Obwohl mir bewusst ist, dass ein Wort wie jenes dazu einlädt, einen tiefsinnigen oder anspruchsvollen Text zu produzieren, reagiere ich heute mit einem persönlichen Statement.
Meine beste Freundin liebt Mottoparties.
Und obwohl wir uns in vielfacher Hinsicht wie Schwestern gleichen, hasse ich Mottoparties. ( Das Statement)
Ich kostümiere mich generell nicht gerne abseits des Karnevals, und wenn es unvermeidbar sein sollte, mache ich mich ungern zum Obst. Oder – wie im aktuellen, noch ausstehenden Event des Geburtstags ihres Mannes, der auf den Tag des ESC fällt -zum Affen. Denn das Motto der Party lautet:
„Komme als ein Tier, das mit dem Anfangsbuchstaben deines Vornamens beginnt.“
„Äh?“
„Was?“
„Mir fällt kein Tier ein, das mit C beginnt, und als das ich mich verkleiden wollen würde. Ich würde nicht als Camel kommen. Never!“
„Warum sprichst du im Konjunktiv?“
„Ich habe das Foto gesehen, das dein Mann aus der Umkleide des Kostümladens geschickt hat. Thomas als Tiger?“
Ich kratze mich an der Nase. Chamäleon? Clownfisch?
Macht nichts, denn ich werde nicht da sein. „Konjunktiv? Ach, so, ich flieg‘ doch nach Florenz.“
„Stimmt, da war was. Du glänzt durch Absenz.“
Ich nicke energisch vor mich hin, und konstatiere, dass sie nur deshalb ein so albernes Motto wählte.
Bin ich anwesend, kommen Mottos dabei raus, bei denen ich eine Chance habe, nicht wie ein Affe oder eine Gurke auszusehen. Oder ein Clownfisch oder ein Camel…
Das rechne ich ihr hoch an.
So wie sie mir es hoch anrechnet, dass ich trotzdem im Kostüm zu kommen pflege.
Für die 50er Jahre Motto-Party kauften sich alle Frauen ein Kleid bei Amazon, das irgendwie gepunktet war und über einem Petticoat getragen wird. Ich kam ohne Petticoat. Ein Petticoat im Rollstuhl ist bescheuert.
Stoff und Tüllwülste überall.
Doch für dasselbe Geld erwarb ich ein weißes Sommerkleid mit riesigen gelben Zitronen. Noch heute schreien Teilnehmerinnen der Party begeistert: „Das Zitronenkleid!“ („Quietsch!!!“), sollten wir uns, wie letztes Jahr im Juli zufällig im Ausland über den Weg laufen.
Während deren Partykleider bis zur nächsten entsprechenden Party in der Kostümkiste Staub ansetzen, erweist sich meine Eitelkeit als nachhaltig.
Das Kleid wurde, im Gegensatz zu den gepunkteten, nicht in China oder Pakistan gefertigt, ist aus einem Baumwollseidengemisch und so ziemlich das schönste Kleid, das man in Italien tragen kann, wenn man einen dunklen Teint hat und kein Geld für Dolce e Gabbana.
Natürlich trug ich nach der Party nie wieder weiße Satinhandschuhe dazu. Und ich habe danach auch die alberne spitze Brille weggelassen, dafür aber eine gelbe Handtasche gekauft.
Die absurde Neigung meiner Liebsten zu Kostümen, geht so weit, dass wir nicht mal ohne Kostüm in den Zoo gehen können.
„Halloweennacht im Kölner Zoo?“
„Ja“, gebe ich zurück. „Letztes Jahr waren wir da und es war klasse. Kommt ihr mit?“
„Was ziehst du denn an?“
„Wie, was ziehst du an? Schwarze Jeans, Lederjacke und so.“
„Ich bringe Hexenhüte mit!“
„Nein, bitte, ich …“
„Und Hexenbesen!“
„Ich sitze im Rollstuhl. Ich kann keinen Hexenbesen transportieren.“
Auf dem Foto halte ich ihn trotzdem fest, den Besen.
Unter einem Hut, in einer Hand den Besen, wirke ich auf der Ablichtung irgendwie absent. So gucke ich, wenn ich aus Freundlichkeit nicht genervt gucken will. Gucke ich jedoch so abwesend, ist es gleich abweisend, weshalb mir seit Jahrzehnten immer dann Arroganz vorgeworfen wird, wenn ich freundlich sein möchte.
Nun – nicht von ihr. Wir kennen uns.
Aber generell…
Übrigens trafen wir damals im Kassenraum des Eingangs Zoo/ Riehlergürtel auf ein großen schlanken Mann meines Alters in Begleitung einer -äh- keine Ahnung? Trollfrau?
Er wirkte beleidigt, als ich das dritte Mal an ihm vorbeisah. Um ein Faultier aus einer Kiste zu ziehen, das ich meinem jüngsten Patensohn um den Hals hängte, nachdem ich es käuflich erwarb, stand ich plötzlich neben ihm. Er sprach mich an. „Erkennst auch keinen mehr, oder?“, sagte er in einem Tonfall, der die empfundene Kränkung ironisieren wollte.
Ich gucke in das Gesicht eines wandelnden Toten.
Aus seiner Stirn ragt eine Axt, ein Auge baumelt an Arterien bis zur Nasenspitze und ich hebe die Schultern. „Äh, nun, du machst es mir auch denkbar schwer.“
Erst als alle lachen, begreift er, wie natürlich es ist, dass ich ihn nicht erkenne, und ach! Es ist Tom!
Also nicht meiner, sondern ein anderer, der gerne mal mein Tom gewesen wäre.
Käme er auf die ESC-Party, wäre er noch ein Tiger.
Warum wird eigentlich niemand als Tapir kommen?
Geht Andreas als Ameise?
Wäre ich Sylvia, würde ich als Baum gehen. Das wäre zwar kein Tier, aber…
„Tom kommt kurz rein, aber ohne Kostüm“, erkläre ich.
„Alles klar“, lacht sie.