Ihre Worte trafen Lee wie einen Schlag mitten ins Gesicht.
Er schluckte, während er sich von ihr abwandte und aus dem Fenster blickte. Sie liebte ihn nicht!
Natürlich hätte Lee das bereits ahnen müssen, aber er hatte sich eben doch Hoffnungen gemacht. Seine Gefühle für Ray waren längst so tief, dass er es nicht mehr leugnen konnte. Er hatte sich in sie verliebt.
Und auch wenn er es hatte langsam angehen lassen wollen, war sie es doch gewesen, die den nächsten Schritt gemacht hatte. Und nachdem sie die letzten Stunden innig miteinander im Bett verbracht hatten, hatte Lee angenommen, dass von ihrer Seite inzwischen eben auch Gefühle im Spiel waren.
Die Gewissheit, dass das nicht der Fall war, traf ihn deshalb jetzt umso härter.
Lee spürte Bastian Blick, der ihn durch den Rückspiegel anschaute, doch er beachtete ihn nicht. Im Moment konnte er es einfach nicht ertragen, wenn er nun auch noch von seinem besten Freund bemitleidet werden würde.
Das betretene Schweigen im Wageninneren war schon schlimm genug und so war Lee beinah erleichtert, als Bastian in die Einfahrt einer Tiefgarage einbog.
Eric, der blonde Jäger, der vor Ray saß, räusperte sich. „Da wären wir also“, sagte er übertrieben fröhlich in die angespannte Stimmung hinein. Bastian nickte nur und CJ, der zweite Jäger, schwieg weiterhin genau wie Lee.
Ray hingegen lehnte sich jetzt nach vorn. „Wir müssen ins untere Deck. Ganz nach hinten“, gab sie Bastian Anweisung und dirigierte ihn durch die nur schwach beleuchteten Parkflächen.
Als sie den Wagen schließlich abstellten und aus dem Inneren kletterten, würdigte Ray Lee keines Blickes.
Das konnte ja heiter werden!
Der zweite SUV hatte direkt neben ihnen angehalten und nun stiegen auch die anderen Jäger aus. Ray deutete inzwischen auf eine Tür, die aussah, als führe sie in einen Kontroll-Raum. Ein Schild mit der Aufschrift „Nur für Personal“ diente vermutlich dazu, ungebetene Besucher abzuschrecken.
„Dort ist es“, erklärte Ray und alle Blicke richteten sich auf sie.
„Und kannst du deinen Bruder spüren?“ Bastian hob fragend eine Augenbraue, ehe er zu Lee blickte. Der ballte nur die Hände zu Fäusten. Ihm gefiel das alles absolut nicht!
Ray blickte zu Boden und runzelte dann die Stirn. „Nur ganz schwach“, meinte sie dann nachdenklich. „Es ist, als würde er vor mir abgeschirmt werden.“
„Vermutlich ein Zirkel“, überlegte Bastian und einige der Jäger machten zustimmende Laute.
„Dann sollten wir rein gehen“, meinte Mitch und öffnete die Kofferraumklappe des Fahrzeugs, mit dem er hergekommen war.
Lee konnte ein leises Knurren nicht unterdrücken, doch niemand beachtete ihn weiter, denn die Männer machten sich nun daran, ihre Waffen aus dem Wagen zu holen. Ray stand währenddessen nur wenige Schritte von ihm entfernt, starrte aber stur an ihm vorbei. Kurz überlegte Lee, ob er sie einfach schnappen und von hier fortbringen sollte, aber vermutlich wäre das für ihre Beziehung nicht sonderlich hilfreich. Es war wirklich zum Verrücktwerden!
„Lee“, rief Bastian seinen Namen in dem Moment und Lee wandte den Blick von Ray ab, um sich seinem Freund zuzuwenden. Der warf ihm genau in diesem Moment eine 9mm Waffe zu, die Lee reflexartig auffing. Dann ging er hinüber zu Bastian und den anderen, um sich mit einem Dolch und genügend Magazinen für die Schusswaffe einzudecken.
„Reiß dich zusammen“, zischte Bastian ihm zu und Lee sah ihn fragend an. Als sein Freund mit dem Finger auf den Dolch in seiner Hand deutete, bemerkte Lee, was er meinte. Er hatte den Griff der scharfen Waffe so fest umfasst, dass das Weiße seiner Knöchel bereits hervortrat. Mit einem Stöhnen zwang Lee sich dazu, die Waffe lockerer zu fassen und dann mit der Scheide an seinem Gürtel zu befestigen.
Nachdem alle Jäger bis auf die Zähne bewaffnet waren, positionierten sie sich vor der Tür, die zum Hauptquartier der Greys führen sollte.
„Kannst du schießen?“, fragte Bastian an Ray gewandt und Lee schnappte nach Luft.
Ray schien ebenso überrascht zu sein und schüttelte dann mit dem Kopf.
„Dann nimm das.“ Bastian drückte ihr einen Dolch in die Hand, den sie nahm, aber misstrauisch beäugte. Lee setzte gerade an, seine Bedenken zu äußern, da kam Bastian ihm zuvor. „Es ist besser, wenn du dich im Notfall verteidigen kannst“, erklärte er, sah dabei aber nicht Ray sondern Lee an.
Dieser verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und nickte grimmig. Er hatte nicht vor, von Rays Seite zu weichen, aber wenn es hart auf hart kam, war es vermutlich wirklich besser, wenn sie nicht unbewaffnet war.
„Gut“, meinte Bastian dann und teilte seine Männer in drei Teams ein. „CJ, Eric und Pat, ihr übernehmt die Vorhut. Ray? Du folgst mir gemeinsam mit Lee. Und Mitch, Cill und Drake? Ihr übernehmt die Nachhut.“
Alle nickten und Lee war beinah etwas überrascht, dass auch Ray sich den Anweisungen ohne Widerrede unterordnete.
Am liebsten hätte er nach ihrer Hand gegriffen, aber er hielt sich zurück, als CJ nun die Tür aufschob und mit vorgehaltener Waffe geräuschlos ins Innere glitt. Direkt hinter ihm folgten die anderen beiden Jäger seines Teams.
„Sauber“, hörten sie einen von ihnen dann sagen und Bastian nickte Lee zu. Sein Freund schob sich durch die Tür. „Jetzt du“, sagte Lee zu Ray und sie nickte. Mit angespannter Miene schlich sie hinter den Männern her und Lee trat gleich nach ihr ebenfalls durch die Tür.
Sie befanden sich in einem kleinen Flur, von dem aus eine Treppe noch tiefer nach unten führte. Das spärliche Licht einer weißen Leuchtstoffröhre half ihnen zwar, die ersten Stufen zu erkennen, aber mehr konnte Lee beim besten Willen nicht ausmachen.
Das erste Team der Jäger war bereits einige Stufen hinuntergestiegen und Bastian folgte ihnen leise.
Nun wurde es also ernst!