Bis ich Ende 30 war, brachte mir jedes Souvenir jeder meiner Reisen meine bis heute beste Freundin mit.
Klingt seltsam und bedarf einer Erklärung. Meist konnte ich mich nie zum Kauf eines Souvenirs durchringen, wenn ich vor Ort war, weil das irgendwie ein solches Touristending war, und ich nie dazu neigte, von allem, was ich erlebte, eine Erinnerungsstück mitzunehmen.
Denn wenn es schön war, erinnere ich mich sowieso.
Selbst wenn es nicht schön war.
Ich erinnere mich nur an die Dinge nicht, mit denen ich keine Emotionen verknüpfe. Das nimmt seltsame Züge an, weil es den meisten anderen Menschen, ohne mein Wissen, offenbar anders ergeht, denn ich weiß, mein Liebster fand den Mountainbikeurlaub in Schottland vor 28 Jahren schön, aber oft genug, wenn ich davon erzähle, habe ich den Eindruck, ich wäre alleine dort gewesen.
Egal.
Es fing mit Bayeux an.
Wir begucken den Teppich, den ich als eines der älteren Comics der Weltgeschichte betrachte.
Ich bin blutjung, damals noch hübsch, und vor allem noch zu Fuß unterwegs. Gerade habe ich Latein an der Uni und übersetze jede Sprechblase oberhalb der Darstellung für meinen Schatz.
Wir lachen viel, weil ich frei übersetze.
Anschließend tappen wir durch die Ausstellung, wo ich das Domesdaybook entdecke. Als ich auf der Gedenkplakette lese, dass Prince Charles das Ding der Stadt Bayeux geschenkt hat, flippe ich ein Ründchen aus, weil es mir unbegreiflich ist, etwas historisch so Wertvolles zu verschenken.
Über den Ärger vergesse ich, im Souvenier-Shop Souvenirs zu kaufen.
Ich schimpfe immer noch, als wir wenig später in einer Außengastro Crêpes Normand und literweise Cidre in uns rein stopfen, respektive schütten.
Kein Souvenir.
Wegen Prince Charles.
Mist.
Ein Jahr danach im Bistro Rendezvous in der Nähe der Uni stochere ich lustlos in meine Salat.
"Jan und ich wollen nächsten Sommer in die Normandie fahren. Ferienhaus und so", grinst Steffi.
Mein Kopf ruckt hoch. "Oh. Falls ihr nach Bayeux kommt, kannst du mir was mitbringen?"
Sie legt den Kopf schief. "Was denn?"
"Die haben so hübsche Tischsets aus Stoff mit Motiven des Teppichs. Davon vier. Und die Blechdose mit Motiven des Teppichs mit den Haferkeksen drin."
"Ja klar." Sie wirft ihre Haar zurück und weiß nicht, dass es ab da immer so sein wird.
Irgendwie sind wir immer vor ihr dort, wohin sie später reist. Sie schleppt mir den Eiffelturm an, den Schottenrock und die Towerbidge.
Und macht es besser, als ich es bei der Originalreise je getan hätte, denn Orlando ist handgemacht.
Orlando?
Ja, eine Ritter-Marionette aus Sizilien, die mich dort 1999 von allen Souvernier-Shops mit schlappen Fäden angrinsten. Sie reiste erst 2006 hin, aber ich probierte es mal scheu. "Also, wenn du noch Platz im Koffer hast? Eine Marionette?"
Sie reißt die Augen auf. "Marionette?"
"Ja, die gibt es dort überall."
"Okay."
Wahrscheinlich hätte ich mir einen Orlando Made in China aus der Souvenierbude mitgebracht, aber sie brachte mir Orlando Made in Cefalu.
2011 kämpfte ich mit mir, mir Orlando auf Schuhen von Dolce & Gabbana aus Wien nicht mitzubringen, weil sie einfach zu teuer waren. Stattdessen gab es eine Pillendose mit Sissi, die in Wahrheit ganz anders war als man so denkt.
Dieses Jahr bringt Steffi mir nichts mit, denn dieses Jahr fahren zusammen in den Urlaub.
Endlich.
Souvenirs ohne ihre Mitwirkung sind selten irgendwo gekauft
In Marsala schenkte mir ein wildfremder junger Italiener eine zauberhafte Muschel, die als Souvenir seither mein Bad ziert.
Die Sonne brennt mit 40 Grad im Schatten, die mittelalterliche, orientalisch angehauchte Stadt ist leer, aber wir schleppen uns mit ausgedörrten Kehlen über die Piazza auf ein Lokal zu.
Durst. Wir haben nur Durst.
Plötzlich löst sich ein junger Mann aus der Gruppe vor dem Lokal. Mit fragend gehobener Braue verlangt er zu wissen, ob wir hier sitzen wollen. Wir bejahen mit trägem Kopfnicken, und er nimmt den Stuhl für meinen Rollstuhl vom Tisch weg. Ich verstehe wenig, weil im Sizilianischen viel arabisch steckt. Ich bin noch jung, und gutaussehend, obwohl nicht mehr zu Fuß, und das reicht ihm, mich mit Aufmerksamkeiten zu überhäufen.
Darunter die Riesenmuschel, die er bei unserer Ankunft seinen Freunden präsentiert hat.
Aber grundsätzlich neige ich nicht dazu, mir Souvenirs mitzubringen.
Mich bremst das Gefühl, so schnell nicht wieder zu kommen, wenn ich ein Souvenir kaufe.
Als ich 26 war, und das erste Mail in Rom, kaufte ich mir höchst-selbst eine Caesar Augustus, obwohl ich lieber einen Lucius Cornelius Sulla gekauft hätte, aber den gab es nicht.
Und ich hatte Recht mit meinen Befürchtungen, denn ich kam erst 20 Jahre später wieder. Aber immerhin kam ich wieder.
Aus Florenz brachte ich nie ein Souvernier mit, sondern nur Erinnerungen und Sehnsucht.
Ich fürchte, wenn ich eins kaufte, würde ich nie wiederkommen.
Das Risiko gehe ich gar nicht erst ein.
Weil das schönste Souvenir die Erinnerung ist.
Und die Gewissheit, wiederzukommen