Ray lag auf einem harten Untergrund. Spitze Steine stießen ihr in den Rücken und sie hatte das Gefühl, dass jeder einzelne ihrer Knochen höllisch schmerzte. Blinzelnd öffnete sie die Augen und sah sich in der düster-grauen Umgebung um. Irritiert erkannte sie, dass sie sich in einer Steinschlucht befand, die zu beiden Seiten von hohen Felswänden umschlossen war.
Vorsichtig versuchte Ray, sich aufzurichten, doch dabei durchzuckten neue Schmerzen ihren Körper. Erschrocken schnappte sie nach Luft, doch sie hatte das Gefühl, dass der Sauerstoff ihre Lungen nicht erreichte.
Stöhnend rollte sie sich auf die Seite und ignorierte dabei die scharfen Kanten, die sich in ihre Haut zu bohren schienen. Ein heftiger Stich schoss durch ihren Kopf und sie schrie auf. Dann endlich gelang es ihr auch wieder zu atmen.
Mit Tränen in den Augen inhalierte sie mehrere Male, holte tief Luft, bis sich ihre Lungen wieder normal anfühlten.
Erst dann unternahm sie einen erneuten Versuch, aufzustehen.
Noch langsamer als zuvor, richtete sie sich jetzt auf und es überraschte sie beinah selbst, dass es ihr diesmal gelang.
Sie rutschte ein Stück zur Seite, um auf einer ebeneren Kante eines Steines sitzen zu können, während sie ihren wunden Oberkörper abtatstete. Besonders auf der linken Seite, gleich unter ihrer Brust hatte sie höllische Schmerzen. Als sie jedoch das dünne Top heraufzog, um einen Blick auf die vermeintliche Wunde zu werfen, war die Haut an dieser Stelle völlig unversehrt. Stirnrunzelnd ließ sie den Stoff wieder sinken und kontrollierte auch den Rest ihres Körpers. Nirgends konnte sie auch nur den kleinsten Kratzer ausmachen und trotzdem hatte sie das Gefühl, man habe sie durch den Fleischwolf gedreht.
Was war nur geschehen?
Mehrmals schluckte Ray, ehe sie sich dazu zwang, aufzustehen. Sie trug keine Schuhe, weshalb sie darauf achten musste, vorsichtig zwischen den spitzen Steinen aufzutreten. Ihr war ein wenig schwindlig, doch sie ignorierte dieses Gefühl und zwang sich mit tiefen Atemzügen zur Ruhe.
Es dauerte eine Weile, ehe sie schließlich die ersten zittrigen Gehversuche machte. Zögerlich bahnte sie sich ihren Weg über das Geröll. Wo zum Teufel war sie hier nur gelandet? Und vor allem wie war sie hier hergekommen?
Der Himmel über ihr war düster und von schwarzen Wolken verhangen. Furchteinflößend zogen sie über Ray hinweg, die nun zu frösteln begann.
Sie rieb sich über die Oberarme und versuchte etwas schneller zu gehen. Doch der dröhnende Kopfschmerz und das Stechen in der Seite waren kaum auszuhalten. Immer wieder musste sie stehenbleiben, um wieder zu Atem zu kommen. Die Schlucht schien sich dabei allerdings endlos in die Länge zu ziehen und kein Ende zu haben.
Fluchend blieb Ray abermals stehen. Ihre Umgebung hatte sich kein bisschen verändert und egal wohin sie schaute, überall gab es nur Steine, Felsen und Geröll. Das konnte doch nicht wahr sein!
„Hallo?“, rief sie nicht besonders hoffnungsvoll, aber sie wollte es wenigstens versucht haben. Wie als habe er nur darauf gewartet, krachte am Himmel genau in diesem Moment ein heftiger Donner. Und zeitgleich begann es in Strömen zu regnen.
„Verflucht!“ Ray war innerhalb von wenigen Sekunden bis auf die Knochen durchnässt. Ihre Kleidung klebte ihr an der Haut und sie zitterte vor Kälte, während der Donner über ihr dröhnte und Blitze zu zucken begannen.
Ray versuchte am Rand der Schlucht einen Unterschlupf auszumachen, als einer der Blitze plötzlich wenige Meter vor ihr in den Boden einschlug.
Sie schrie auf, während die Helligkeit ihr die Sicht nahm und sie zurücktaumelte. Beinah wäre sie gestolpert, doch es gelang ihr, sich zu fangen.
„Sei gegrüßt, Raisa Delour“, ertönte eine dunkle Stimme, die Ray bis ins Mark traf.
Schon seit einer Ewigkeit hatte sie niemand mehr so genannt!
Ray schluckte und nahm langsam den Arm herunter, den sie zum Schutz vor der Helligkeit vor ihre Augen gehoben hatte.
Vor ihr stand… Ray starrte ungläubig auf die Gestalt vor sich und schüttelte mehrmals den Kopf. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geglaubt, vor ihr stünde der Tod.
Der Mann verbarg sein Gesicht unter der weiten Kapuze einer schwarzen Kutte und die knochigen, blassen Finger umschlossen eine Sense.
„Wer zur Hölle bist du?“, entfuhr es ihr.
Ihr Gegenüber lachte leise. „Gestatten? Gevatter Tod.“