Mit gewohnt erhabener Miene schritt Jörg-Philipp Hepler am Montagmorgen durch die hellen Gänge des Unternehmens, ließ sich die Türen aufhalten und rauschte, nicht ohne Befehle erteilt zu haben, durch das Vorzimmer, direkt in sein gewaltiges Büro. Aus dem Jackett schlüpfte er erst gar nicht. In weniger als 30 Minuten wartete eine Vorstandssitzung auf ihn.
Zufrieden streckte er die in Anzughosen steckenden Beine unter dem Cocobolo-Schreibtisch aus und bedankte sich mit einem Grunzen bei der Sekretärin, die dienstbeflissen den Kaffee auf dem Tisch platzierte.
"Keine Gespräche bis nach der Sitzung", grunzte er gutwillig, was das Höchste des Danks war. Also im Grunde keiner, aber er war guter Laune. Die Dinge liefen bombig.
Guido würde ihm die Boni erhöhen. Nach dem Geschäft mit der Sebring Ag würde er nicht anders können. Er hatte eine schöne, wenn auch leicht prüde Ehefrau, eine willige Geliebte, mehr Geld als er ausgeben konnte und diese herrlichen Ferien mit Ruth auf den Malediven in Aussicht, die er der Frau Gemahlin als Dienstreise verkauft hatte. Ihrem Mann hatte Ruth erzählt, dass sie eine Schönheitsfarm besuchen würde. Alles lief.
Alles lag ihm zu Füßen.
Er nippte am Kaffee und schlug raschelnd die Zeitung auf.
Was konnte noch schief gehen?
Beim Anblick einer ganzseitigen Anzeige direkt auf Seite zwei der FAZ schnaubte er belustigt. Da hatte jemand ne Menge Schotter in die Hand genommen. Wer war denn gestorben?
Seine Augen weiteten sich, der Schweiß brach aus allen Poren, als er mittig seinen Namen las.
Ich bin doch gar nicht tot, schoß ihm durch den Kopf, ehe er sich die Mühe machte, den Text zu lesen:
Ich danke meinem Mann dem Herrn stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Perlin AG
Jörg-Philipp Hepler
für das unvergessliche Erlebnis, nach einem Wellness-Urlaub in ein nach fremdem Parfum duftendes Haus zurückzukehren, über leere Champagnerflaschen zu stolpern und eine fremde Zahnbürste im gemeinsamen Bad vorzufinden. In unendlicher Dankbarkeit stehe ich vor der Verletzung meines Stolzes und meiner Gefühle, da mir bewusst wurde, dass beides überbewertet wird.
Auch ein herzliches Dankeschön gilt gleichwohl dem Vorstandsvorsitzenden Guido Perlin
für die zur Verfügungstellung seiner Gemahlin Ruth in den Monaten Februar bis heute, zwecks Belustigung meines oben stehenden Gemahls. Über die jährlichen Boni in sechsstelliger Höhe, den Dienstwagen im Wert von 250.000 Euro und die zahlreichen Dienstreisen nach Barbados hinaus, ihm auch noch bereitwillig die Ehefrau abzustellen, zeugt von wahrer Größe.
Mein herzlichster Dank gilt Herrn Dr. Boris Silbertau, Rechtsanwalt, der die Konten gesperrt hat und mir die Gewalt über die Villa am Birkenberg verschaffen wird.
Und nicht zu vergessen danke ich Herrn Müller, dem unvergleichlichen Fahrer meines Herrn Gemahls, dass er die Sporttasche mit dem verbliebenen Rest von dessen Hab und Gut an unserem schmiedeeisernen Tor abgeholt und in das Büro der Firma Perlin verbracht hat.
Danke euch allen.
Viktoria Hepler