Lee beobachtete wie der Arzt und die Schwester die Decke von Rays Oberkörper zogen und dann nach dem Bund des Nachthemdes griffen.
„Moment“, rief Ray und ihre Wangen röteten sich. „Ich hab da doch gar nichts drunter“, stammelte sie beschämt.
Lee zog eine Augenbraue nach oben, als er ihre bloßen Beine erblickte. Sie war unter dem Hemdchen vollkommen nackt?
„Sie müssen sich wirklich nicht vor uns schämen“, sagte die Krankenschwester und lächelte ihr zu.
Rays Lippen bewegten sich ohne, dass sie etwas sagte. Dann schaute sie unsicher zu Lee.
„Ich warte draußen“, erklärte er rasch und erhob sich von seinem Stuhl. Kurz drückte er noch einmal Rays Hand, die ihm dankbar zulächelte. „Bis gleich.“ Dann verließ er den Raum und ignorierte die fragenden Blicke des Arztes und der Schwester. Die beiden nahmen an, dass Ray seine Gefährtin war, weil es genau das war, was er ihnen gesagt hatte. Dass sie sich nun darüber wunderten, dass sie sich vor ihm zierte, war also nicht schwer nachzuvollziehen. Aber Lee würde ihnen sicher nicht unter die Nase binden, dass die Sache zwischen Ray und ihm weit komplizierter war.
Seufzend lehnte er sich gegen die Wand des Krankenhausflures und zog sein Mobiltelefon aus der Hosentasche. Rasch tippte er eine Nachricht ein, in der er seine Schwester davon in Kenntnis setzte, dass Ray aufgewacht war und wählte dann Bastians Nummer. Er ging sofort ran, was Lee vollkommen überraschte. Inzwischen musste es bereits nach Mittag sein und Bastian schlief um diese Zeit üblicherweise und hasste es, wenn man ihn und Cam dabei störte.
„Lee? Was gibt’s?“, fragte Bastian jetzt am anderen Ende der Leitung.
Lee sammelte sich, ehe er sich an seinen Freund wandte. „Sie ist wach!“, teilte er ihm mit. „Sie ist endlich aufgewacht!“ Er war so erleichtert, dass er es selbst an seiner Stimme hören konnte.
„Endlich“, sagte Bastian und dann rief er jemandem im Hintergrund die guten Neuigkeiten zu.
„Wie geht es ihr?“, wandte er sich dann wieder an Lee.
„Der Doktor untersucht sie gerade. Aber sie sagt, sie hat keine Schmerzen.“
„Ein Glück“, entfuhr es Bastian und Lee konnte ihm nur zustimmen.
„Gibt es etwas neues von Isaac?“, wollte Lee dann wissen und sein Freund wurde sofort ernster. „Nicht wirklich“, informierte er ihn. „Diese Dämonen wissen, wie man untertaucht. Aber wir sind dran. Kümmer du dich jetzt erst einmal um Ray. Und wenn es ihr besser geht, dann meldet euch bei mir. Vielleicht kann sie uns helfen, ihren Bruder aufzuspüren.“
Lee machte einen zustimmenden Laut und wollte schon auflegen, als Bastian noch etwas anderes sagte: „Und Lee? Duncan hat ein bisschen bezüglich dieser gesegneten Waffen herumgeforscht. Demnach, was er herausgefunden hat, verliert ein Dämon seine Fähigkeit sich zu heilen für immer, wenn er mit einer solchen verletzt wird.“
„Für immer?“, wiederholte Lee langsam.
„Ganz Recht.“ Bastian räusperte sich. „Tut mir leid, Mann.“
Lee verzog das Gesicht. Er verstand, was Bastian meinte. Er nahm an, dass Ray nun genauso verletzlich sein würde, wie ein normaler Mensch. Und das wäre für Lee tatsächlich eine Vorstellung, die er kaum ertragen konnte. Er müsste sich permanent um sie Sorgen und befürchten, dass sie an etwas lapidarem wie einem Insektenstich sterben könnte.
Aber Bastian verfügte nicht über dieselben Informationen wie Lee.
„Ich muss jetzt schlussmachen“, murmelte Lee deshalb ins Telefon, als der Arzt und die Schwester aus Rays Zimmer traten. „Ich melde mich.“
Damit beendete er das Gespräch, schob sein Handy zurück in die Hosentasche und wandte sich an den Arzt. „Und?“
„Es sieht gut aus“, erklärte dieser und lächelte. „Die Wunde heilt, wie sie es sollte. Ich bin sicher, in ein bis zwei Tagen sollte ihre Gefährtin wieder vollkommen fit sein.“
Lee stieß geräuschvoll die Luft aus. „Danke“, sagte er und wäre dem Arzt vor Glück am liebsten um den Hals gefallen.
„Der Dank gilt nicht uns. Die Operation hat den Heilungsprozess zwar beschleunigt, aber Sie waren es, der sie gerettet hat.“