Lee landete mit der jungen Frau, die er in seinen Armen hielt, in seiner Wohnung. Behutsam überprüfte er, ob sie nach der Teleportation sicher stand, dann ging er hinüber zur Tür seines Apartments, um den Sicherheitscode in sein Alarmsystem einzugeben und die Anlage gleich darauf wieder zu aktivieren.
„Was…“, stammelte die Frau und sah sich verwirrt um, ehe sie Lee erblickte. „Wer sind Sie?“ Sofort nahm sie eine Haltung ein, als wolle sie jeden Moment auf ihn losgehen.
„Tut mir wirklich leid, dass ich Sie so überrumpelt habe.“ Lee hob die Hände. „Aber es war nur zu Ihrem Schutz.“
Die Frau kniff die Augen zusammen und musterte ihn misstrauisch. „Vampir“, zischte sie dann und trat einen Schritt rückwärts, als wolle sie mehr Abstand zwischen sie bringen.
Lee nickte. Gut, immerhin wusste sie von seiner Art. Das machte die Sache schon erheblich einfacher.
„Leander Goldrin“, stellte er sich vor und streckte ihr die Hand höflich entgegen.
„Kommen Sie bloß nicht näher“, fuhr die Frau ihn an.
Seufzend blieb Lee stehen. „Wie ich bereits sagte, ich wollte Sie nicht erschrecken.“
„Sie haben mich entführt.“ Sie sah sich hastig in seinem Apartment um, als suche sie nach einer Fluchtmöglichkeit.
„Eigentlich habe ich Sie gerettet“, erklärte Lee. „Vielleicht können wir uns setzen und dann erkläre ich Ihnen alles.“ Er deutete auf die Couch, die sich hinter ihr im offenen Wohnbereich mit der großzügigen Fensterfront befand.
Die rotblonde Frau schien kurz zu überlegen, dann seufzte sie ergeben. „Ich warne Sie, ich weiß mich zu wehren“, murmelte sie dann und stolzierte vor ihm zum Sofa, auf dem sie platznahm.
Ein Grinsen schob sich auf Lees Züge. Er konnte sich nur allzu gut vorstellen, dass sie in der Lage war, sich zu verteidigen und er konnte nicht leugnen, dass er nichts dagegen einzuwenden hatte, mit ihr zu ringen.
„Möchten Sie etwas trinken?“, fragte er jetzt jedoch wie es sich für einen guten Gastgeber gehörte.
„Nein, danke“, erwiderte sie knapp und schlug die langen Beine übereinander.
Lee setzte sich ihr gegenüber auf einen der beiden Ledersessel und schenkte ihr ein breites Lächeln. Sie war wirklich atemberaubend.
„Also?“ Sie zog fragend eine Augenbraue nach oben. „Was wollen Sie von mir, Mr. Goldrin?“
„Ich wollte Ihr hübsches Köpfchen retten“, gestand Lee ehrlich, was sie nur zu einem weiteren Stirnrunzeln brachte. „Wieso?“
„Weil Sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.“
„Ich war bei der Beerdigung meines Cousins“, widersprach sie.
Lees Augenbrauen schossen nach oben. „Ihr Cousin?“ Das machte es allerdings nicht unbedingt leichter.
Die Frau nickte. „Lucas Leander Delour“, nannte sie den Namen des Toten und Lee schluckte. „Dann sind Sie…“
„Eine Dämonin. Ganz Recht.“ Sie straffte die Schultern. „Bereuen Sie schon, mich gerettet zu haben?“ Um ihre Lippen erschien ein überlegenes Lächeln, als sie ihr Kinn selbstsicher nach vorn streckte.
„Ganz und gar nicht“, gestand Lee und lächelte ebenfalls. Eine Dämonin war nicht das, was er erwartet hatte, aber er würde mit ihr fertig werden. Im Grunde waren sie gar nicht so verschieden.
„Was ist mit meiner Familie?“, wollte sie nun von ihm wissen und in ihrer Stimme schwangen keinerlei Emotionen mit. Lee wich ihrem Blick aus, in dem er hinaus auf das nächtliche Toronto blickte. „Ich fürchte alle Anwesenden der Trauerfeier sind tot.“
Er hörte wie sie schluckte, aber sie schien nicht schockiert. Eine Tatsache, die ihn mehr als alles andere überraschte, war die Kühle, mit der sie schließlich nur fragte: „Wieso bin ich es nicht auch?“