Mein Herz schlug wild vor Vergnügen und Freude. Aufgeregt, und mit züchtig niedergeschlagenem Blick zupfte ich an meinem langen Kleid und konnte mir ein schiefes Lächeln nicht verbieten, weil das alles nur ein Spiel war. Ein Spaß, den wir uns nur erlaubten, weil wir vor Langeweile umkamen. Als die ersten Klaviertöne erklangen, atmete ich tief ein. Als er mir seinen Arm galant reichte, schaute ich auf, und mein Vergnügen vervollkommnete sich.
Ihn anzusehen.
Er trug allein ein weißes, gerüschtes Hemd auf eine helle Wildlederhose, die verblichen war von den Regengüssen der Jahrhunderte und ausgebleicht von der unbarmherzigen Sonne der Dekaden. Sein dichtes blondes Haar, ungebärdig wie seine unsterbliche Seele, fing golden die streunenden Lichtstrahlen der zahllosen Kerzen auf mehrarmigen Kandelabern auf, die César für uns angezündet, ehe er sich an das Klavier gesetzt hatte. Die langen Wimpern flatterten vergnügt, und mein Herz, mein armes kleines Herz machte einen Hüpfer, denn er war der sonnenhelle Himmel der nordischen Wildnis und erfüllt von einem archaischen Leuchten, das dies hier, dies Endlose erträglich machte. Und… da! Die Violine. Phinea fing zu fideln an. An der schönen blauen Donau, und wir tanzten.
Er machte mit dem linken Fuß einen kleinen Schritt rückwärts. Ich mit dem rechten Fuß einen kleinen Schritt vorwärts. Kichern stieg in mir auf, weil es nicht leicht gewesen war, das auf die Schnelle zu lernen und César kein geduldiger Lehrmeister. Ich bin viel älter als der Tanz, habe ich ihm vorgeworfen und es nicht gelten lassen, dass selbiges auch auf ihn zutraf. Bald fand ich in den Rhythmus. Mein Liebster wirbelte mich durch den hell erleuchteten Saal, in dem sich die Kerzenflammen auf 17 Spiegeln mit 350 Spiegelflächen zigfach spiegelten. Ein Duplikat eines Duplikates eines Duplikates…
Wieder musste ich lachen. Er fühlte es am Beben meines Rückens, griff ein wenig fester zu, zwinkerte. „Was?“
„Ich denke, wie eitel sie gewesen sein müssen.“
„Wer?“
„Die dieses Schloss gebaut haben. Wenn sie sich andauernd selbst ansehen wollten.“
Sein Blick huschte von mir fort zur Seite, wo wir uns im Takt des Walzers wiegten und spiegelten und mehrere hundertmal reproduziert wurden.
„Womöglich“, hauchte er, „war der Bauherr nur verliebt. Auf dass er sein Herzeleid dreihundertfünfzigmal ansehen darf, nicht bloß einmal.“
Wieder lachte ich fröhlich, nur dieses Mal laut. César am Klavier räusperte sich vorwurfsvoll, was mich dazu veranlasste, eine bitterernste Miene aufzusetzen. Ich streckte den Rücken und tanzte mit großer Seriosität, die meinen Schatz zum Lachen brachte.
Aber plötzlich klirrte es. Im ersten Augenblick erfasste mich ein Schrecken, weil ich dachte, einer der Spiegel wäre zu Bruch gegangen, aber dann ging mir auf, dass es nur Orleans war, der seit seinem Tode diese erbärmlichen Ketten mit sich herum schleppen muss. Phinea und César hörten zu spielen auf. Wir blieben stehen und sahen zuerst nur sein Spiegelbild, dessen Antlitz nervös zuckte und Dringlichkeit ausstrahlte.
„Wir müssen verschwinden“, zischte er, „Ihr ward zu laut.“
Vorwurfsvoll blickte er zu den beiden. Phinea deutete mit dem Bogen auf seine Brust. „Erklär‘ mir, wie man leise musiziert“, spie sie aus, „Du hast gewusst, dass…“
„Los, keine Zeit, wir müssen verschwinden.“
César, der keine Eile kannte, zupfte an seinem Hemdsärmel. „Mir ist völlig unklar, warum wir abhauen müssen. Was soll uns denn schon passieren?“
„Zu bleiben, wäre verantwortungslos“, hetzte uns Orleans, „Es treibt die Menschen in den Wahnsinn, wenn sie uns sehen. Das wisst ihr genau.“
Mein Geliebter hatte bereits eines der 17 großen Fenster aufgestoßen. Ich schürzte mein Kleid und stieg schon mit einem Bein in den gigantischen Garten, in dessen Neptunbrunnen sich das Mondlicht silbrig spiegelte. Wolken hetzten über den Mond, verschatteten ihn, gaben ihn frei. Orleans stand bei uns, drängte meinen Schatz hinaus, aber César ließ es auf eine Diskussion ankommen.
„Die Kerzen, die Instrumente, all das wird den Typen nicht in den Wahnsinn treiben?“
„Wir haben da schon tausendmal drüber gesprochen“, drängelte Orleans, „Das ist nicht dasselbe. Mach schon.“
Gemächlich kam er herbei und erreicht uns andere, die wir hinter dem Brunnen kauerten, erst, als die schlurfenden Schritte des Wachmannes näher kamen.
Da fiel mir was ein. „Wo ist eigentlich Catweazle?“
Ein markerschütternder Schrei gellte zur Antwort in die Nacht. Ein Käuzchen flog klagend über uns hinweg. Die anderen guckten verdutzt, aber Robert warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Einzig übertönt von Cats hektischen Beschwichtigungen. „Ich hab‘ nichts gemacht. Ich war das nicht.“
„Hierher, hier!“ Robert winkte ihn herbei. Gebeugt und verlottert stand er schließlich neben uns. „Jetzt ist der ohnmächtig, der Nachtwächter.“
Orlean rümpfte die arrogante Nase. „Ihr seid wirklich die unmöglichsten Geister, die ich je beherbergt habe. Und dann müsst ihr noch diesen Hexer mitschleppen. Wo habt ihr den Penner überhaupt her.“
„Er ist uns zugelaufen, als wir vor einhundertzehn Jahren in England waren.“
„Er ist eigentlich sehr nett“, meinte Phinea.
César deutete zum offenen Fenster. „Wenn der Wachmann ohnmächtig ist, können wir doch weiter machen, oder?“