Ray strich mit dem Zeigefinger über die langen Fangzähne, die ihr urplötzlich aus dem Kiefer geschossen waren. Nur ein leichtes Ziehen hatte ihr verraten, dass sich tatsächlich etwas in ihrem Mund getan hatte und gleichzeitig musste sie zugeben, dass der Geruch von Lees Blut unfassbar köstlich war. Sie ekelte sich ein wenig vor sich selbst, aber sie verspürte das starke Verlangen, ihm die roten Tropfen vom Arm zu lecken.
Hastig wandte sie den Blick davon ab und kniff die Augen zu. „Mist“, fluchte sie dann noch einmal und zwang sich ruhiger zu atmen. Der metallische Geruch kitzelte ihr dabei aber nach wie vor in der Nase und ihr Magen knurrte begierig.
„Du hast Hunger“, hörte sie Lee sagen und schüttelte sofort den Kopf.
„Wie bekomm ich die Zähne zurück?“, zischte sie ihre Frage an den ungewohnt langen Fängen vorbei.
„Das geht jetzt nicht“, kam Lees Antwort direkt an ihrem Ohr. Seine Finger schlossen sich um ihre Schulter und er zog sie zurück in seine Richtung.
„Wenn ich dich tatsächlich gewandelt habe, dann brauchst du Blut. Du hast einige Transfußionen bekommen, um deinen Bluthaushalt wieder aufzufüllen, aber inzwischen hast du schon seit einigen Stunden keines mehr bekommen“, erklärte er. „Normalerweise benötigt ein Vampir während der Wandlung eine Menge Blut. Und offenbar geht es dir jetzt ähnlich.“
Seine braunen Augen waren auf sie gerichtet und sie konnte nur langsam nicken.
Als Lee ihr dann aber seinen Arm erneut vor das Gesicht hielt, zuckte sie zusammen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das intensive Rot. Sie konnte doch nicht von ihm trinken!
„Eine Transfusion?“, fragte sie deshalb leise.
„Ich denke, mein Blut würde dir besser helfen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir gestern wirklich genug gegeben habe.“
Ray zwang sich von seinem Arm in sein Gesicht zu schauen. „Ich soll…“, stammelte sie. „Ich meine, ich kann doch nicht…“
Lee lächelte. „Es ist schon in Ordnung“, meinte er und zwinkerte ihr zu. „Und es schmeckt auch gar nicht so übel.“
Sie runzelte die Stirn, ehe sie mit zittrigen Fingern seinen Arm umgriff. Na schön, es konnte ja eigentlich nicht mehr schlimmer werden!
Ohne noch länger darüber nachzudenken, presste sie ihre Lippen auf die Einstichstellen an seinem Handgelenk. Lees Blut füllte ihren Mund und die plötzlichen Empfindungen ließen ihre Sinne explodieren. Der Geschmack war kein bisschen so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Sie hatte geglaubt, sie würde sich ekeln, doch stattdessen war dieses Blut das köstlichste, was sie je getrunken hatte. Es schmeckte süßlich und doch herb, nach Leben und nach Kraft. Lee schloss seufzend die Augen, während sie gierig an Lees Arm saugte. Ihr Puls beschleunigte sich und ihr Innerstes wurde von wohligen Schauern erfüllt.
Entfernt nahm Ray wahr, dass auch Lee leise aufstöhnte, doch sie hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn sie sehnte sich danach, noch viel mehr von diesem köstlichen Blut zu kosten. Seufzend zog sie an Lees Arm, um ihn noch näher zu sich zu bringen, doch plötzlich spürte sie seine Hand auf ihrer Wange. Seine kühlen Finger strichen über ihre gerötete Haut und dann zog er seinen Arm sanft von ihrem Mund.
Ein Laut der Enttäuschung drang über Rays Lippen, als sie die Augen aufschlug und sich die letzten Tropfen des Bluts von den Lippen leckte.
„Ich denke, das genügt“, brachte Lee hervor und seine Stimme klang sonderbar belegt. Er räusperte sich und ließ sich zurück auf den Stuhl sinken, während Ray den Kopf schräg legte und ihn neugierig musterte. Zu gern hätte sie jetzt seine Gedanken gelesen, denn wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie angenommen, dass es ihm gefallen hatte, als sie von ihm getrunken hatte.
Noch einmal leckte Ray sich über die Lippen und beobachtete, dass Lees Blick diese kleine Bewegung sehr interessiert verfolgte. Sie ließ ihre Zunge noch einmal hervorgleiten und strich jetzt deutlich langsamer über ihren Mund.
Lee schluckte und dann trafen sich ihre Blicke. „Du spielst mit dem Feuer“, knurrte er und seine Worte schossen ihr direkt zwischen die Beine. Ein wohliger Schauer kroch über ihren Körper und sie musste sich räuspern. Sie war sich durchaus bewusst, dass sie gespielt hatte, aber womöglich sollte sie aufpassen, dass sie sich nicht verbrannte.