Ray zuckte mit den Schultern. „Es war nicht zu überhören“, meinte sie dann entschuldigend, doch Bastian schien das sich nicht weiter daran zu stören.
„Es freut mich jedenfalls, dich kennenzulernen“, erklärte Bastian und sie spürte deutlich, dass er es ernst meinte. „Dann warst du also im Lady Shadow?“
„Mit Lee“, erklärte Ray rasch, weil sie glaubte, es könne nicht schaden, das zu erwähnen.
„Lee habe ich nirgends gesehen!“ Der Jäger, der bisher geschwiegen hatte, meldete sich jetzt zu Wort und er klang ein wenig aufgeregt.
„Schon gut, Mitch.“ Bastian hob abwehrend die Hand und grinste den anderen Mann dann ein wenig schadenfroh an. „Wenn ich allerdings in deiner Haut stecken würde, würde ich jetzt dringend das Weite suchen, bevor ich Lee davon in Kenntnis setze, dass sie hier ist.“ Er deutete auf Ray und jede Farbe wich aus dem Gesicht des Mannes. „Ich…“, stammelte er. „Aber ich wusste nicht…“
„Hau schon ab“, lachte Bastian und der Jäger namens Mitch brauchte keine weitere Einladung. Augenblicklich teleportierte er sich davon.
„Wenn du willst, bringe ich dich dann mal hier raus“, bot Bastian ihr anschließend an und Ray nickte dankbar. Er ergriff ihre Unterarme und hielt sie mit seinen großen Händen fest, dann wurde es für einen Moment schwarz vor ihren Augen und als sie blinzelte, befanden sie sich am Rande eines Tors vor einer breiten Auffahrt. Wie von Zauberhand schwang dieses jetzt auf und Bastian führte sie wortlos hinein. Sie liefen über den beleuchteten Weg hinauf zu einem großen Anwesen und stiegen schließlich die wenigen Stufen hinauf bis zur Haustür.
Bastian öffnete sie und trat vor ihr ein, doch Ray zögerte. War es so eine gute Idee, mit dem fremden Vampir in sein Haus zu gehen?
Allerdings hatte er sie gerade aus dem Zirkel befreit. Wenn er sie hatte festhalten wollen, hätte er sie einfach dort gelassen, wo sie bereits gewesen war.
„Komm schon.“ Bastian machte eine auffordernde Geste und Ray gab sich einen Ruck. Sie trat in den großen Eingangsbereich und staunte, als sie die elegante Einrichtung betrachtete. Eine große Treppe führte hinauf in den ersten Stock, zu ihrer Linken ging ein schmalerer Gang vom Flur ab und zu ihrer Rechten befand sich eine breite Flügeltür, die offen stand. Aus dem Inneren dieses Raumes drang Stimmengewirr und Bastian steuerte nun darauf zu. Langsam folgte Ray ihm, blieb dann aber im Türrahmen stehen. Vor ihr erstreckte sich eine große Bibliothek, die über und über mit Regalen voller Bücher gefüllt war.
Zwei junge Frauen saßen auf einer bunten Decke auf dem Boden und spielten mit einem kleinen Mädchen von vielleicht zwei Jahren.
Bastian ging an der gemütlich wirkenden Sitzgruppe mit den zwei weißen Sofas und Sesseln vorbei und zu den Frauen hinüber. Er strich dem kleinen Mädchen mit dem schwarzen Lockenkopf in einer beiläufigen Geste über das Haar und drückte der rothaarigen Frau einen Kuss auf den Scheitel, ehe er in Rays Richtung deutete. „Ray, das sind meine Frau Cam,“, er zeigte auf die Rothaarige, „meine Schwägerin Adriana und meine Nichte Mira.“ Er deutete in Richtung der Brünetten und des Kindes. Dann zuckten seine Mundwinkel und er wandte sich an seine Familie. „Und das ist Ray. Lees mögliche Gefährtin.“
„Die Dämonin?“ Adriana keuchte sichtlich schockiert und griff nach der Hand ihrer Tochter. Ray zuckte zusammen, doch sie konnte ihr diese Reaktion nicht verübeln. Sie wusste, was ihre Art für einen Ruf hatte und sie selbst fühlte sich ja auch nicht gerade wohl in der Gegenwart der Vampire, obwohl diese ihr bisher nur freundlich entgegen getreten waren.
Vorsichtig versuchte sie sich an einem Lächeln, kam aber nicht dazu, etwas zu sagen, da Bastian das bereits übernahm. „Mach dir keine Sorgen. Sie wird niemandem etwas tun.“
Er schaute prüfend zu Ray hinüber und sie nickte rasch. Auch wenn er ihr noch so sympathisch erschien, seine Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er nicht zögern würde, sie einen Kopf kürzer zu machen, sollte sie auch nur einem in diesem Raum ein Haar krümmen.
„Was tut sie hier?“, wollte die rothaarige Cam jetzt wissen und auch in ihrer Stimme war eine deutliche Anspannung zu hören.
„Nun, es gab da wohl ein Missverständnis.“ Bastian schmunzelte sichtlich amüsiert. „Mitch hat sie im Lady Shadow aufgelesen, wo sie offenbar mit Lee unterwegs war. Ich werde ihn jetzt mal anrufen. Er wird stinksauer sein.“
Ray zog eine Augenbraue nach oben. Warum er das so furchtbar witzig zu finden schien, verstand sie nicht. Aber es war ihr im Moment eigentlich auch egal.
Bastian erhob sich jetzt wieder aus seiner hockenden Position und kam zu ihr herüber. „Wir gehen in mein Büro“, erklärte er dann und ging vor ihr her, ohne darauf zu warten, ob sie ihm folgte.