Lee beobachtete Ray von der Seite und musste sich zwingen, sie nicht zu berühren. Er stand so nah hinter ihr, dass er die Wärme ihres Körpers spüren konnte, er hörte ihre leisen Atemzüge und konnte ihren so herrlichen Duft riechen.
Jetzt beobachtete sie die Tänzerinnen, wie er ihr gesagt hatte und er war wirklich gespannt, zu welchem Urteil sie kommen würde. Es dauerte eine Weile, in der sie schweigend hinaus auf die Bühne schaute. Lee interessierte sich nicht für das Treiben dort draußen, seine Aufmerksamkeit war ganz auf die wunderschöne Frau gerichtet, die vor ihm stand.
„Du hast Recht“, sagte sie schließlich und riss ihn damit aus seiner Starre. Unbewusst hatte er den Atem angehalten, weshalb er nun tief Luft holte.
„Das, was die Tänzerinnen dort treiben, ist sicher kein Herumgezappel“, bestätigte sie und tippte mit dem Zeigefinger gegen das Glas. „Es ist eher ein Vorspiel.“
„Was?“ Ihre Worte überraschten ihn so sehr, dass er sie mit großen Augen anstarrte. Ein Vorspiel?
Über die Schulter sah sie ihn an. „Natürlich. Das, was sie machen hat doch nur einen Zweck. Sie heizen den Männern ein.“
„Ähm.“ Lee musste zugeben, dass die Tänzerinnen tatsächlich ziemlich aufreizende Bewegungen an den Stangen vollführten, als er jetzt einen kurzen Blick hinüber zur Bühne warf.
„Es ist wie ein Balztanz. Nicht gerade erstrebenswert, wenn du mich fragst.“ Ray zuckte mit den Schultern und wollte gerade zurück zum Sofa gehen, doch Lee griff nach ihrem Arm und hielt sie fest. „Na schön“, gab er zu. „Ihr Job ist es auch, die Stimmung etwas anzuheizen.“ Er zog Ray wieder dichter an sich, umfasste ihre Schultern und posizionierte sich erneut hinter ihr. Dann sah er über ihre Schulter und deutete auf eine junge Frau, die nur wenige Meter von ihnen entfernt auf der Tanzfläche stand. „Aber was ist mit ihr?“, fragte er. „Sie scheint keinerlei Interesse daran zu haben, was die anderen Gäste von ihr halten. Sie ist hier, um Spaß zu haben. Das Tanzen macht sie glücklich.“
Ray folgte seinem Blick und beobachtete die Frau einen Moment. Mit geschlossenen Augen wog diese sich im Takt der Musik und auf ihren Lippen lag der Anflug eines Lächelns. „Mag sein“, lenkte Ray ein.
„Oder was ist mit diesen beiden?“ Lee zeigte auf ein Pärchen, das sich umarmte und eng umschlungen miteinander tanzte.
Ray lachte leise auf. „Da haben wir wieder den Typ Vorspiel.“
Lee musste nun ebenfalls lachen, als er sah, wie der Mann die Hände auf den Hintern der Frau gleiten ließ und sie fest an sich presste. Gut, das war tatsächlich kein gutes Beispiel gewesen.
Ray drehte sich zu ihm herum und sah zu ihm auf. „Es ist eben einfach nicht so mein Ding“, wiederholte sie lächelnd.
„Vielleicht wird es das irgendwann“, murmelte er und zog sie an sich. Dann begann er sich langsam im Takt der leisen Musik zu bewegen und sie hatte keine andere Wahl, als es ihm gleich zu tun.
„Das denke ich eher nicht“, erklärte sie entschieden und versuchte sich von ihm loszumachen, doch er ließ das nicht zu. Noch nicht.
Mit einer Hand umfasste er ihre Finger, während er den anderen etwas fester um ihre Taille schlang und so mit ihr tanzte. „Schließ die Augen“, bat er sie dann, doch sie runzelte nur die Stirn. Misstrauisch beäugte sie ihn.
„Vertrau mir.“ Er lächelte und hoffte, dass sie dazu bereit sein würde.
Einen Moment zögerte Ray, doch dann schloss sie tatsächlich ihre Lider.
Lee musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu jubeln. Das war doch wirklich ein verdammt guter Anfang!
Sanft zog er sie mit sich, während er ihr hübsches Gesicht betrachtete. Ihre Füße schienen im absoluten Einklang mit seinen zu agieren, denn sie folgten ihm gekonnt. Als Lee sie schließlich in einer flüssigen Drehung herumwirbelte, riss sie erschrocken die Augen auf, doch noch ehe sie reagieren konnte, hielt er sie schon wieder an sich gepresst. „Jetzt sag mir, dass dir das nicht gefällt.“ Er sah schmunzelnd auf sie herab und stellte zufrieden fest, dass sich ein rötlicher Hauch auf ihre Wangen legte. Gerade machte sie den Mund auf, um etwas zu antworten, da klopfte es an der Tür.
Augenblicklich zuckte Ray zusammen und löste sich aus seinem Griff.
Diesmal ließ er sie gewähren, auch wenn er über die Störung alles andere als begeistert war.
Mit grimmiger Miene ging er hinüber zur Tür und riss sie in einer raschen Bewegung auf. Vor ihm stand ein junger Kellner, der ein reichlich gefülltes Tablett vor sich hielt. Als er Lees zornige Miene bemerkte, trat er einen Schritt zurück. „Entschuldigen Sie die Störung, Sir“, stammelte er. „Aber ich bringe Ihre Bestellung.“
Lee nickte. Der arme Kerl konnte schließlich nichts dafür, dass er sie im unpassendsten Moment erwischt hatte. „Danke“, brummte er deshalb, zog einen Schein aus seiner Hosentasche und reichte diesen dem Kellner, als er ihm das Tablett abnahm. „Das war dann alles“, erklärte er zur Sicherheit noch einmal und der junge Mann schien den Wink zu verstehen. Mit einem gemurmelten Abschied verschwand er zurück in die Menge.