinge, die mit dem Rollstuhl unmöglich scheinen. Das Kapitel Alpen wird gewiss besonders lustig, aber ich fürchte, Malta wird nie darin vorkommen.
Seither scheitert Malta an Corona, denn im Sommer fahren wir woanders hin. Ein Sommer ohne Italien wäre möglich, aber… lassen wir das.
Dieses Mal ging es darum, die silberne Hochzeit zu feiern, und zwar alleine.
Malta böte sich an, aber wir müssten fliegen, zumal wir nur wenige Tage zur Verfügung hatten.
Wir befinden uns jedoch noch in einem Rechtsstreit mit Eurowings wegen zweier Tickets aus dem Mai 2020, die wegen eines weltweiten Luftraum-Lockdowns nicht genutzt werden konnten.
Viel verspreche ich mir davon nicht, denn auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand, selbst als Ungläubige, und Großkonzerne gewinnen Gerichtsverhandlungen immer.
Ende 2021, als ich den Trip plante, fehlte mir die Lust auf einen weiteren Rechtsstreit, denn niemand konnte wissen, wie die Coronaregeln im April 2022 aussähen. Deshalb wurde aus Malta wieder nichts.
Wir brauchten ein Ziel, das rasch mit dem Auto zu erreichen wäre.
Holland liegt hier um die Ecke, allerdings schneite es dort, wie gesagt, und wenn etwas mit Schnee gar nicht geht, ist es Rollstuhlfahren.
In Norwegen haben sie Rollatoren mit Kufen. Wie Rollstuhlfahrer das Problem lösen, weiß ich nicht.
Also stornierten wir auch dies, ohne finanziellen Verlust, aber ach…
So schnell tat sich keine Alternative mit besserem Wetter auf. Da wir aber nicht nichts machen wollten, übernahm es der andere Part des Zweierteams, mich zu überraschen. Wir reisten nach Matamba.
Äh?
Ja, genau, das Afrika-Motto-Hotel im Fantasialand ganz hier in der Nähe, allerdings nur, weil wir zuvor die im gleichnamigen Freizeitpark angebotene Revue besuchten. Mit Dinner, in jeder Pause ein Gang.
Es war sehr schön weil die Jungs und Mädels herausragend tanzten, mit Herz und Leidenschaft.
Aber es war vielleicht auch einer der wenigen Orte auf dieser Welt, an dem derzeit Ukrainer und Russen gemeinsam etwas Märchenhaftes erschaffen.