Ray legte den Kopf schräg und blieb in der Tür stehen, als sie sah, dass Lee telefonierte. Schon während sie ihre Sachen ausgepackt und sich umgezogen hatte, hatte sie ihn nebenan leise sprechen hören. Sie hatte dem Drang zu lauschen jedoch widerstanden und ihm seine Privatsphäre gelassen.
Nachdem sie sich dann allerdings fertiggemacht hatte, hatte sie ihn nicht mehr reden hören und angenommen, dass er das Gespräch beendet hatte. Deshalb war sie nun auch aus dem Zimmer getreten.
Sie hatte sich allerdings geirrt. Lee telefonierte noch immer und starrte sie jetzt auf eine Weise an, die Ray nicht deuten konnte. Offenbar hatte sie ihn gestört und das war ihr ehrlich unangenehm.
Fragend legte sie den Kopf schräg und deutete mit dem Finger hinter sich. „Soll ich dich allein lassen?“, fragte sie leise, denn sie wusste, dass er sie trotzdem hören konnte.
Augenblicklich schüttelte Lee den Kopf, bedeutete ihr aber mit einer Geste seiner Hand, dass sie kurz warten sollte.
„Ruby?“, fragte er in das Mobilfunkgerät. „Entschuldige, aber können wir vielleicht später weitersprechen?“
Es folgte ein Moment der Stille, dann nickte Lee. „Genau“, sagte er und Ray nagte nervös auf ihrer Unterlippe herum.
Wieder wartetet Lee und lauschte der Stimme am anderen Ende der Leitung. Dann zog er offenbar überrascht die Augenbrauen nach oben und sah zu Ray hinüber.
Er musterte sie kurz. „Ich weiß nicht…“, murmelte er dann, als müsse er nachdenken.
Ray verschränkte die Arme vor der Brust. Wieso sah er sie denn so an?
„Vielleicht hast du Recht“, lenkte Lee dann ein und nickte ohne den Blick von ihr zu nehmen. „Ja“, bestätigte er der Person am Telefon dann irgendetwas. „Gut. In einer halben Stunde also.“
Damit beendete er das Gespräch und grinste Ray an. „Hast du Lust auf einen Ausflug?“, fragte er und dabei blitzte etwas in seinen Augen auf, was sie nicht so Recht zu deuten wusste.
Argwöhnisch zog Ray eine Augenbraue in die Höhe. „Einen Ausflug wohin?“
„In einen Club“, erklärte Lee. „Einen Nachtclub.“
„Bitte?“ Was wollte er denn mit ihr in einem Nachtclub?
„Ganz Recht. Schließlich müssen wir uns doch ein bisschen unter Leuten herumtreiben“, gab er zu bedenken. „Wie sonst soll ich die Jäger davon überzeugen, dass du und ich…“ Er machte eine Geste von sich selbst zu ihr und wieder zurück und ließ den Rest des Satzes unausgesprochen.
Sie verstand auch so, was er meinte und nickte langsam. Es wäre sicher eine gute Idee, wenn sie gemeinsam gesehen würden. Aber in einem Nachtclub?
„Der Club gehört meiner Schwester und ist äußerst beliebt bei meiner Art“, erklärte Lee weiter und stand auf. „Er heißt Lady Shadow und befindet sich nicht weit von hier.“
„Lady Shadow?“, wiederholte Ray langsam. Ja, sie hatte von dem Laden gehört und sie wusste auch, dass es dort nur von Vampiren wimmelte. Ihre Art mied dieses Lokal aus genau diesem Grund in der Regel weiträumig.
Ein dicker Kloß bildete sich jetzt in ihrem Hals, wenn sie nur daran dachte, genau den Club zu betreten, vor dem sie schon als kleines Kind gewarnt worden war.
„Meinst du, dass es eine gute Idee ist, wenn ich dort hingehe?“, fragte sie und sie konnte ihre eigene Angst in ihrer Stimme hören.
„Natürlich“, bestätigte er. „Wir werden dort gemeinsam hingehen. Dir wird nichts passieren. Das verspreche ich.“ Lee, der inzwischen zu ihr herübergekommen war, griff nach ihren Händen und drückte sie. „Du musst wirklich keine Angst haben.“
Sie verzog das Gesicht. „Ich habe keine Angst“, log sie. „Ich bin eine Dämonin.“
Er schmunzelte. „Ich weiß. Also worauf warten wir noch?“