Es ist mitten in der Nacht, und ich versuche eine Geschichte zur Augenweide. Ich scheitere, nicht nur wegen des Grundes, aus dem ich jetzt nicht selig schlafe.
Überfallartig, wie immer, streckten mich quälende Nervenschmerzen nieder. Man möge mir die Erwähnung dessen verzeihen, ich benenne es nicht, um Nähe herzustellen oder Mitleid zu produzieren. Mitleiden ist unmöglich, das Ausmaß des Schmerzes unvorstellbar, aber jetzt, dank zahlreicher Medikamente auf einem Niveau, dass ich wenigsten versuchen kann, irgendwas zu schreiben.
Ehrlich? Schlaf wäre mir lieber, aber so wird es eine Flow meiner Gedanken zum Thema Augenweide.
Mit wem fange ich an?
David Beckham.
Eine Augenweide.
Mir ist bewusst, dass man darüber geteilter Meinung sein kann, aber ich schaue ihn gerne an. Allerdings am liebsten statisch, meint - auf Bildern, weil er einer jener Männer ist, die für mich nur sexy sind, bis sie den Mund aufmachen. Das macht nichts, weil ich ihn nicht heiraten will, auf keinen Fall, denn ich bin mit einer Augenweide verheiratet.
Die interessanterweise exakt diesem Typ Mann entspricht. Groß, blond, sportlich, und ein Tattoo hat er auch.
Das Beste ist: Er kann reden, und was er sagt ist abwechselnd klug, durchdacht, witzig und manchmal alles davon.
Tom Hiddlesten finde ich ziemlich hübsch, und Ralph Fiennes, als er noch Haare hatte, forcierte in mir, spätestens nach "Der englische Patient", den Wunsch, dass man mit ihm Lawrence von Arabien neu dreht.
Eine Augenweide in der Wüste.
Das waren schon Peter o' Tool und Thomas Edward Lawrence, der wie o' Tool aussah.
Oder umgekehrt: Man nahm o' Tool aus diesem Grund für die Rolle. Ich kann die Ähnlichkeit beweisen. In seinem, Lawrences' Buch, "Die Sieben Säulen der Weisheit" sind Fotos von ihm, und dieses Buch steht in einem meiner Regale. Es sind immer dieselben Typen: Sie sind blond, höchstens dunkelblond, groß, sportlich und mit markanten Gesichtszügen versehen- und zack habe ich my personal Augenweide.
So viel dazu, aber was macht eine Augenweide, über das visuelle hinaus, zu einer solchen?
Etwas, das man nicht lernen kann. Man hat es oder man hat es nicht: Charisma.
Eine mäßig attraktive Person kann zu einer Augenweide werden, wenn sie einen Raum füllt.
Natürlich nicht physisch. Ich denke, es versteht sich von alleine, wie ich das meine. Ich kenne einige solcher Menschen, und sie faszinieren mich, weil ich auch das Gegenteil kenne. Menschen, egal ob Mann oder Frau, deren Abscheu, ich mag es nicht Hass nennen, sie auffrißt, wenn sie mit diesen charismatischen Personen zu tun haben.
Da stehen sie nun und schauen sie an: Die Augenweide, die doch Falten hat, die nicht perfekt ist, aber an deren Lippen alle hängen. Im Mittelpunkt einer jeden Party, ohne dass sie es forciert hat.
Und die andere?
Ein Glas Wein in der Hand, auf der Kante des Sofas sitzend, und darüber sinnierend, was das zu bedeuten hat.
Warum sie?
Sie hat dasselbe mausbraune Haar wie ich, denkt sie.
Ihre Nase ist etwas zu groß.
Meine Nase ist kleiner.
Aber dein Kinn ist zu breit, was nicht den Hauch ausmachen würde, wenn du Charisma hättest.
Eine prima Überleitung zu den durch Hass Häßlichen. Es muss nicht immer Hass sein, Neid würde ausreichen. Der schönste Mensch wird nie zur Augenweide, wenn ihn eines dieser Gefühle zerfrißt.
Das ist häufig der Fall, man merkt es an der Art, wie sie sprechen. Überheblich setzen sie alles herab, was derjenige sagt oder tut, dem der Neid gilt. Schön sind diese Menschen nicht. Sie sehen verbittert aus, baden aber gerne in dem, was sie Intelligenz nennen, die nichts anderes als Luftblasen des Badeschaumes sind.
Ich kannte mal so jemanden. Ihre Existenz war der Ballon aus druckreifen Zitaten und spitzfindigen Gemeinheiten, und ich dachte stets, dass sie, die echte Person, doch irgendwo darin sein müsse. Aber ich wusste, nähme ich eine Nadel, wäre es möglich den Ballon mit der Nadel zu zerstören, würde er platzen, und darin wäre -----Nichts. Gar nichts.
Keine Augenweide.
