In meinem Hängesessel auf der Terrasse nach getaner Gartenarbeit wippend, höre ich das Feuerwehrauto die Straße entlang schnecken.
Achtung, Achtung!, tönt es blechern und es folgt ein Sermon vom Band des Inhaltes, was wir nicht mehr dürfen und falls wir uns doch darauf besinnen, menschlich......äh, nein, falls wir dem zuwiderhandeln, mit hohen Bußgeldern und Gefängnisstrafen zu rechnen haben.
Okay, die Durchsage hatten wir letzten Samstag schon, ich habe mich noch immer nicht dran gewöhnt.
Allerdings grinst Leandro hämisch, als er herbei geschlendert kommt.
„Was ist denn?", frage ich.
„Wenn du hier unbedingt erreichen willst, dass sich alte Leute im Pulk auf der Straße versammeln, musst du mit so ner Bandansagen durch die Straßen fahren", sein Daumen zuckt zur Straßenseite, „die stehen alle da zusammen und diskutieren die Anordnungen."
Ärger kriecht in mir hoch. Schwungvoll hopse ich aus dem Möbel, das hin und her pendelt und ich rausche ins Haus.
„Jana?“, ruft er mir irritiert nach.
„Mir reicht es!“, schreie ich zurück, derweil ich die notwendigen Utensilien aus dem Schrank zerre.
Ein Kohlebecken.
Das Kästchen mit den Kräutern.
Lange habe ich die alten Götter nicht angerufen, aber ich habe die Schnauze gestrichen voll und schnaube vor Wut, während ich alles Notwendige vorbereite und das Fenster für den Rauchabzug weit öffne.
„Wir dürfen uns doch nicht einmischen“, Leandro, die sehnig muskulösen Arme vor der Brust verschränkt, steht im Türrahmen und beobachtet mich aus Diamantenaugen.
„Ist mir klar“ zische ich, die Kohle anzündend, „es geht nicht um das große Ganze. Es geht um die Unbelehrbaren.“
Die Kohle glimmt. Ich hebe die Arme und werfe bei jedem dritten Atemzug ein Pulver aus dem perlmutten ausgelegten Kästchen ins Feuer. Jedes Mal steigt mit einem schwachen Puff ein farbiger Nebel auf, bis sich eine Gestalt im Qualm manifestiert.
Es ist der Weltenlenker höchstselbst. Gut.
„Was ist denn?“, grollt er, „Es ist ja nicht so...“
„Das Gewissen“, rufe ich gereizt, „ich will, dass es Gestalt annimmt!“
„Und zu welchem Zweck?“
„Da draußen“, ich fuchtele hektisch zum Fenster, „laufen eine Menge Leute herum, die sich nicht an die Regeln halten. Sie sind alle alt! Und begreifen nicht, dass wir den Zirkus machen, um sie zu schützen!“
„Meinetwegen“, gibt sich die spitzbärtige Gestalt zufrieden, „hier.“
Vor meinen Augen manifestiert sich ein grünes schwabbeliges Ding, das ich sofort wieder erkenne.
„Nuncio“, begrüße ich ihn mit der Hand auf dem Herzen, „du weißt, um was es geht?“
„Ich habe eine Ahnung“, quietscht er und segelt durch den Fensterspalt direkt auf die Gruppe versammelter Rentner zu, die weiterhin debattiert und lacht.
Leandro, der aus einer anderen Dimension stammt, lächelt mir schief zu und schüttelt vage den Kopf, ehe er zum Fenster geht und hinaus linst.
Frau Schäfer von gegenüber schreit spitz auf und hopst für ihr Alter behände einen Schritt rückwärts.
„Was ist los?“, der alte Herr Flehorst greift nach ihrem Arm, aber sie schüttelt ihn ab. „Mich hat was gebissen!“
Ratlos dreinblickend reibt sie ihren schmerzenden Arm, da springt auch schon die nächste herum.
„Ah!“ Frau Weber hält sich das Gesäß.
„Was ist das?“, Herr Seibert wirft hektisch den Kopf hin und her, dass sein graues Haar flattert.
Innerhalb kürzester Zeit ist die Gruppe im Begriffe, sich aufzulösen.
„Vielleicht sollten wir reingehen“, Herr Meisner schlurft schon in die Richtung seines kleinen Häuschens am Ende der Straße, „Wir sollen ja sowieso nicht...“
Befriedigt sehe ich zu, wie die Versammlung sich auflöst.
„Ich nehme Nuncio morgen mit zum Einkaufen“, erkläre ich, während ich das Kohlebecken lösche, „für die Drängler und die pöbelnden Idioten an den Kassen.“
Leandro nickt. „Muss er irgendwas essen? Dieser Nuncio?“
„Italienisch“, rufe ich ihm in die Küche nach, in der ich Nuncio kurz darauf über einem Teller Spagetti Napoli hängen sehe. Seit die Ghostbusters in eingesaugt hatte, sieht er ziemlich zerknautscht aus, und bis heute hat denen keiner gesagt, dass es ein Versehen war. Dass Nuncio Scoleri und sein Bruder gar keine Geister sind, sondern Gewissen und Moral.
Deren Funktion ist seither immer noch ein wenig eingeschränkt, was sich besonders im Bankenwesen und auf dem Immobilienmarkt bemerkbar macht.
„Schmeckts?“, ich wuschelte dem Kleinen durch den grünen Kopfflaum.
„Hmhm“, die Nudeln wippen am schwabbeligen Kinn, „Ist mal ne willkommene Abwechslung, was wir hier machen. Danke.“
„Gerne.“