Fast eine Woche fiel mir zu dem Prompt nur ein: Der weiße Neger Wumbaba. Das ist der Titel eines kleinen Buches, in dem es um Missverständnisse im Sinne von "falsch verstanden" geht, denn die eigentliche Textzeile lautet: Der weiße Nebel, wunderbar.
So geht es dann weiter von Eichhörnchen Sheriff (I shot the Sheriff) bis You Saxophon (You sexy thing) .
Das Buch ist nett zu lesen, aber es ist nicht von mir und deswegen verlasse ich es hier und komme zu der eigentlichen Geschichte:
Im Jahr 2000 war ich mit meiner Mutter in Florenz. Die meisten dürften inzwischen gemerkt haben, dass ich da dauernd bin, also immer dann, wenn Zeit und Geld es ermöglichen. Aber nebelig war es 2000 nicht, als ich mit meiner Mutter da war.
Es war August. Da ist es meist nicht so sehr voll in der Stadt, aber, für die meisten, unerträglich heiß.
Man steht so auf der Piazza de Duomo bei einer gefühlten Luftfeuchtigkeit von 100 % und fühlt, wie einem der Schweiß schwallweise am Körper hinab rinnt. Es herrschte in der Woche unseres Aufenthaltes zwischen 35 und 38 Grad.
Es war eine wirklich tolle Woche. (Nein, das ist keine Ironie). Im August gibt es immer Festivals für die zuhause gebliebenen Italiener, in jenem Jahr ein tagelanges Jazz-Festival. Und wir drängten uns nicht durch Menschenmassen, kamen überall, ohne stundenlang anzustehen, hinein, und dass der Ledermarkt im Viertel San Lorenzo zu hatte, eröffnete einen freien Blick auf die Kirche San Lorenzo. Die Familienkirche der Medici sozusagen.
Außerdem ist der Ledermarkt so eine Sache. Man kann da eine Menge Dinge erwerben, die angeblich in Italien hergestellt sind. Oft stimmt das auch, nämlich in Prato. Einer Stadt in der Toskana, die historisch für das Schneidereihandwerk und gute Stoffe steht. In der aber inzwischen massenweise chinesische Fabrikbesitzer ihre Landsleute unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten lassen, sie eingepfercht in Massenunterkünfte leben lassen....von denen gelegentlich auch mal eine abbrennt. Was keinen weißen Nebel verursacht, sondern schwarz-grauen Qualm und sehr viel Leid.
Doch zurück zu jenem Sommer.
Uns fiel auf, dass immer in kleinen Grüppchen Menschen umher schlenderten, die eines gemeinsam hatten: Sie trugen einen olivgrünen Rucksack mit einer güldenen Stickerei, die wir nicht entziffern konnten.
Zuerst nicht.
Bis wir an einem glutheißen Nachmittag unter dem Sonnenschutz des Café Gili auf der Piazza saßen.
Glücklich ermattet sinken wir nieder und bestellen zwei Espressi und eine große Flasche Wasser, con gas.
Mama lässt den Blick schweifen, derweil ich mir eine Zigarette anzünde, dazu die perlmutterne Spitze aus der Handtasche nehme, die mir eben der alte Inhaber eines traumhaft schönen Tabakwarengeschäftes in der Via Proconsule geschenkt hat. Mahagoni-Interieur im Duft hunderter Tabaksorten aus aller Welt. Sinnlich eine Erfahrung.
"Was sind das bloß für Leute?", fragt Mama und zuckt mit dem Kinn zu einer solch grün berucksackten Gruppe, die an zwei aneinenander geschobenen runden Tischen sitzen. Kaffee trinkend und von einer gigantischen Wolke weißen Nebels umhüllt.
"Ich habe Daniele gefragt", mein Feuerzeug klickt, ich inhaliere tief, "Ärztekongress."
Mutti verengt die Augen. "Ärzte?" Sie greift nach meinem silbernen Zigarettenetui und entnimmt einen Glimmstängel.
"Hm", ich stoße den Rauch aus, "Auf den Rücksäcken steht World-Congress of Lungs health."
Verblüfft guckt sie mich an. Ich liege entspannt in meinem Stuhl, ein mokantes Lächeln umspielt meine Züge, derweil ihr das Lachen schier herausplatzen will, als sie es begreift. "Das da, in der Qualmwolke sind also alles Ärzte", konstatiert sie.
Ich nicke süffisant. "Pneumologen, Allergologen, Internisten. Alle, die was mit Lungengesundheit zu tun haben", ich mache eine Pause, in der sich das Gesagte setzt, "Merkst du was?"
Sie schüttelt grinsend den Kopf. "Ja, dass wir sie an den Zigaretten erkennen. Darauf trinken wir einen." Sie hebt die Hand und ordert zwei Prosecco.
"Auf die Verlogenheit", sage ich in das Gläserklirren.
"Auf die Verlogenheit."
Prickelnd läuft er die Kehle hinab, der Prosecco.
"Womöglich erleben wir hier auch noch einen Ärztekongress der Lebergesundheit. Nächstes Jahr, oder so", meint sie mit Blick auf den weißen Nebel, der die Gruppe umhüllt.
"Ja, die finden wir dann alle besoffen neben dem Dom. Eingewickelt in ihre dünnen Jacken."
"Salute"
(Dies ist ein Tatsachenbericht. Jahre später erzählte mir meine damalige Physiotherapeutin, dass ihr Vater auch dort war: Chefarzt einer Klinik für Lungeheilkunde/Kettenraucher)