Blamiert habe ich mich schön öfter.
Ich neige zu roten Ohren, und als Nächstes fange ich an, über mich zu lachen. Günstigstenfalls eine Satire darüber zu schreiben.
Das Seltsame ist, dass mir jetzt auf Anhieb kein Beispiel einfällt, da müsste man schon andere fragen, aber was ich definitiv vermeide, ist die bewusste Blamage, wie …
…letzten Donnerstag, nach einem langen, hektischen Tag, ermattet auf dem Sofa abhängend, zappen wir wirr im Fernsehprogramm herum, weil wir weder die Lust noch die Kraft haben, uns den Film, Cash Truck, den wir ansehen wollten, tatsächlich anzutun. Wir landen bei The Voice, exakt in dem Augenblick, in dem dazu aufgefordert wird, sich für die nächste Staffel zu bewerben.
Wir gucken uns an, und sagen im Chor: „Nein! Auf gar keinen Fall!“
Denn, wenn wir beide etwas nicht können, ist das Singen.
Gut, ich kann auch vieles andere nicht, aber Singen kann ich mit am wenigstens. Es rangiert auf derselben Stufe wie…
Stricken, nur Schals, die irritiert beäugt würden.
Binäre Zahlen, die ich immerhin vor zwei Jahren mal kurzfristig verstand.
Das Nutzen von Grafik-Programmen oder Computerprogrammen generell, was ich, wie die automatischen Türen, die sich nicht öffnen, wenn ich mich nähere, auf den Existentialismus zurückführe.
Aus Spaß machen wir in der Werbepause den Ton aus und singen im Chor: Navigator, navigator, rise up and be strong. Morning is here, and there’s work to be done. Pick your… etc.
Das geht ja noch, denn, zuletzt von den Pogues gehört, spielt es bei irischen Saufliedern keine all zu große Rolle, ob man sich blamiert oder nicht.
Das gilt auch für kölsche Karnevalslieder.
Ich würde gerne singen können, traue mich das aber nur im Chor. Dann gröle ich, schweige jedoch abrupt beschämt, wenn mich jemand dabei verwirrt ansieht.
Aber angestachelt von 30 Minuten The Voice zelebriere ich das Singen seither zuhause, am liebsten alleine, weil sich der Liebste immer mit dem Text vertut. Dann verknoten wir uns spätestens bei and all to soon jumped to the moon and find the sun burned my eyes.
Das ist aus Dont't tell me von Blancmange, und ja, wann immer ich dieses Wort Blancmange hier, jetzt, versuchte zu schreiben, verwandelt es die Autokorrektur in Blamage.
Außerdem ist die Textzeile wunderschön, aber das geht mir erst jetzt auf.
All to soon, jumped to the moon an found the sun burned my eyes.
Das ist mir schon tausendmal passiert, weil ich eine Träumerin bin, die an das Gute glaubt, und leidet, wirklich leidet, wenn sie Täuschung sieht.
Nicht nur, nein, am wenigstens persönlich.
Wenn sie andere getäuscht sieht.
Belogen.
Wie bei der Fluthilfe zum Beispiel, die schnell und sicher und unbürokratisch ablaufen sollte, und immer noch Menschen in den Trümmern ihrer Existenz sitzen, weil sie 12579 tausend Papiere und Gutachten beibringen müssen. Und nicht einmal Spenden bei ihnen ankommen, weil es hier das Prinzip der Nachrangigkeit gibt: Erst, wenn kein Anspruch auf staatliche Hilfen besteht, darf Geld aus dem Spendentopf verteilt werden.
Jeder blamiert sich, so gut er kann.
Die Regierung damit, und ich damit, dass ich trotzdem noch glaube.
Da sollte ich lieber singen, und Geld fürs Aufhören nehmen, das ich persönlich an Bedürftige verteile. Wegen der Nachrangigkiet, siehe oben.
Ich liebe Liedtexte mit Sinn.
In Can't let go von Caught a Ghost finde ich mich, bis auf die Sache mit dem Herzschmerz aus Liebeskummer, wieder, einschließlich I hear a joke and I smell the punchline.
Den Song habe ich gestern hier in die Playlist gestellt. Der singende junge Mann ist zudem noch sehr hübsch. Hihi…
Aber neulich, alleine, erinnerte ich mich eines alten Liedes, das für fast jeden zu singen, eine Blamage wäre.
Es ist 1992 oder so, und ich stehe auf der Inneren Kanalstraße, auf dem Weg zur Uni im obligatorischen Stau. Alle Scheiben, die man noch mit der Handkurbel bediente, sind oben, weil es Winter ist, und im Radio beginnt es.
Das Lied.
All that I have, is all that you’d given me…
Verdutzt reisse ich die Augen auf, erhöhe die Lautstärke bis zum Anschlag Und ich singe mit.
Did you never ever worry, that I become to depend on you…
Meine Karre zuckelt so dahin, aber in jedes Auto, in das ich schaue, und in dem Frauen alleine sitzen, sehe ich aufgerissenen Münder im Refrain:
You’d better stop! Before you tear me all apart!!!!! You’d better stop, before you Go and break My heart !!!!!
Alle singen es.
Und alle, die es kennen, singen es garantiert bis heute.
Immer alleine.
Höchstens mit der allerbesten Freundin.
Weil man das nicht singen kann, ohne sich zu blamieren.
Wer es hören will: https://www.youtube.com/watch?v=muDZD3wgoHI
Viel Spaß beim Singen.