„Gehören sie zu dem Wrong-Planet Meeting?“ Der Kellner lächelt Solve fragend an, die beide blonden Brauen gehoben hat, aber nickt.
„Dann hier entlang bitte.“ Charmant lotst er sie in eine gemütliche Sitzecke mit Sesseln voller Kissen, die sie erst mal von ihrem Sitzmöbel runterwirft, ehe sie niedersinkt und Talmi breit angrinst. „Wrong-Planet Meeting?“
„Ich fand es lustig, vorzugeben, wir wären eine Firma.“
„Neben allem anderen ist es der perfekte Name für eine Firma. Für was auch immer.“ Solve winkt nach dem Kellner, der auf dem Absatz kehrtmacht. „Zwei Gin Tonic, bitte.“
„Tina verspätet sich“, erklärt Talmi. „Sie hat noch Wäsche…“
„Was? Warte mal.“ Solve winkt den Barkeeper zurück. „Was benutzen Sie hier als Strohhalm?“
„Einen aus Pappe, warum?“ Der junge Mann blinzelt irritiert.
„Dann geben Sie uns nur einen Löffel.“ Aufmerksam wendet sie sich Talmi zu, die elegant im Sessel lümmelt. Es gibt nicht viele Menschen, die diese beiden Worte in einer Tätigkeit zusammenzufassen imstande sind. Elegant und lümmeln. „Also, die Wäsche…“
„Einen Löffel?“ Der Barkeeper wirft einen hilfesuchenden Blick zu Talmi, die ihre komplizierte Hochsteckfrisur abtastet, um zu verbergen, dass sie genervt aussieht.
Aber er geht nicht. Wartet statuarisch auf eine Erklärung.
„Spreche ich einen kalabrischen Dialekt?“ Solve spannt den Mund.
„Nein, aber was wollen sie mit einem Löffel?“
„Rühren?“ Solve vollführt eine Rührbewegung.
„Was denn?“
„Den Gin Tonic?“
„Aber das können Sie doch mit dem Strohhalm machen.“
„Schon“, wirft Talmi kühl dazwischen. „Aber ein Gin Tonic ist ein Longdrink.“
„Na, und?“
„Long.“ Talmi legt ihre Handflächen aufeinander und signalisiert mit einer Ziehbewegung das Wort Long, von dem offenbar im Gastgewerbe vergessen wird, dass es zu Deutsch lang heißt. „Drink. Pappe lange in eine Flüssigkeit zu legen, zu stellen oder zu…“
„Pappe wird matschig, das Trinken daraus eine eklige Angelegenheit“, springt Solve ihr mit einer Anleitung für schwerfällige Schüler bei. „Ein Löffel zum Rühren reicht.“
Sie scheucht ihn weg und sieht Talmi an. „Also, die Wäsche.“
„Ja, Tina hat angerufen, um zu sagen, dass sie sich verspäten wird. Sie hat erst noch die Wäsche abgehängt.“
Mit vor Lachen gespannten Wangen wartet sie auf Solves Reaktion, die prompt erfolgt. Nur zwei Sekunden, und ihr Gesicht spiegelt exakt dasjenige, was Talmi gedacht hatte, als sie Tinas Anruf entgegengenommen hat. Vorhin, als sie ihr Cabrio in der Tiefgarage abgestellt und auf den Aufzug gewartet hat, der sie auf die Rooftopbar brachte, auf der sie und Solve mit Tina verabredet sind.
Tina, eben ins Auto eingestiegen, an der dritten Ampel rechts blinkend, schaut in den Rückspiegel.
Das gibt es doch nicht. Diese verflixte…
Die Ampel schlägt um, sie legt einen Vollstart hin. Auf 100 km in fünf Sekunden geht schon wegen des Stadtverkehrs nicht, aber sie kennt sich aus, sie wird diese blöde Jeans… was ist das?
Die Jeans hat vier Slips, eine Carmenbluse und zwei schwarze BH’s im Schlepptau. Ohne zu blinken, biegt sie rechts ab, die Nächste wieder rechts, bis sie die Schnellstraße parallel zum Rhein erreicht, auf der sie drei PKW überholt, und sich zwischen einen Kleinlaster und einen Mini quetscht. Der Fahrer des Kleinlasters hupt. Sie gestikuliert hektisch, wähnt sich aber sicher, nicht weiter verfolgt zu werden. Sie hat die Verfolger…
Was ist das?
Diese verdammte BH’s rasen auf der linken Spur heran, die Bluse holt auf.
„Das gibt’s doch nicht!“ Frustriert hämmert sie aufs Lenkrad ein, wirft einen Blick zu Fluss, der bleiern da liegt, und auf dem der letzte PKW auf eine Flussfähre zuckelt.
Die Reifen ihres BMW quietschen, als Tina das Lenkrad herumreißt, gen Ufer rast und mit einem Hopser auf dem Schiff anlandet.
Sie atmet auf. Wirft einen Blick zurück. Die BH’s stürzen ins Nass.
In einer Hand die Geldbörse, wählt sie mit der anderen Hand Talmis Nummer auf dem Handy.
„Talmi? Ich werde mich etwas verspätet. Ich musste noch die Wäsche abhängen.“
„Was für eine hanebüchene Geschichte“, keucht Solve.
„Ja, und das wirklich Schöne ist, dass ich sie dir nicht mal erzählen muss.“
„Du musstest sie Tina auch nicht erzählen.“
„Nein, ich habe sie ohne Worte von ihr erzählt bekommen. Sie kicherte schon, als sie mich anrief. In dem Augenblick, in dem sie abgehängt aussprach, ging ihr Kopfkino los.“
"Hach, Sprache ist was Feines."
Sie lachen derartig gelöst, dass der Barkeeper, der ihnen die Drinks hinstellt, das Gehabe von vorhin schon vergessen hat. Er grinst, als wüsste er, worüber sie lachen. Deutet still auf die beiden silbernen Löffel, die neben einer gefüllten Snackschale blitzen.
Synchron rühren sie in den Getränken, als Tina abgehetzt hineinstürzt. Bevor sie in den letzten freien Sessel plumpst, hebt sie die Hand zur Bar. Ruft: „Dasselbe für mich!“ Sie wischt sich die Stirn. „Da bin ich, Mädels.“
„Bist du sicher, dass sie dir nicht gefolgt ist?“ Talmi wirft einen wachsamen Blick zur Tür.
„Ja.“ Tina macht eine wischende Handbewegung. „Ganz sicher.“