Anders verhält es sich mit dem Mädchen, halt -nein, sie ist bereits 23 demnach eine Frau, die sich dauernd die langen rotblonden Haare glättet, um auszusehen wie alle anderen.
Langweilig.
Unauffällig.
Als wir schwimmen gingen, trocknete ihr Haar an der Luft, und als es trocken war, umrahmte es in wilder rotgoldener Lockenpracht ein weiches hübsches Antlitz, mit dem sie mich ansah .
Mir bleibt die Luft weg. "Du liebe Güte! Du siehst überwältigend aus."
Ihre Wangen röten sich.
"Warum machst du das mit dem Glätteisen?"
"Na ja, weil alle so aussehen."
"Und? Ist es irgendwie erstrebenswert, wie alle auszusehen?"
Ja, sie ist schüchtern, aber mit ihrer Lockenpracht hat sie das Zeug, die Welt zu erobern. Weil sich hinter der Schüchternheit Klugheit verbirgt, weil sie witzig ist, das Zeug dazu hat, eloquent zu sein. Im kleinen Rahmen ist sie es ja schon. Eine schöne junge Frau, tatsächlich schön in der Bedeutung dieses Wortes, die ruhig den Mund zum reden öffnen darf.
Eine Augenweide.
Doch Augenweiden sind nicht immer Menschen.
Jetzt, in diesem Augenblick, mit dem Schmerz, der übrigens hervorragend dazu angetan ist, alles zu relativieren, was mich, wie die meisten anderen auch, seit 50 Tagen umtreibt. Ein Krieg, der allen meinen Werten widerspricht, und seine Konsequenzen.
Der Schmerz katapultiert mich zu einer Augenweide, bestehend aus Land. Sanft schwingende Hügel, unter mir das Tal, über das sich Anfangs die Lava des Sonnenuntergangs ergisst. Nächtelang wach, aber vom feuchtwarmer Luft umfangen, im Gesang das Zikaden, den Duft des wilden Thymians atmend.
Montespertoli.
Es gab nicht einen Tag ohne Schmerzen in Montespertoli, und wenn ich letztes Jahr etwas gelernt habe, dann dass ich sie dort aushalte.
Erdulde, mit einem Lächeln im übernächtigten Gesicht.
Eine Augenweide in und um mich.
Nur Schönheit. Die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt, ja, weil sie existiert.
Die Schönheit existiert, und kümmert sich nicht um mich, oder wie es mir geht. Oder wie es nur jedem Einzelnen geht.
Aber ich kann sie wie einen Mantel tragen, sogar mitnehmen nach Hause. Ich. brauche nicht einmal Fotos, die haben sich in meinem Kopf eingebrannt, wie die Gerüche und die Wärme auf der Haut.
Man sollte meinen, dass ich, nach 11 durchwachten Nächten nicht eben eine Augenweide war. Aber das täuscht. Beweisfotos liegen vor, aber wichtiger ist, was Steffi sagte: Hier bist du immer so geerdet.
Nein, meine Liebe. Hier bin ich glücklich.
Hier bin ich zuhause. Hier gehöre ich hin.
Und so wird jeder seine Augenweide haben, die nichts mit Menschen zu tun hat.
Katzen?
Immer eine Augenweide, selbst wenn sie sich albern gebärden oder mit allen vier Füßen nach oben ausgestreckt schlafen. Jede Katze ist eine Schönheit.
Natürlich ist die eine schöner als die andere. Die Prinzessin hier im Hause ist Lily. Weiß, mit roten und schwarzen Kuhflecken, die in sich getigert sind.
Aber auch hier gilt, was für Menschen gilt.
Sie ist schön, weil sie gut ist.
Weil sie, seit dem Tierheim aus dem wir sie holten, alles für ihre Schwester Emma tat, ihr stets den Vortritt ließ, und sie putzte, als Emma es noch nicht wagte, sich streicheln zu lassen.
Katzen sind die Perfektion der Schönheit.
Immer eine Augenweide.
Und ich?
Morgen - nein! Heute, sobald der Tag beginnt, habe ich ja was vor. Einkaufen, neuen Pflanzen für die Blumenkübel kaufen und die Hyazintenzwiebel in die Wiese setzen. Mich mit einer Freundin treffen, das zu tun, weil ich ja nicht wusste, dass er kommt, um nicht niederzumähen, der Schmerz.
Was mich ausmacht, ist, dass ich es trotzdem tue. Klar, ich werde nicht Autofahren, mit all den Drogen intus. Ein wenig improvisieren, mich abholen lassen, aber zuvor werde ich kämpfen. Vielleicht werde ich eine Pflegemaske brauchen, um nicht so müde auszusehen, wie jemand, der eine Nacht durchmacht.
Eine Augenweide werde ich nicht sein, könnte man denken.
Und doch bin ich es.
Der Wille, der Kampf und der Sieg machen mich dazu. Man wird es mir ansehen. Und dann werde ich lachen.